Vor 65 Jahren: Der letzte Atlantik-Kreuzer geht auf Jungfernfahrt

Auf dem Kai stehende Menschen winken dem Schiff hinterher. Pünktlich um zwölf Uhr am 9. Juli 1959 ist der Ozeanriese "Bremen" von Bremerhaven aus zu seiner Jungfernfahrt nach New York ausgelaufen.

9. Juli 1959: Die fünfte "Bremen" auf Jungfernfahrt

Bild: dpa | Lothar Heidtmann

Etwa 60.000 Menschen verabschiedeten in Bremerhaven die "Bremen V" zu ihrer ersten Fahrt über den Nordatlantik. Schon da zeichnete sich ab, dass die große Zeit der Ozean-Liner bald vorbei sein würde.

An der Bremerhavener Columbus-Kaje ist der Andrang groß an diesem heißen Sommertag, des 9. Juli 1959. Die Sonne scheint und mittags soll die Temperatur auf bis zu 30 Grad steigen. Trotzdem will hier niemand diesen einmaligen Moment verpassen, wenn das Passagierschiff "Bremen V" zur ersten Fahrt über Southampton und Cherbourg nach New York ablegt. Vielen war der erste gleichnamige Atlantik-Kreuzer des Norddeutschen Lloyds noch in guter Erinnerung: 30 Jahre zuvor holte er das "Blaue Band" für die schnellste Atlantik-Überquerung. Die neue "Bremen" soll an die Erfolge der Vorkriegszeit anknüpfen.

Den ganzen Vormittag herrscht wildes Treiben. Bereits am Morgen sind die Straßen verstopft, sieben Shuttle-Busse und drei Fährboote fahren unentwegt hin und her. Zur Ablege-Zeremonie spielt eine Militär-Kapelle die Klassiker "Muss i denn" und "Auf Wiedersehen!". Menschen winken mit weißen Tüchern und Luftschlangen fliegen von Bord an die Kaje. Radio-Bremen-Reporter Paul Dieter Kümper ist live dabei und beschreibt, wie die Schlepper den Ozeanriese in die Mitte der Fahrrinne drücken. Das Schiffshorn gibt dreimal einen langen, tiefen Signalton und damit nimmt die "Bremen V" Fahrt auf.

Umbau der Pasteur auf der Bremer Vulkan-Werft

An der Bordwand der ehemals Pasteur steht schon der neue Name "Bremen", 1957-1959
Umbau auf der Bremer Vulkan-Werft. Bild: Radio Bremen | Jutta Vialon

In den zwei Jahren davor ist die "Bremen" aufwändig umgebaut worden. Rund 65 Millionen D-Mark hat sich der Norddeutsche Lloyd das kosten lassen – mehr als doppelt so viel, wie die Reederei als Kaufpreis für das mittlerweile 20 Jahre alte Schiff bezahlt hat. Denn die "Bremen" ist kein Neubau, sondern eigentlich ein französisches Schiff. Gebaut in Saint-Nazaire, sollte sie für ihre französische Reederei als "Pasteur" im Südatlantikdienst fahren. Aber der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam dazwischen, das Schiff diente als Lazarettschiff und Truppentransporter.

1957 kauft der Norddeutsche Lloyd die "Pasteur", was in der französischen Bevölkerung nicht gut ankommt. Bei der Werft Bremer Vulkan bekommt das Schiff neue Kessel, die Silhouette wird verfeinert, sie erhält zwei neuartige seitliche Stabilisatoren für ruhigeres Fahrverhalten. In Bremerhaven wird sie ausgerüstet. Schiffsarchitekt Ehinger zählt auf: "Die neue Bremen wird ausgestattet sein mit allen Vorzügen eines modernen Passagierschiffs. Auf ein paar Dinge haben wir dabei besonderen Wert gelegt. In erster Linie sind dies die Kabinen der ersten und der zweiten Klasse. Breite Schränke, bequeme Betten und große Kommoden sollen zum Wohlbefinden der Passagiere beitragen. Alle Kabinen haben fließend Kalt- und Warmwasser. Hier haben wir uns selbst über die Waschbeckenform Gedanken gemacht."

Im Fünfsterne-Hotel-Schiff quer über den Atlantik

Turbinenschiff "Bremen V" von der Bugseite aus in einem Hafengebiet mit ausgefahrenen Landungsbrücken bei Nacht.
Die Pier 88 in New York wird der Stammplatz der "Bremen", die sich der Norddeutsche Lloyd mit der French Line teilt. Bild: Original im Focke-Museum Bremen

In New York, dem Ziel ihrer Jungfernfahrt, wird die "Bremen" begeistert empfangen am 16. Juli 1959. Sie brauchte 20 Stunden mehr als die alte Bremen von 1929 bei ihrer Rekordfahrt. Trotz Nebel und Sturm schaffte die neue Bremen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 23,2 Knoten, was 43 km/h entspricht.

Reporter Walter Pohl berichtet: "An den Canyons der Wolkenkratzer vorbei schiebt sich Deutschlands modernstes, größtes und schnellstes Schiff jetzt den Hudson-Fluß aufwärts. Wir haben die Freiheitsstatue passiert, die hochragenden Türme des Wall-Street-Gebietes im Süden von Manhattan und nähern uns jetzt der Stadtmitte."

Nach 12 Jahren aus dem Liniendienst zurückgezogen

Turbinenschiff "Bremen V" liegt in einem Hafen bei Nacht.
Gegen einen 8-Stunden-Flug blieb die mehrtägige Schifffahrt nicht konkurrenzfähig. Bild: Original im Focke-Museum Bremen

Gegen den technischen Fortschritt kann aber auch die schöne "Bremen" nicht anfahren. Spätestens Mitte der 1960er ist die Zeit der Ozean-Liner mit dem zunehmenden Flugverkehr vorbei. Abgezeichnet hatte sich das schon bei der In-Dienst-Stellung der "Bremen". Deshalb fragt Reporter Manfred Wende in einem Gespräch nach: "Ist es nicht zu einem Zeitpunkt, wo Düsenflugzeuge den Atlantikverkehr aufgenommen haben und eine äußerst große Kapazität für die Ozeanreisenden zur Verfügung stellen – ist es da nicht sinnlos, mit einem doch wohl so kostspieligen Projekt in den Atlantikverkehr einzusteigen?"

Wir meinen, dass das Passagierschiff trotz des Luftverkehrs immer seine Zukunft haben wird.

Paul Lepach, Sprecher des Norddeutschen Lloyd

Damit hatte Lepach – der später Vorstand des Touristikkonzern TUI wird – zwar grundsätzlich recht. Kreuzfahrten erleben heutzutage einen Boom. Der letzten "Bremen" half das aber nicht. Sie fuhr ab Mitte der 1960er Jahre zunehmend Verluste ein, verkehrte noch einige Jahre im Mittelmeer und diente eine Weile als Hotelschiff. Im Juni 1980 sank sie auf ihrer Fahrt zum Abwracken.

Radio-Bremen-Reportage dokumentiert den Umbau

Ein Film-Team hat die einzelnen Arbeiten und Entscheidungen auf der Vulkan-Werft eng begleitet und zeigt Pläne, Modelle und Konferenzen des Norddeutschen-Lloyd-Vorstands vom Ankauf der "Pasteur" bis hin zu vielen Stationen des Umbaus, wie Kesselerneuerung, Wasserversorgung, Schornsteinerrichtung, Kabinen erster Klasse und Touristenklasse, Sport- und Erholungseinrichtungen, Malerarbeiten, Bootsmanöver sowie Rettungsübungen. Auch die feierliche In-Dienst-Stellung ist zu sehen mit Bremens Bürgermeister Wilhelm Kaisen und Johannes Kulenkampff vom Norddeutschen Lloyd sowie die oben beschriebene Jungfernfahrt-Zeremonie.

Bild: Radio Bremen | Jutta Vialon

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Stichtag, 9. Juli 2024, 6:06 Uhr