Fragen & Antworten
10 Jahre nach Anti-Terror-Einsatz in Bremen: "Bleibt nur heiße Luft"
Vor 10 Jahren: Wie berechtigt war der Anti-Terror-Einsatz in Bremen?
Ende Februar 2015 wimmelt es in der Bremer Innenstadt von Polizisten und Blaulicht. Ein Islamisches Kulturzentrum wird mit einem Großaufgebot durchsucht. Später stellt sich raus: Der Einsatz war erfolglos – und illegal.
Was ist damals passiert?
Das kann Radio-Bremen-Journalist Jochen Grabler beschreiben. Er war damals als Reporter vor Ort. Am Morgen des 28. Februar 2015 bekam er einen Anruf. Er solle mal in die Innenstadt fahren. Es gebe einen ungewöhnlich großen Polizeieinsatz.
Ich habe noch sehr präsent Polizei vorm Dom, Polizei auf den Dächern rund um den Marktplatz, Polizei am Bahnhof und so weiter und so fort.
Radio-Bremen-Journalist Jochen Grabler
Es stellte sich heraus: Die Bremer Sicherheitsbehörden hatten einen Hinweis bekommen. Im Islamischen Kulturzentrum (IKZ) am Breitenweg würden radikale Islamisten Waffen horten, einen Anschlag planen. Nur einen Monat zuvor waren beim Anschlag auf die französische Satirezeitung Charlie Hebdo 17 Menschen ermordet worden.
Was kam bei der Durchsuchung des Kulturzentrums heraus?

Nicht das, was die Behörden erwartet hatten: Im Islamischen Kulturzentrum waren keine Waffen. Und auch keine anderen Hinweise auf Anschlagspläne. Erste Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes kamen auf. Wie zuverlässig war die Quelle, ein V-Mann des Zolls?
Und es stellten sich noch weitere Fragen: Wieso war die Kamera, die das IKZ permanent überwachte, ausgerechnet an diesem Tag sechs Stunden lang unbesetzt? "Wenn man einen Terroralarm hat und die sechste Kavallerie ist auf der Straße, und das Objekt, um das es eigentlich geht, wird nicht wirklich observiert. Das ist schon der Hammer gewesen", erinnert sich Journalist Jochen Grabler.
Um das alles aufzuklären, wurde ein Untersuchungsausschuss eingerichtet. Welches Fazit hat der gezogen?
Im Untersuchungsausschuss kam raus: Die Kommunikation der Behörden war an diesem Tag ein Problem. "Wir haben ganz viele unterschiedliche Bewertungen und Kommunikation festgestellt. Jemand hat gesagt, er habe eine Information an eine andere Behörde weitergegeben, aber in dieser anderen Behörde kann sich niemand an den Empfang der Information erinnern", erklärte damals Thomas Röwekamp (CDU), der stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses war.
Es handelte sich ausschließlich um in Bremen gewonnene Erkenntnisse, die nicht verifiziert wurden, die nicht überprüft wurden – und auf denen ein großes Einsatzgeschehen aufgebaut wurde. Am Ende bleibt nicht viel mehr als heiße Luft.
Thomas Röwekamp (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses
Was sagten die Gerichte?
Das Landgericht Bremen urteilte später: Die Durchsuchung des IKZ war nicht rechtens. Kristina Vogt, damals Fraktionsvorsitzende der Linken Opposition und Mitglied im Untersuchungsausschuss, machte daraufhin Druck auf den Innensenator: "Auch wenn das IKZ kein Kindergarten ist und da merkwürdige Dinge vor sich gehen, muss man sich an Recht und Gesetz halten", sagte sie damals gegenüber buten un binnen.
Wie blickt das Bremer Innenressort heute auf den Einsatz zurück?
Bremens Innensenator Mäurer war auch damals schon im Dienst. Er erinnert sich: Auch Bremen war nach den Anschlägen in Frankreich damals alarmiert. "Wir haben hier eine sehr starke islamistische – wir sagen salafistische – Community. Und wir haben gesehen, dass eine große Anzahl an Bremern, die wir dieser Gruppe zuordnen, sich freiwillig nach Syrien abgesetzt haben, um sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen", erklärt Mäurer.
Rückblickend sagt er heute: "Es sind eine Reihe von Fehlern gemacht worden." Doch trotz Rücktrittsforderungen blieb er damals im Amt. Und würde auch heute wieder so entscheiden wie damals:
Wenn der Zoll uns diese Informationen gibt, kann man natürlich sagen: 'Beachten wir nicht'. Aber ich sage mal, die Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn etwas passiert. Das ist unverantwortlich.
Bremen Innensenator Ulrich Mäurer (SPD)
Welches Fazit lässt sich allgemein aus den Geschehnissen ziehen?
Am Ende bleibt: Der Terroralarm in Bremen war an diesem Tag unbegründet. Er deckte aber die Schwächen des Sicherheitsapparates auf. Der Einsatz habe, so beteuern es die Verantwortlichen, dazu beigetragen, diese Schwächen zu beheben.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. Februar 2025, 19:30 Uhr