Das ist der Stand der Dinge im Streit ums Bremer Kirchenasyl

Debatte um Kirchenasyl in Bremen geht weiter

Bild: dpa | Sina Schuldt

Eine versuchte Abschiebung, Proteste und Krach in der Bremer Regierung: Seit vergangener Woche sorgt das Thema bundesweit für Schlagzeilen. Wir ordnen die Ereignisse ein.

In der Nacht auf den 3. Dezember scheiterte die Abschiebung eines 25-jährigen Somaliers aus Kirchenasyl am Widerstand der Zionsgemeinde und von Demonstranten. Die Innenbehörde beruft sich auf geltendes Recht, Kirchen und Vertreter von Linken und Grünen widersprechen.

1 Was ist Kirchenasyl?

Laut der Vereinigung der Evangelischen Gemeinden Bremen-Neustadt ist Kirchenasyl das letzte Mittel einer Gemeinde, Geflüchteten zeitlich begrenzten Schutz zu gewähren, wenn eine Abschiebung für sie mit Gefahren verbunden ist. Ziel sei es, ihre Situation sorgfältig überprüfen zu können, um unrechtmäßige Abschiebungen zu verhindern.

Die Bremer Innenbehörde erläutert, dass die Kirche Asylbewerbern in Härtefällen Asyl gewähren könne, auch wenn das rechtsstaatliche Verfahren bereits abgeschlossen sei. Diese Fälle würden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erneut geprüft. Erkenne das Bamf die Einwände nicht an, müsse der Betroffene das Kirchenasyl verlassen.

Eine gesetzliche Grundlage gibt es nicht. Der Staat toleriert das Kirchenasyl in vielen Fällen, kann aber von seinem Zugriffsrecht Gebrauch machen, um Betroffene abzuschieben. 

2 Was kritisiert Bremens Innensenator?

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe den Fall erneut geprüft und sei bei der Rechtsauffassung geblieben, dass es sich nicht um einen Härtefall handele und dem Mann in Finnland nichts passiere, teilte Ulrich Mäurer (SPD) mit. Diese Entscheidung habe auch die Kirche zu respektieren.

Zudem sei die Zahl der Fälle in Bremen in den vergangenen Jahren stark angestiegen. "Ich stehe mit den Kirchen im permanenten Austausch und habe auf die Risiken hingewiesen, die entstehen, wenn dieses System aus dem Ruder läuft", sagte Mäurer. Einige Gemeinden würden sich nicht an Vereinbarungen halten, kritisierte er.

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3 Worum genau geht es beim Fall des 25-jährigen Somaliers?

Es handelt sich um einen sogenannten Dublin-Fall. Nach dem Dublin-Verfahren der Europäischen Union ist das Land für das Asylverfahren zuständig, in dem ein Asylsuchender erstmals die EU-Grenzen überschreitet. Im aktuellen Fall sollte der Somalier ins EU-Land Finnland abgeschoben werden, weil er dort zuerst registriert wurde.

Das Bamf hatte der Innenbehörde zufolge zunächst entschieden, dass er gemäß der Dublin-Regelung nach Finnland zurückkehren müsse. Die sechsmonatige Übergangsfrist, in der Deutschland den Somalier nach Finnland hätte abschieben können, endete am 7. Dezember. Anschließend hätte Deutschland das Asylverfahren übernehmen müssen. Wie der Bremer Flüchtlingsrat mitteilt, habe das Bremer Migrationsamt nach dem erfolglosen Abschiebeversuch beim Bamf um eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate gebeten, da der Gesuchte flüchtig sei. Das Bundesamt kam dem nach und verlängerte die Frist.

Gegen diese Entscheidung legte der Anwalt des 25-Jährigen Widerspruch ein. Das Bremer Verwaltungsgericht gab ihm im Eilverfahren Recht und erklärte die Fristverlängerung für rechtswidrig: Der Somalier sei nicht flüchtig gewesen, da sein Aufenthaltsort im Gemeindezentrum bekannt gewesen sei.

4 Was sagt die Kirche?

Lars Ackermann vom kirchlichen Bremer Verein "Zuflucht" argumentierte, der 25-Jährige sei mehrfach gewaltsam zwischen Finnland und Russland hin und her geschubst worden. Bei einer Ausweisung aus Deutschland wäre er wieder nach Russland geschickt worden, weswegen der Somalier für ihn ein klarer Härtefall sei.

"Das Kirchenasyl ist und bleibt ein wichtiger, unverletzlicher Schutzraum in besonderen Härtefällen", sagte Bernd Kuschnerus, Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche. Das jetzige Vorgehen sei eine deutliche Abweichung von dieser bisherigen, gemeinsamen Linie von Staat und Kirchen.

5 Wie reagieren die Koalitionspartner der SPD?

Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende der Linken, sprach von einer Zäsur. An einen Bruch des Kirchenasyls in Bremen könne sie sich nicht erinnern. Die Linke-Landessprecherin Anna Fischer erklärte, Mäurer würde getroffene Vereinbarungen der Koalition brechen. "Das Kirchenasyl ist ein hohes Schutzgut", sagte die Grünen-Fraktionschefin Henrike Müller.

6 Wie geht es nun weiter?

Der Somalier hatte erfolgreich einen Eilantrag gegen die Verlängerung der Überstellungsfrist gestellt. Das reguläre Verfahren darüber, ob die Fristverlängerung des Bamf tatsächlich rechtswidrig ist, läuft aber noch. Bis es abgeschlossen ist, darf der 25-Jährige nicht abgeschoben werden. Laut Flüchtlingsrat bewege er sich inzwischen frei außerhalb des Kirchenasyls. Sollte die Fristverlängerung abschließend verworfen werden, wäre Deutschland für sein Asylverfahren zuständig. Dann könnte er hier einen Asylantrag stellen.

Gericht stoppt Abschiebung von Somalier in Bremer Kirchenasyl

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. Dezember 2024, 19:30 Uhr