Fragen & Antworten
Mehr Asylverfahren vor Bremens Gerichten – das steckt dahinter
Immer mehr Bremer Asylbewerber klagen gegen ihre Ablehnung
Die Zahl neuer Asylrechtsklagen am Verwaltungsgericht Bremen ist so hoch wie zuletzt 2018. Warum das so ist und was es mit den Verfahren auf sich hat, erklären wir hier.
Beim Bremer Verwaltungsgericht sind 2024 erstmals seit Jahren wieder mehr als 3.000 Verfahren eingegangen. Allein 1.153 davon waren Asylverfahren – so viele wie seit 2018 nicht mehr. Warum dies so ist und was dahinter steckt, beantworten wir hier.
Welche Verfahren finden am Verwaltungsgericht Bremen statt?
Im vergangenen Kalenderjahr sind am Verwaltungsgericht Bremen 3.051 neue Verfahren eingegangen. Das sind 5,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Verfahren am Verwaltungsgericht Bremen nach Sachgebieten
Gestritten wurde unter anderem darum, was auf Versammlungen gegen den Gaza-Krieg geäußert werden darf, ob Bremens Kitagebühren mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sind oder ob Abstandsgebote von Schulen zu Wettbüros rechtlich zulässig sind.

Im Sachgebiet Ausländerrecht klagten beispielsweise 224 Betroffene gegen mutmaßliche Untätigkeit der Verwaltungsbehörden bei der Einbürgerung, darunter viele Syrer. Denn 2015 und 2016 in die Bundesrepublik eingereist, erfüllen viele von ihnen nun die Einbürgerungsvoraussetzungen gemäß Paragraf 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Er besagt, dass Ausländer, die seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland leben, auf Antrag einzubürgern sind, wenn sie gewisse Voraussetzungen wie zum Beispiel "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" verfügen.
Welchen Anteil nehmen Asylverfahren ein?
Einen erheblichen Anteil der Verfahren am Verwaltungsgericht Bremen betreffen das Asylrecht. Ihre Zahl ist im vergangenen Jahr um elf Prozent angestiegen auf jetzt 1.153 Klage- und Eilverfahren. Das entspricht einem Anteil an allen neuen Verwaltungsgerichtsverfahren von 38 Prozent.
Anteil der Asylverfahren an allen Verfahren am Verwaltungsgericht Bremen
Warum ist die Zahl der Asylverfahren in Bremen zuletzt angestiegen?
Ein Großteil der Verfahren geht auf die sogenannte Sekundärmigration innerhalb der Europäischen Union zurück – also "Dublin-Verfahren". Das heißt, die Klägerinnen und Kläger haben in einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits Asyl beantragt oder es wurde ihnen dort schon ein Schutzstatus zugesprochen. Sie wollen aber in Bremen bleiben und klagen deshalb.

Dies ist aber nicht der einzige Grund. So gebe es auch immer wieder Verfahren, die sich mit abgelehnten Asylanträgen beschäftigten, obwohl die Herkunftsländer der Betroffenen als nicht sicher eingestuft seien, sagt Friedemann Traub, Pressesprecher des Oberverwaltungsgerichts. Darüber hinaus habe es jüngst einen Anstieg von Asylverfahren aus Russland und der Türkei gegeben.
Tatsächlich zeigt der Blick auf die Asylverfahren, die 2024 erledigt wurden (siehe Grafik), dass die meisten Asylklägerinnen und -kläger derzeit aus der Türkei stammen.
Herkunftsländer bei Asylverfahren am Verwaltungsgericht Bremen
Doch auch viele andere Herkunftsländer finden sich in der Liste der erledigten Asylverfahren wieder. Gundula Oerter vom Flüchtlingsrat Bremen wundert das nicht. "Die Zahlen steigen genau dann, wenn es immer mehr negative Bescheide gibt", sagt sie. Und dies sei derzeit, auch aus politischen Gründen, der Fall.
"Für viele der Betroffenen geht es bei diesen Entscheidungen aber um ihr Überleben", sagt Oerter. Da es in einem Rechtsstaat wie Deutschland die Möglichkeit gebe, zu klagen, empfiehlt sie jeder und jedem Betroffenen diesen Schritt. "Es geht um eine Bleibeperspektive für diese Menschen."
Darüber hinaus sei die Fehlerquote bei Asylbescheiden hoch. Ungefähr ein Drittel aller Beschlüsse würden vor Gericht kassiert, schätzt die Expertin. In manchen Herkunftsländern wie Afghanistan liege die Fehlerquote sogar noch deutlich höher. Alle Fachanwälte und Fachorganisationen rieten daher dazu, gegen einen negativen Beschluss ins Klageverfahren zu gehen.
Was passiert bei einem Asylverfahren vor Gericht?
Kern und Grundlage jedes Asylverfahrens vor Gericht ist stets ein Interview. Hier müssen die Betroffenen nochmals ihr Verfolgungsschicksal darstellen. "Es gibt genau diese eine Möglichkeit für eine Person, die um ihr Leben ringt, diesen Schutz zu erhalten", sagt Flüchtlingsrat-Referentin Oerter.
Das Protokoll des Interviews entscheidet. Deshalb ist die Vorbereitung auf dieses Gespräch so wichtig.
Gundula Oerter, Referentin für Asyl- und Aufenthaltsrecht beim Flüchtlingsrat Bremen
Es werden dabei geradlinige, widerspruchsfreie, zeitlich vollkommen konsistente Berichte erwartet, sagt Oerter. Um das durchzustehen, brauche es Beratung. In Bremen gibt es diese beispielsweise beim Flüchtlingsrat, der Beratungsstelle für Geflüchtete der AWO oder beim Verein Fluchtraum.
Im Klageverfahren selbst sei anwaltlicher Beistand zwar nicht verpflichtend, sagt Oerter. "Wir empfehlen das aber dringend."
Das Problem: Viele könnten sich finanziell keine Anwältin leisten. Sie müssten sich verschulden. Grob würden es dennoch rund ein Fünftel der Betroffenen ohne Anwalt versuchen. "Weil sie nicht beraten wurden oder weil ihnen einfach das Geld fehlt", sagt Oerter.
Wie 2 Afghanen die politische Stimmung in Bremen wahrnehmen
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 18. März 2025, 6 Uhr