Ex-Senatorin Schaefer und der stille Wunsch nach Anerkennung

Von der ersten in die letzte Reihe: Maike Schaefer nach ihrem Rücktritt

Bild: dpa | Sina Schuldt

Sie polarisierte wie kaum eine Bremer Politikerin vor ihr. Noch immer hadert Maike Schaefer mit ihrem Image und der eigenen Partei. Ihre Zukunft sieht sie jenseits der Politik.

Wenn die Grünen-Abgeordnete den Plenarsaal der Bremischen Bürgerschaft betritt, dann führt ihr Weg seit vergangenem Jahr in die letzte Reihe. Ganz hinten steht ihr Holztisch, mit zwei Schräubchen ist darauf das kleine Namensschildchen befestigt: "Dr. Schaefer, Maike". Früher Bürgermeisterin und Senatorin und nun also Hinterbänklerin: Schaefer weiß, wie flüchtig politische Macht sein kann und wie bitter sich nach Höhenflügen ein Absturz anfühlt.

Sie hatte Spitzenämter inne – doch schon nach vier Jahren war Schluss. Am Tag nach der Grünen-Pleite bei der Bürgerschaftswahl 2023 erklärte sie vor der Presse ihren Rückzug. Überzeugung, Kraft und Energie waren verflogen. Man sah Schaefer in diesem Moment an, wie sehr die Jahre als Senatorin an ihr gezehrt hatten.

Das Jahr nach der Wahl hat schon noch an mir geknapst. Nicht weil ich in der letzten Reihe saß, sondern weil man viel zu verarbeiten hat.

Maike Schaefer (Grüne), Abgeordnete


Sie hat die Dinge sacken lassen und versucht, Abstand zu gewinnen. Die Enttäuschung saß tief. Warum polarisierte sie so sehr? Was bleibt von ihrer Amtszeit? Ist sie gescheitert?

Autofreie Innenstadt: Widerstand gegen grüne Ambitionen

Im Jahr 2019 hatten sich SPD, Grüne und Linken auf eine Koalition geeinigt. Der Vertrag trug in vielen Belangen eine grüne Handschrift. Und so ging Schaefer als frischgebackene Senatorin mit viel Tatendrang ans Werk. Sie trat an, um zu liefern: "Alle wussten worauf sie sich einlassen, weil es gab diesen Koalitionsvertrag. Ich habe nichts außerhalb dieses Vertrages gemacht."

Stefan Brockmann
Stefan Brockmann hatte unter anderem als Vizepräses der Handelskammer mit Schaefer zu tun. Bild: Radio Bremen

Doch der Widerstand ließ nicht lange auf sich warten. Von den Plänen einer autofreien Innenstadt hielt man in der Handelskammer wenig. Man habe stets versucht, der Senatorin die Vorbehalte plausibel zu begründen, erzählt der Vizepräses Stefan Brockmann. "Es ist in Erinnerung geblieben, dass sie eine sehr beherzte Kämpferin für ihre Sache war. Dass sie wusste, was sie wollte und dass sie wenig Gegenrede zugelassen hat". In Besprechungen sei die ehemalige Senatorin zudem oft emotional geworden, erinnert sich Brockmann.

Dass die Kraft ihrer Argumente eine höhere Wichtigkeit hat, hat sie uns sehr, sehr deutlich zu spüren gegeben.

Stefan Brockmann, Vizepräses Handelskammer

Das gegenseitige Misstrauen blieb eine Konstante in der Legislaturperiode, in der sich ein negatives Image Schaefers in Teilen der Öffentlichkeit zunehmend verfestigte. Zum Beispiel infolge des Projektes "Transformartini" in der Martinistraße, das sich zum kommunikativen Desaster entwickelte. Zwar war es im Koalitionsvertrag vereinbart, doch viele Bremerinnen und Bremern verbanden die umstrittenen Verkehrsversuche fortan fast ausschließlich mit dem Namen Maike Schaefer.

Die Rolle des Geschlechts

Zunehmend haftete ihr das Image an, sie sei beratungsresistent und nicht kompromissfähig. Schaefer kennt all diese Beschreibungen. Dabei habe eine Rolle gespielt, meint sie heute, dass sie als Frau nicht klein beigegeben und für ihre Anliegen gekämpft habe. "Das wird Frauen eher negativ ausgelegt als Männern".

Bremens Frauenbeauftragte Bettina Wilhelm
Seit 2017 ist Bettina Wilhelm Bremens Landesbeauftragte für Frauen. Bild: Radio Bremen

Bremens Landesfrauenbeauftrage Bettina Wilhelm teilt diese Einschätzung. Politisch wolle und könne sie Maike Schaefers Arbeit nicht bewerten, aber es sei bemerkenswert, welche Attribute ihr damals in der öffentlichen Berichterstattung zugeschrieben wurden. Wilhelm zählt auf: Schaefer sei als nicht ausgleichend und kompromisslos beschrieben worden, als unwirsch, herrschend und sie wolle blindlings mit dem Kopf durch die Wand.

Bei Männern heißt es dann Durchsetzungsfähigkeit und bei Frauen Kompromisslosigkeit. Daran merkt man schon, dass Geschlecht eine Rolle spielt.

Bettina Wilhelm, Landesfrauenbeauftragte

Doch zweifellos gehen die Meinungen darüber auseinander, wie groß man diese Rolle im Falle von Maike Schaefer einschätzt.

Disharmonie unter Senatskolleginnen

Schaefer weiß um ihr Image, sie sei stur, dickköpfig und vor allem nicht fähig zum Kompromiss. Wer sie auf dieses öffentliche Bild anspricht, spürt sofort ihren Ärger und wie sehr sich eine Korrektur dieser Attribute wünscht. Das stimme einfach nicht. Konflikte seien nie Selbstzweck gewesen, meint sie.

Auch die Auseinandersetzungen mit Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hätten ihre berechtigten Gründe gehabt. Sie habe grüne Inhalte umsetzen wollen, auch gegen den Widerstand der Handelskammer – dafür sei sie schließlich gewählt worden. Und sie versteht bis heute nicht, warum Vogt oft als pragmatisch beschrieben wird. Die Wirtschaftssenatorin mache vielleicht einfach eher das, was die Handelskammer von ihr erwarte, meint Schaefer.

Das ist nicht immer unbedingt kompatibel mit dem, was andere Akteure erwarten – oder was vielleicht auch klassische linke Politik ist.

Maike Schaefer (Grüne), Abgeordnete

Es ist kein Geheimnis, dass es im Senat nicht immer harmonisch zuging. Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) verzichtet heute lieber darauf, sich zu seiner ehemaligen Senatskollegin öffentlich zu äußern – obwohl den beiden ein gutes Verhältnis nachgesagt wird.

Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt
Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt geriet mit Senatorin Schaefer oft aneinander. Bild: Radio Bremen

Kristina Vogt dagegen macht keinen Hehl aus ihrer Sicht der Dinge. Maike Schaefer sei eine Politikerin mit Haltung, davor habe sie Respekt, erklärt sie. Aber dennoch: Beim Senatsfrühstück jeden Dienstag habe es tatsächlich oft Streit gegeben. In der Sache sei das mitunter notwendig. "Aber es war manchmal so, dass ich mich gefragt habe, was passiert denn da am Dienstag? Das ist mir dann am Montagabend schon auf den Magen geschlagen. Das gebe ich ganz offen zu". Manchmal müsse man eben Kompromisse zum Wohle des Bundeslandes eingehen, fasst Vogt zusammen.

Das war nicht immer ihre Stärke, um es vorsichtig auszudrücken.

Kristina Vogt (Linke), Wirtschaftssenatorin

Tiefe Gräben zwischen Schaefer und Parteispitze

Tatsächlich scheint Maike Schaefer inzwischen einen emotionalen Abstand zu vielen strittigen Themen gewonnen zu haben. Sie könne damit leben, dass beispielsweise die Handelskammer nicht gut auf sie zu sprechen ist. Doch was noch immer in ihr arbeitet, ist das zerrüttete Verhältnis zur eigenen Partei.

Über 20 Jahre war sie aktiv für die Grünen, als Abgeordnete, Fraktionsvorsitzende und schließlich als Senatorin. Sie hätte sich mehr Rückhalt gewünscht in ihrer Amtszeit, meint Schaefer. Von der vorherigen und aktuellen Parteispitze erhält sie bis heute kaum öffentliche Anerkennung für ihren Einsatz. Offizielle Anfragen für ein Gespräch über die Ex-Spitzenkandidatin lehnt die Partei ab.

Zumindest zwei ehemalige grüne Führungskräfte sind bereit zu sprechen: Sie können die Enttäuschung Schaefers nachvollziehen. Matthias Güldner (Fraktionsvorsitzender 2007-2015) meint, die Grünen hätten Schaefer in ihrer Amtszeit allein gelassen. Das sieht Hermann Kuhn (Landesvorstand 2011-2013 und 2018-2019) auch so.

Hermann Kuhn und Matthias Güldner
Hermann Kuhn ist ehemaliger Landesvorstand der Grünen und Matthias Güldner hatte mehrere Jahre den Vorsitz der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft inne. Bild: Radio Bremen

Das Kernthema der Grünen sei in dieser Legislatur die autofreie Innenstadt gewesen und damit hätten die Grünen ihrer Senatorin einen sehr dicken Rucksack mitgegeben, sagt Kuhn. Man habe aber völlig unterschätzt, dass es eine Gegenbewegung geben könnte. Und Güldner ergänzt, Schaefer habe auf der politischen Bühne oft ganz allein gestanden. "Man hat sich manchmal gefragt, wo eigentlich alle anderen grünen Funktionsträgerinnen und Funktionsträger sind. Von denen war in dieser Legislaturperiode sehr wenig zu hören".

Erfolge wie das 49-Euro-Ticket, das unter Schaefers Führung in der Verkehrsministerkonferenz ausgehandelt wurde, gingen in der öffentlichen Wahrnehmung unter. Irgendwann kippte die Stimmung in Bremen, fasst Kuhn zusammen. Schaefer und der Partei sei es dann nicht mehr gelungen, einen Neuanfang zu finden.

Da ist ja nicht Maike Schaefer gescheitert. Sondern da sind die Grünen gescheitert – mit dem Versuch, die Dinge übers Knie zu brechen.

Hermann Kuhn (Grüne), ehemaliger Landesvorstand

Emotionales letztes Jahr im Amt

Heute räumt Schaefer ein, wie emotional belastend sie vor allem die Schlussphase als Senatorin empfand. 70-Stunden-Wochen, immer erreichbar sein und kaum Zeit für die Familie zu haben – diese innere Zerrissenheit habe etwas mit ihr gemacht.

Meine Familie ist zu kurz gekommen und das hat mir weh getan.

Maike Schaefer (Grüne), Abgeordnete

Hassmails mit krassen Beleidigungen gingen ihr nahe, erzählt sie, teilweise sei sie sogar in der Öffentlichkeit persönlich angegangen worden. Sie suchte sich damals Hilfe. Ein Mental-Coach habe sie in dieser Zeit unterstützt. "Es ist gut, wenn sich jemand neutral die Situation anhört und Tipps gibt, wie man damit umgeht."

Auch wenn es einige anders beurteilen, Schaefer selbst möchte ihre Bilanz nicht als gescheitert betrachten. Auch wenn einige Projekte nicht im grünen Sinne vollendet wurden, aber sie habe "heiße Eisen" angefasst. Der Anfang sei gemacht.

Offen um Anerkennung zu bitten ist wahrlich nicht ihr Stil, aber der stille Wunsch schwingt in ihren Erzählungen oft mit. Den Job als Abgeordnete möchte sie weiter anständig erledigen. Bei der nächsten Wahl will Schaefer aber nicht mehr antreten, nach zwei Jahrzehnten in der Politik. Sie freue sich auf das, was auch immer kommen mag. Und bis dahin sei sie gerne Abgeordnete in der letzten Reihe der Bürgerschaft.

Ich hab hinten angefangen, insofern schließt sich der Kreis. Für mich ist das ok. Das gehört zur Demokratie dazu.

Maike Schaefer (Grüne), Abgeordnete

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. Juli 2024, 19:30 Uhr