Fragen & Antworten
Wie Bremer mit der Darmkrankheit Zöliakie umgehen
Wenn Gluten zum Gift wird: 11-jähriger Bremer lebt mit Zöliakie
Gluten führt bei Zöliakie-Betroffenen zu Darmproblemen – und teilweise zu einer Reihe weiterer Symptome. Die Lösung? Eine strikte Diät. Die Diagnose gestaltet sich oft schwierig.
Zöliakie ist eine der häufigsten nichtinfektiösen Darmerkrankungen. Sie trifft sowohl Kinder als auch Erwachsene. In Deutschland gehen Experten mittlerweile davon aus, dass fast ein Mensch von hundert Zöliakie entwickeln kann. Laut Alexander Querfurt müssten es in Bremen demnach gut 1.000 Kinder und 5.000 Erwachsene sein, auch wenn es kein einheitliches Register für diese Erkrankungen gibt. Querfurt ist Kindergastroenterologe in Bremen. Gastroenterologen haben sich in der Inneren Medizin auf den Magen-Darm-Trakt spezialisiert.
Kinder haben das höchste Erkrankungsrisiko, gefolgt von Frauen. Am seltensten tritt Zöliakie laut Querfurt bei erwachsenen Männern auf. Warum er diese Krankheit als das Chamäleon der Medizin bezeichnet und wie es Betroffenen damit geht, fassen wir hier zusammen.
Was ist Zöliakie und was passiert dabei im Darm?
Bei gesunden Menschen hat der Dünndarm die Funktion, die Nahrung in ihre Bestandteile zu zerlegen und die Nährstoffe über die Schleimhaut in den Körper zu bringen. Damit eine möglichst große Oberfläche zur Nährstoffaufnahme zur Verfügung steht, ist der Dünndarm in viele Falten gelegt, die wiederum mit kleinen Ausstülpungen an der Dünndarmwand versehen sind. Diese Ausstülpungen heißen Darmzotten, erklärt die Deutsche Zöliakie Gesellschaft.
Bei Menschen mit Zöliakie führt Gluten, also ein Eiweiß, das in den Samen vieler Getreidesorten vorkommt, zum Abbau der lebenswichtigen Darmzotten im Dünndarm, weil sich die Darmschleimhaut entzündet. Dadurch ist die Oberfläche des Dünndarms verkleinert und die Nährstoffe können nicht mehr richtig aufgenommen werden, erklärt Querfurt. Kinder wachsen nicht mehr oder magern plötzlich ab. Diese Reaktion wirkt auf den ganzen Körper.
Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung. Viele Betroffene haben Bauchschmerzen und Magen-Darm-Probleme, aber es kann auch der ganze Körper mit Symptomen reagieren. Die können sogar lebensbedrohlich sein. "Auch chronische Müdigkeit durch Eisenmangel, Gelenkschmerzen und sogar psychische Erkrankungen werden als Symptome von Zöliakie genannt. Es ist gar nicht so knifflig, die Krankheit zu diagnostizieren, aber kann herausfordernd sein, überhaupt auf die Zöliakie zu kommen", erklärt Querfurt.
Was passiert bei Zöliakie im Dünndarm?
Ist die Krankheit vererbbar?
Auf jeden Fall spielen erbliche Faktoren laut der Deutschen Zöliakie Gesellschaft eine wichtige Rolle. Außerdem müssen Betroffene natürlich Gluten zu sich nehmen, damit die Erkrankung ausbricht. Wie genau Zöliakie entsteht, ist bisher aber noch nicht geklärt. Ebenfalls eine Rolle spielen können Infektionen, die übrige Ernährung und das Immunsystem im Allgemeinen.
Querfurt berichtet, dass er häufig Kinder in seiner Praxis diagnostiziert und dann bei den Eltern nachfragt, wie es bei ihnen so aussieht. Oft sei die Antwort dann: "Wenn sie so fragen, ich habe schon lange Beschwerden und bisher keine Diagnose."
Was ist an der Diagnose so schwierig?
Nur bei zehn bis 20 Prozent der Betroffenen zeigt sich die Zöliakie in ihrer kompletten Ausprägung. Dann spricht man laut Querfurt von einer klassischen Zöliakie. Häufiger treten sogenannte untypische Formen auf. Die Menschen haben nur wenige oder keine Symptome und wissen oft nichts von ihrer Erkrankung, teilt die Deutsche Zöliakie Gesellschaft mit. "Noch ist nicht ganz klar, warum manche Menschen mit einer schweren Autoimmunerkrankung auf Gluten reagieren und andere nicht", sagt Querfurt.
Die Erkrankung kann jederzeit im Laufe des Lebens ausbrechen. Doch am häufigsten erkranken Menschen im Alter zwischen einem und acht Jahren, beziehungsweise zwischen 20 und 50 Jahren, sagt Querfurt. Bei Kleinkindern kommt es oft zu folgenden Symptomen: Durchfall, Blähbauch, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust, Wachstumsstillstand, verzögerte Pubertät, Blässe und Übelkeit. Bei Erwachsenen äußert sich die Krankheit unter anderem so: Müdigkeit, Erschöpfung, Blutarmut, Eisen- und Vitaminmangel, Gewichtsverlust, Erbrechen, Bauch- oder Knochenschmerzen.
Bei Beschwerden sollten Patienten laut Querfurt immer erst ihren Kinder- oder Hausarzt kontaktieren – eben weil die die Symptome oft sehr unspezifisch seien. Der zweite Schritt sei bei einem Verdacht dann eine Überweisung an einen Gastroenterologen.
Überblick: Was Zöliakie-Patienten essen dürfen
Wie stellt man die Diagnose genau?
Bei Kindern kann die Diagnose Zöliakie in der Regel über das Blut gestellt werden, bei Erwachsenen sind laut Querfurt weitere Untersuchungen nötig. Dabei führt der Arzt eine Kamerasonde über Mund, Speiseröhre und Magen in den Dünndarm ein und entnimmt Proben der Dünndarmschleimhaut, die mikroskopisch untersucht werden. Auf diese Weise lässt sich feststellen, ob es zu Veränderungen der Dünndarmzotten gekommen ist, die für Zöliakie typisch sind.
Deswegen ist es auch wichtig, dass Betroffene nicht schon vorher eine Gluten-Diät gemacht haben. Antikörperwerte und Schleimhautveränderungen bilden sich durch die glutenreduzierte Kost zurück und sind dann eventuell nicht mehr eindeutig und aussagekräftig nachweisbar. Damit verzögert sich die Diagnose oft unnötig oder sie wird nie korrekt gestellt.
Was müssen die Betroffenen machen, wenn es sich um eine Zöliakie handelt? Gibt es Medikamente?
Nur durch eine lebenslange und ausnahmslose glutenfreie Ernährung kann sich die entzündete und abgeflachte Dünndarmschleimhaut wieder ganz erholen. Schon bei kleinen Glutenmengen setzt die Entzündung erneut ein. Einzelne Fehler führen nicht sofort zum vollständigen Abflachen der Schleimhaut, sondern aktivieren zunächst diese Entzündungsreaktionen. Treten häufiger Fehler auf, kann sich die Schleimhaut nach und nach wieder abflachen. Solange die glutenfreie Diät strikt eingehalten wird, lebt der Zöliakie-Betroffene in der Regel beschwerdefrei.
"Es gibt Forschung an Medikamenten, aber aktuell ist noch keines zugelassen", sagt Querfurt. Und auch die Medikamente, an denen geforscht werde, würden Zöliakie nicht heilen, sondern die Immunreaktion abschwächen. "Leider laufen diese Studien jedoch wieder nur an Erwachsenen und es wird nicht auf Kinder geschaut", bemängelt Querfurt. Er fordert, dass sich das ändert. "Biologisch macht die Grenze von 18 Jahren gar keinen Sinn."
Wie bewerten Experten, dass immer mehr Menschen auf Gluten verzichten, ohne Zöliakie zu haben?
Querfurt steht dem zweigeteilt gegenüber. "Die positive Seite ist, dass es durch die gestiegene Nachfrage mehr Produkte ohne Gluten gibt." Doch auf der anderen Seite würden ihm Patienten berichten, dass sie sich deshalb oft nicht ernst genommen fühlen. "Es ist schwer, die Striktheit der Diät nach außen zu vermitteln, wenn viele Menschen von einer vermuteten oder selbstdiagnostizierten Unverträgtlichkeit ausgehen", sagt er.
Außerdem sei aus ärztlicher Sicht wichtig zu sagen, dass Gluten für gesunde Menschen nicht schädlich sei und eine glutenfreie Diät nicht unbedingt gesünder. Sie enthalte oft mehr Zucker und ungesättigte Fettsäuren – "und das wollen wir ja eigentlich nicht", so der Arzt.
Wie gesund essen die Bremerinnen und Bremer?
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. März 2025, 19:30 Uhr