Wie in Bremen die Weichen für den Euro gestellt wurden
Am 6. und 7. Juli 1978 wurde in Bremen europäische Geschichte geschrieben: Damals tagte der Europäische Rat in der Stadt – und traf eine weitreichende Entscheidung.
Bremen ist im Juli 1978 im Ausnahmezustand. Angemeldet hat sich der Europäische Rat. Die Staats- und Regierungschefs der neun EG-Staaten reisen an – mit nicht eben leichtem Gepäck: "Das Generalkommissariat, das seine Wanderzirkusqualitäten gar nicht verleugnet, lieferte Büromaterial, Bauteile für weitere Dolmetscherkabinen und die für nötig gehaltenen 300 Schreibmaschinen mit verschiedener Tastatur an", witzelt damals ein Sprecher der Nordschau. Radio Bremen verlegt sechs Kilometer Strom- und Sendekabel, die Bremische Bürgerschaft beherbergt über hundert Journalisten, Scharfschützen stehen auf den Dächern rund um den Marktplatz.
Viel Wirbel um nicht viel, davon gehen die meisten aus – auch die Journalisten. Im Vorfeld gab es wenig Erwartungen an das Treffen.
An der gemeinsamen Erklärung, die im Anschluss an die gemeinsame Ratssitzung veröffentlicht wird arbeiten die Experten in aller Ruhe seit Wochen. Auch europäische Zwischenbescheide können eines Tages von Bedeutung sein.
Pressestimmen zum Treffen des Europäischen Rats in Bremen am 6. Juli 1978
Ein steiniger Weg zur gemeinsamen europäischen Währung
Doch tatsächlich ereignet sich an diesen zwei Tagen Historisches: Denn die Regierungschefs einigen sich auf die Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Währungssystems, kurz EWS. Und schaffen damit die Grundlage für den Euro. Man wollte sich unabhängiger vom Dollar machen, erklärt Hanna Kolla. Sie studiert Sozialpolitik an der Uni Bremen und hat im Europapunkt an einer Ausstellung zu diesem Beschluss mitgearbeitet.
Während der wirtschaftlichen Turbulenzen der 1970er-Jahre schwankten die Währungen enorm: "Mit der Einführung dieses Bremer Plans, also dieser europäischen Währungseinheit, hat man es geschafft, sich untereinander zu koppeln und die Währungen gegeneinander schwanken zu lassen", erklärt die Studentin.
Doch selbst der Weg zur ersteinmal nur beschlossenen zukünftigen gemeinsamen Währung war steinig.
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass die währungspolitischen Punkte gestern Nacht und heute Morgen insgesamt sechs Stunden Beratung erfordert haben. Umso höher ist das einmütige, bis zum letzten Satz durchformulierte Papier zu bewerten.
Helmut Schmidt, ehemaliger Bundeskanzler
Grundstein für eine deutsch-französiche Achse in Europa
Hand in Hand gingen Deutschland und Frankreich durch die harten Verhandlungen. Möglicherweise hatten der französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt die ganze Zeit eine tatsächliche gemeinsame europäische Währung im Kopf, spekuliert die Studentin der Sozialpolitik Kolla. Gesprochen haben die Staatschefs darüber aber nicht. Das war damals wohl doch zu utopisch. Auf jeden Fall aber begründeten Schmidt und Giscard d‘Estaing in Bremen die Deutsch-Französische, europäische Achse:
Was besonders ist an diesem Gipfel: Da hat man zum ersten Mal gesehen, dass Deutschland und Frankreich diese Kooperation vorangetrieben haben und diese Achse gebildet haben. Und das ist vielleicht ein zusätzliches, wichtiges Ergebnis neben diesem Einfluss auf den Euro.
Hanna Kolla, Studentin der Sozialpolitik
Bis der Euro als tatsächliche Währung eingeführt wurde, dauerte es dann aber noch fast ein Vierteljahrhundert: Erst 2002, also 24 Jahre danach, kam er tatsächlich – nach vielen weiteren Treffen und Beschlüssen. Heute bezahlen mehr als 340 Millionen Menschen jeden Tag mit dem Euro.
Im Europapunkt gibt es eine Ausstellung zum Thema.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 2. Juli 2018, 19:30 Uhr