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Worauf Sie achten sollten, wenn Zivilcourage gefragt ist

Gestellte Szene eines Angriffs gegen eine Frau durch einen Mann in einer Straßenbahn. Im Hintergrund stehen Fahrgäste. (Symbolbild)
Wer Situationen wie die hier nachgestellte Szene beobachtet, sollte in jedem Fall die Polizei rufen. Bild: Imago | KS-Images.de

In Bremen hat eine Frau durch beherztes Eingreifen bei einem Raubüberfall Schlimmeres verhindern können. Zwei Bremer Experten erklären, worauf es bei Zivilcourage ankommt.

Anfang April wurde ein Uhrmacher im Viertel brutal überfallen. Ute Kraft-Uhlhorn kam dem Ladeninhaber zur Hilfe und konnte den Räuber mit Zurufen und einem Maßstab aus Holz vertreiben. Im Mai wurde sie dafür von Bremens Innensenator für ihre Zivilcourage geehrt. Doch was passiert, wenn man einmal selbst in eine solche Situation kommt? Wie leistet man Zivilcourage am besten? Darüber haben wir mit zwei Bremer Experten gesprochen.

Wann ist Zivilcourage gefragt?

"Zivilcourage wird einerseits nötig, wenn man wahrnimmt, dass eine Person in der Öffentlichkeit belästigt, bedrängt oder zum Opfer von Gewalt wird", sagt Jürgen Osmers vom Weissen Ring Bremen. Auch in Fällen von häuslicher Gewalt sei Zivilcourage gefragt. "Andererseits hören manchmal auch Nachbarn Geräusche oder Hilfeschreie und melden das dann nicht, vielleicht, weil es unangenehm werden könnte in der Nachbarschaft", sagt er. "Man sollte aber Betroffene ansprechen und falls sich eine Gefahrensituation anbahnt, sofort die Polizei einschalten."

Maike Seifert vom Präventionszentrum der Polizei Bremen weist darauf hin, dass Zivilcourage zu leisten auch gesetzlich geboten ist: "Zivilcourage ist nicht nur gefragt, sie ist auch verpflichtend. Dafür haben wir den Paragraphen zur unterlassenen Hilfeleistung", sagt sie.

Auf was muss ich achten, wenn ich Zivilcourage leiste?

Sowohl Seifert als auch Osmers betonen, dass man sich nicht in Gefahr bringen sollte. In gefährlichen Situationen raten beide, die Polizei einzuschalten. In Situationen, in denen es nicht oder noch nicht zur körperlichen Gewalt gekommen ist, könnten sich Umstehende hingegen direkt einmischen. "In vielen Situationen, wo noch nicht so viel passiert ist, kann man den Täter mit einer Frage ablenken oder das Opfer aus der Situation rausholen", sagt Seifert.

Osmers stimmt dem zu und rät dazu, den Täter zu siezen, um Distanz herzustellen: "Es geht darum, ihn nicht zu provozieren, sondern möglichst zu veranlassen, seine aggressiven Handlungen einzustellen." Wenn man sich in eine solche Situation begibt, sollte man aber andere Personen als Helfer mitnehmen: "Alleine in Konflikte zu gehen ist immer eine riskante Sache", sagt Seifert. "Man kann auch andere mit einbeziehen und zum Beispiel sagen: Sie da in der blauen Jacke, rufen Sie die Polizei", sagt Osmers.

Jürgen Osmers vom Weißen Ring in Bremen lächelt in die Kamera.
Jürgen Osmers vom Weissen Ring Bremen weiß, worauf Bremerinnen und Bremer bei Zivilcourage achten sollten. Bild: Privat

Wie leiste ich am besten Zivilcourage in gewalttätigen Situationen?

Für Osmers ist der Fall von Kraft-Uhlhorn ein wichtiges Beispiel, wie man in einer gefährlichen Situation interveniert, weil sie in der Ladentür erschienen ist, nicht zu weit in die Situation gegangen ist und dem Täter gesagt hat: "Die Polizei ist gerufen, lassen sie den Mann in Ruhe." Als der Täter geflüchtet ist habe sich die Frau vorbildlich in Sicherheit gebracht und sich nicht in den Weg gestellt.

Maike Seifert vom Präventionszentrum findet diesen Akt der Zivilcourage ebenfalls gut, würde die Handlung von Kraft-Uhlhorn aber nicht unbedingt als Vorbild für alle sehen. "Man weiß nicht, wie der Täter reagiert, wenn Adrenalin im Spiel ist und vielleicht ein Messer mitgeführt wird. Die Gefahr, verletzt zu werden, ist zu hoch", sagt sie.

Was kann ich noch tun, um Zivilcourage zu zeigen?

Bei Zivilcourage geht es auch darum, der betroffenen Person im Anschluss zu helfen: "Wenn eine Situation beendet ist, sollte man Betroffenen emotionalen Zuspruch leisten, um ihnen beizustehen und Erste Hilfe leisten, falls eine Person verletzt ist." Auch sollte man sich der Polizei als Zeuge zur Verfügung stellen. "Deswegen sollte man sich Details einprägen anhand derer man jemanden identifizieren könnte", sagt er. Außerdem könne sich jeder schon vor einer brenzligen Situation mit Zivilcourage auseinandersetzen, um richtig zu handeln, falls es nötig wird. "Man kann Zivilcourage erlernen", sagt er.

Maike Seifert von der Polizei Bremen lächelt in die Kamera.
Maike Seifert arbeitet beim Präventionszentrum der Polizei Bremen. Bild: Polizei Bremen

Was sollte ich nicht tun?

Das Präventionszentrum der Polizei rät dazu, sich nicht mit Waffen zur Wehr zu setzen. "Wenn ich mein Pfefferspray ziehe, greift der Andere vielleicht zum Messer. Besser ist es, den Täter durch einen lauten Schrei oder einen Schrillalarm zu vertreiben", sagt Seifert. Ein Schrillalarm ist ein kleines Gerät, welches in der Tasche mitgeführt werden kann und auf Knopfdruck einen lauten, schrillen Ton von sich gibt, der Täter verwirren und Aufmerksamkeit auf die Situation ziehen kann.

Stimmt es, dass immer seltener Hilfe geleistet wird?

"Viele denken immer, dass die Menschen nicht helfen wollen, aber meistens sind die anderen einfach nur überfordert und wissen nicht, wie sie helfen sollen", sagt Seifert. "In meiner Wahrnehmung ist es aber nicht so, dass die Menschen einander nicht helfen wollen." Auch Osmers kennt das Problem mit der unterlassenen Hilfeleistung: "Wenn viele Personen zugegen sind, gibt es den Impuls, sich eher auf andere zu verlassen oder man hilft nicht aus persönlicher Unsicherheit heraus."

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Bild: Radio Bremen

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Autor

  • Lukas Scharfenberger

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. September 2024, 19:30 Uhr