Hintergrund
Von Bismarck bis Hitler: Diese 5 Bremer Kunstwerke sind umstritten
Die Stadt hat vielen Menschen und Ereignissen ein Denkmal gesetzt. Manche davon sind bei Bremerinnen und Bremern jedoch stark umstritten. Das sind die Gründe.
1 Bismarck-Denkmal
Das 1910 eingeweihte "Denkmal für Otto von Bismarck" steht an einer der prominentesten Stellen der Bremer Altstadt. Am Dom vorbei reitet der ehemalige Reichskanzler auf das Bremer Rathaus zu. In der Hand hält er ein wichtiges Dokument.
Zur Einweihung des Denkmals versammelten sich noch Tausende Menschen auf dem Domshof. Heute stößt das bronzene Reiterstandbild hingegen vielfach auf Kritik. Otto von Bismarck (1815–1898) gilt als maßgeblicher Akteur bei der Schaffung des deutschen Nationalstaates. Seine 1871 verabschiedete Verfassung wurde sogar als "Bismarck’sche Reichsverfassung" bezeichnet. Und auch mit den Sozialgesetzen, also der Einführung von Unfall-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Deutschland, ist der Name des "Eisernen Kanzlers" eng verknüpft.
Heute werden jedoch auch ganz andere Aspekte seines Wirkens ins Licht gerückt. So gab es schon 1952, als das im Zweiten Weltkrieg zugemauerte Denkmal wieder freigelegt werden sollte, Widerstände innerhalb der Bremer SPD. Denn Bismarck hatte während seiner Amtszeit mit dem von ihm durchgesetzten "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" Vereine und Schriften der Sozialdemokraten verboten.
Kritisch wird heute auch seine Rolle in der deutschen Kolonialpolitik gesehen. Zunächst als Gegner eines "Erwerbs" deutscher Kolonien auftretend wandelte sich Bismarck zu einem Drahtzieher dieser Politik. Unter seiner Führung eignete sich Deutschland in den 1880er Jahren Kolonien vor allem in Afrika und Ozeanien an.
2 Das Anti-Kolonialdenkmal
Die Folgen deutscher Kolonialpolitik waren für die einheimischen Bevölkerungen der sogenannten Schutzgebiete verheerend. Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. In Deutsch-Südwestafrika, das auf dem Gebiet des heutigen Namibia lag, begingen die deutschen Kolonialherren einen Völkermord an den dort lebenden Herero und Nama.
Der 1931 als Erinnerung an die deutsche Kolonialgeschichte neben der Bürgerweide errichtete Ziegelstein-Elefant wurde daher über Jahrzehnte kritisiert. 1990 wurde das steinerne Monument schließlich zu einem Anti-Kolonialdenkmal umgewidmet.
3 Der Lichtbringer
Nur wenige Jahre nach dem Elefanten-Denkmal entstand über dem Eingang der Böttcherstraße das vergoldete Relief "Der Lichtbringer". Erschaffen wurde es 1936, also nach der Machtergreifung der Nazis, vom Bremer Künstler Bernhard Hoetger.
Angelehnt an den Drachentöter Siegfried und den Erzengel Michael, war es vielen schon damals offensichtlich, wen die über allem schwebende Erlösergestalt verkörpern könnte: Adolf Hitler, den – nach damals verbreiteter Ansicht – "Retter des deutschen Volkes".
Der Kaffee-Unternehmer, Böttcherstraßen-Finanzier und Hitler-Bewunderer Ludwig Roselius soll das Kunstwerk Kritikern zufolge in Auftrag gegeben haben, um den Diktator gnädig zu stimmen und eine Verurteilung der Böttcherstraße als "entartete Kunst" zu verhindern.
4 Ehrendenkmal auf der Altmannshöhe
Ein Jahr vor dem Lichtbringer wurde 1935 in Bremen ein Ehrendenkmal auf der Altmannshöhe errichtet, also auf dem Hügel zwischen Kunsthalle und Weser. Auch dieses Denkmal ist seit Jahrzehnten umstritten.
Der Hintergrund: Ursprünglich wurde die Ringmauer aus Ziegelsteinen als Ort der Trauer für etwa 10.000 im Ersten Weltkrieg gefallene, namentlich genannte Bremer errichtet – finanziert von Spenden Bremer Bürgerinnen und Bürger. Als das Ehrendenkmal eingeweiht wurde, waren jedoch die Nazis an der Macht. Sie deuteten das Werk in ihrem Sinne um.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte diese Vereinnahmung des Ehrendenkmals zu scharfer Kritik. Steine, die an ehemalige NSDAP-Mitglieder erinnerten, wurden aus der Mauer entfernt. Auch um Neonazis von der Altmannhöhe fernzuhalten, ist der Ort seit Jahrzehnten vergittert. Wie es mit dem umstrittenen Denkmal weitergeht, ist offen.
5 Langemarck-Denkmal
Die Erinnerungskultur Bremens, zum Beispiel im Umgang mit Nazipropaganda, zeigt sich auch in der Neustadt. Dort wird derzeit über die Umbenennung der Langemarckstraße gestritten – mit offenem Ausgang.
Für das 1934 von den Nazis errichtete Langemarck-Denkmal, das Jahrzehnte lang an der Hochschule Bremen stand, ist bereits eine Entscheidung gefallen: 1988 kippten Unbekannte das umstrittene Denkmal vom Sockel, wo es zunächst Jahre lang liegen blieb – und 1993 bewusst zum Mahnmal für die Schrecken des Krieges umgedeutet wurde. Erst 2019 wurde es schließlich abgeräumt, restauriert und 2020 in der Nähe des alten Standorts neu aufgestellt.
Dort wurde das Denkmal um eine Tafel ergänzt, die den Mythos Langemarck als das darstellt, was er tatsächlich war: Ein zum Heldenmythos verklärtes Gefecht in der Nähe des belgischen Ortes Langemarck am 10. November 1914, bei dem etwa 2.000 Soldaten fielen, viele von ihnen Studenten, Lehrlinge und Schüler.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 18. August 2024, 19:30 Uhr