Wie italienisches Eis nach Bremen kam

Wie italienisches Eis nach Bremen kam

Bild: Radio Bremen | Heike Kirchner

In Bremen gibt es in fast jedem Stadtteil eine italienische Eisdiele mit langer Tradition, aber die von Marco Ferrari hat die längste Geschichte.

Seit fast 20 Jahren führt Marco Ferrari seine Eisdiele im Steintorviertel in vierter Generation. Die Geschichte seiner Vorfahren ist so bewegend, dass die Bremer Kulturwissenschaftlerin Daniela Dethmann 2004 eine Magisterarbeit darüber geschrieben hat. Es ist auch ein Stück Bremer Historie, in der gleichzeitig die Geschichte Italiens eine wichtige Rolle spielt.

Anfang 1900: Der erste italienische Eismacher kommt nach Bremen

Die Eisdynastie wurde von Giovanni Chiamulera begründet. Er kam nach Bremen im Zuge einer Migrationswelle Anfang 1900 aus Norditalien. Von dort zogen viele verarmte Landarbeiter Richtung Norden und boten ihr Gelato an – italienisches Speiseeis. Viele blieben nah der Heimat. Ein großer Teil ließ sich in Wien nieder, andere in München. Giovanni Chiamulera reiste weiter in den Norden, nach Bremen. Hier war er der einzige italienische Eismacher. Schräg gegenüber vom Rathaus machte er sein Café auf. Direkt am Marktplatz sind noch deutliche Spuren vom ersten Eiscafés Chiamuleras und damit dem ersten Eiscafé Bremens zu finden. In großen Lettern kann man heute noch das Wort "Eis" zu beiden Seiten des Eingangs zur Raths-Konditorei erkennen.

Gegen alle Widerstände

Aber: Bremen Anfang der 20er war ein schwieriges Pflaster für Einwanderer. Bremen war damals nicht weltoffen. Giovanni hatte es schwer. Im Staatsarchiv gibt es eine ganze Akte zum "Fall" Giovanni Chiamulera. Bremer Kaufleute wollten den umtriebigen italienischen Eismacher loswerden. Es gibt zahlreiche Beschwerden und Anzeigen. Mit Beginn des 1. Weltkrieges hatte Chiamulera Bremen verlassen. Italien war ja Kriegsgegner. Nach dem Krieg kehrte er zurück. Die Kaufleute diffamierten ihn als "lästigen Ausländer", was damals ein rechtlicher Begriff war. Der Senat wollte ihn ausweisen, doch Chiamulera wehrte sich. Unermüdlich setzte er ein Schreiben nach dem anderen an den Senat auf. Er gab einfach nicht nach.

Markt 11 u.a. mit Eisladen Chiamulera, 1937
Bild: Staatsarchiv Bremen

Ganz entscheidend war damals seine zweite Frau, die ihm als Deutsche viel helfen konnte, hier in Bremen anzukommen. Maria Reinicke heiratete den verwitweten Chiamulera mit seinen fünf Kindern. Danach kämpft sie mit ihm für ihre neue Familie. Mit Erfolg! Der italienische Generalkonsul schaltet sich ein. Der Fall geht bis zum Auswärtigen Amt. Schließlich darf Chiamulera bleiben. Und damit auch das italienische Eis in Bremen.

Neuanfang nach dem Krieg

Chiamulera Eis-Café am Sielwall mit einem parkenden Militärfahrzeug davor.
Bild: Gerald Sorger | Karl Heinz Suchefort

Chiamulera eröffnet weitere Filialen in der Obernstraße und am Sielwall. Im 2. Weltkrieg zerstört eine Bombe sein Café in der Obernstraße. Aber mit der Ankunft der Amerikaner in Bremen beginnt auch der Wiederaufbau des Eisgeschäftes. Zunächst beliefert Chiamulera sogar die amerikanische Armee. Unter der Leitung seiner drei Söhne eröffnet die Firma Chiamulera weitere Filialen in der Neustadt und in Gröpelingen.

In den fünfziger Jahren entdecken die Deutschen den Süden und Italien für sich und es beginnt eine goldene Zeit für die italienischen Eiscafés. Gut 20 Jahre hält der Trend. Er endet in den 70ern mit dem Aufkommen des industriellen Eises.

Die nächste Generation steht schon in den Startlöchern

Familie Ferrari sitzt ihrem Eis-Café.
Familie Ferrari mit Vater Pietro rechts und Sohn Marco in der Mitte. Bild: Marco Ferrari

1972 wird am Steintor aus Chiamulera das Eiscafé Ferrari. Esther, die Enkelin von Giovanni Chiamulera übernimmt es mit ihrem Mann Pietro Ferrari. Ihr Sohn Marco ist hier groß geworden und führt das Geschäft seit 2006. Es war seine Entscheidung, die Dynastie fortzusetzen und sein Jurastudium dafür aufzugeben. Für ihn ist es auf der einen Seite eine große Verantwortung, die Qualität zu halten und das Eiscafé weiterzuführen, aber auch Neuerungen einzubringen. Aber es erfüllt ihn auch, eine solche lange Tradition von Generation zu Generation fortzuführen. Möglicherweise geht die Familientradition weiter mit Marco Ferraris Sohn Luca, der schon die Handgriffe an der Eistheke kennt und wie sein Vater Eis liebt. Letztlich sei er aber frei in seiner Entscheidung. Um die Nachfrage macht sich Marco Ferrari keine Sorgen. Italienisches Eis ist anders als zu Zeiten seines Ur-Großvaters nicht mehr wegzudenken in Bremen.

Autorinnen und Autoren

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 6. August 2024, 19:30 Uhr