Versprechen Sie den Menschen zu viel, Herr Bovenschulte?
Der Koalitionsvertrag steht und der neue Senat ist im Amt. Aber kann dieser all die Vorhaben überhaupt umsetzen? Darüber spricht Felix Krömer mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte.
Das rot-grün-rote Regierungsbündnis geht in Bremen in die zweite Runde und hat sich im Koalitionsvertrag für die kommenden vier Jahre viel vorgenommen. Die Opposition bezeichnet diesen jedoch als "Wunschzettel" und fragt sich, wie all die Vorhaben bezahlt werden sollen.
Dass letztlich alles auch unter dem Vorbehalt der Entwicklung der Finanzen in den nächsten Jahren steht, bestreitet Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) nicht. Im Interview mit Felix Krömer spricht er über den Paradigmenwechsel in der Verkehrspoltik, seine neuen Befugnisse als Regierungschef und die Zukunft des Klinikums Links der Weser.
1 Was sprach für Özlem Ünsal als neue Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung?
"Wir müssen ein bisschen raus aus der sehr idiologischen Diskussion über Verkehrspolitik Wir wollen die Verkehrswende, aber wir müssen sie in einer Art und Weise organisieren, dass die Menschen mitgenommen werden", sagt Bovenschulte. Als richtige Senatorin für diesen Job hat er Özlem Ünsal ausgemacht. Dass die SPD sich für sie entschieden hat, war dabei eine Überraschung. Schließlich kennt die 49-Jährige sich in Bremen bis dato nicht aus und besitzt auch keinerlei Regierungserfahrung.
Das sind klare Schwachpunkte Ünsals, doch Bovenschulte verweist bei ihr auf ihre bisher gemachten Erfahrungen im Quartierbau und in der Verwaltung sowie auf ihre Rolle als Sprecherin der SPD-Fraktion für Wohnungsbau und Stadtentwicklung im schleswig-holsteinischen Landtag. Zugleich betont er ihre Stärke in der Kommunikation nach außen. Warum die Wahl auf Ünsal fiel und wie der vorab favorisierte Falk Wagner dies aufgenommen hat, berichtet Bovenschulte ab Minute 11:04.
2 Gibt es Mitleid für Maike Schaefer?
Nach dem schwachen Ergebnis der Grünen bei der Wahl im Mai (11,9 Prozent) erklärte Spitzenkandidatin Maike Schaefer, dass sie als Senatorin für die nächste Legislaturperiode nicht zur Verfügung stehen wird. Als Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau war sie am Ende bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr gut gelitten. War Schaefer im vergangenen Senat letztlich vielleicht gar ein Bauernopfer?
"Das sehe ich überhaupt nicht so", widerspricht Bovenschulte. Vielmehr habe er Schaefer häufig unterstützt, wenngleich er ab und an auch mal eine andere Position als sie verteten habe. Letztlich, glaubt er, sei Schaefer zwischen dem innerparteilichen Druck bei den Grünen und dem Ärger der Bevölkerung über ihre Politik aufgerieben worden. Welche Fehler Schaefer gemacht hat und wie das Verhältnis zwischen ihr und Bovenschulte nun nach der Wahl ist, wird ab Minute 17:52 thematisiert.
3 Wird Bovenschulte jetzt ein "Basta"-Bürgermeister?
Die Besonderheit in Bremen ist, dass der Bürgermeister im Gegensatz zu allen anderen 15 Ministerpräsidenten über keine Richtlinienkompetenz verfügt. Im neuen Koalitionsvertrag hat Bovenschulte jedoch nun verankern können, dass er bei Stretigkeiten zwischen zwei Ressorts die Zuständigkeit einem von beiden zuteilen kann. Hat Bovenschulte also seine eigene Machtposition gestärkt?
"Bevor man eine lange Debatte hat, wer zuständig ist, kann die Senatskanzlei eine Zuweisung machen. Dies hat aber nichts mit inhaltlicher Entscheidunsgbefugnis zu tun", erwidert Bovenschule. Aus seiner Sicht handelt es sich weder um eine Richtlinienkompetenz noch um einen ersten Schritt zu einer solchen. Wie er zukünftig führen möchte und weshalb er den Innenstadtbeauftragten Carl Zillich näher an die Senatskanzlei bindet, erklärt Bovenschulte ab Minute 26:40.
4 Wie geht es weiter mit dem Klinikum Links der Weser?
Am Freitag hat der Aufsichtsrat des Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno) beschlossen, dass der das Klinikum Links der Weser schließen soll. Benötigt wird hierfür jedoch auch noch ein Senatsbeschluss. Als Ziel gibt Bovenschulte aus, im Land Bremen für eine gute medizinische Versorgung zu sorgen, dabei die finanzielle Tragfähigkeit zu gewährleisten und die Geno zu erhalten.
"Derzeit befinden wir uns in einer ganz schwierigen Situation", räumt Bovenschulte allerdings ein. Das Problem sei, dass bei der Geno aktuell ein jährliches Millionendefizit ausgeglichen werden müsse. Die derzeit seitens der Geno vorgehaltenen 2.000 Betten würden jedoch nicht benötigt, denn die Auslastung sei deutlich geringer. Wieviele Betten abgebaut werden sollen und warum am derzeitigen Standort des Klinikum Links der Weser zukünftig womöglich nur noch eine Grundversorgung vorgehalten wird, verrät Bovenschulte ab Minute 38:25.
5 Sind viele Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag gar nicht finanzierbar?
Die Parteien der Opptosition haben mit Kritik auf den von der SPD, den Grünen und den Linken ausgehandelten Koalitionsvertrag reagiert. So spricht der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Imhoff von "einem Wunschzettel" und "einem bunten Blumenstrauß, der ganz schnell verwelken wird". "Bis auf neue Schulden fällt dem Senat nichts ein", kritisiert Thore Schäck, Fraktionsvoristzender der FDP, und Piet Leidreiter spricht als stellvertrender Fraktionsvorsitzender von Bündnis Deutschland vom "neuen Wein in alten Schläuchen".
Mit Blick auf die Umsetzung der Vorhaben der Koaliton verweist Bovenschulte darauf, dass die Entwicklung der Finanzen für die kommenden vier Jahre nicht zu prognostizieren sei. Möglicherweise müsse deshalb priorisiert werden. Weshalb vieles unter Vorbehalt steht und er der CDU hinsichtlich der Zukunft des Bremer Stahlwerks Opportunismus vorwirft, erläutert Bovenschulte ab Minute 44:35.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. Juli 2023, 19:30 Uhr