Interview

Autofreie Innenstadt: Bremer Verkehrssenatorin erklärt Kurswechsel

Ünsal im Studio-Gespräch: Das ist die neue Senatorin

Bild: dpa | Sina Schuldt

Özlem Ünsal ist Bremens neue Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung. Beim Thema autofreie Innenstadt will sie eine Balance schaffen und intensiv kommunizieren.

Özlem Ünsal ist Bremens neue Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung. Obwohl die SPD-Politikerin in Bremen zuvor weitgehend unbekannt war, erzielte sie bei ihrer Wahl in der Bürgerschaft 46 Stimmen – und damit genau so viele wie Ulrich Mäurer (SPD) oder Kristina Vogt (Linke). Was sie vor hat, erklärt die 49-Jährige im buten-un-binnen-Interview.

Frau Ünsal, Ihre Nominierung galt für viele als überraschend. Wie überrascht waren Sie selbst, als die Anfrage aus Bremen kam?

Ich glaube, ich war genauso überrascht, wie die Öffentlichkeit. Es ist noch immer eine sehr frische Anfrage, bei der ich dann auch kurzfristig entschieden habe – und heute stehe ich hier, bin vereidigt und mir ist das Vertrauen ausgesprochen worden. Ich freue mich sehr auf die Aufgaben.

Was hat den Ausschlag dafür gegeben, dass Sie sich dazu entschieden haben, aus Kiel nach Bremen zu gehen?

Vor allem die Themen. Natürlich ist meine Neugierde auf Bremen und Bremerhaven groß. Aber Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung beschäftigen mich schon seit zehn Jahren in unterschiedlichsten Funktionen, zuletzt als Sprecherin der SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag für genau diese Themen. Und das zieht sich jetzt wie ein roter Faden in Bremen und Bremerhaven weiter – darauf freue ich mich.

Der baupolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Falk Wagner, galt lange als Favorit auf Ihren Senatorenposten – wie gehen Sie damit um?

Ich habe mich natürlich mit Falk Wagner ausgetauscht. Und ich glaube, dass hier zwei starke Persönlichkeiten aufeinandertreffen, die für das Thema brennen. Wir werden eine gute Zusammenarbeit pflegen und uns für diese Stadt, für Bremen und Bremerhaven, unterhaken und diese Themen gemeinsam bewegen.

Im Koalitionsvertrag steht unter anderem eine ganz konkrete Zahl: 10.000 neue Wohnungen. Ist das realistisch?

Es ist realistisch – und es ist eine Zahl mit der man gut arbeiten kann. Ich war zwar noch nicht involviert bei den Verhandlungen. Aber ich kann gut mit dieser Zahl arbeiten.

Wir sind von Faktoren abhängig, die wir nicht unmittelbar beeinflussen können.

Özlem Ünsal, Bremens neue Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung

In der Baubranche herrscht allerdings einige Zurückhaltung...

Das ist natürlich berechtigt. Wir sind von Faktoren abhängig, die wir nicht unmittelbar beeinflussen können – Baupreise, Zinsen et cetera. Das müssen wir alles einkalkulieren. Man muss aber auch eine Zielmarke formulieren. Und dann werden wir mit den Beteiligten auf einen gemeinsamen Nenner kommen müssen.

Ein anderes großes Thema in Bremen war der Verkehr. Im Wahlkampf ging es auch um Fahrrad oder Auto. Worauf setzen Sie?

Die autofreie Innenstadt ist ein hehres Ziel. Aber allein hat eine autofreie Innenstadt keinen Mehrwert. Man muss sehr genau schauen, wie man eine Balance schafft. Die Innenstadt ist ein öffentlicher Raum, wo es viele unterschiedliche Lösungen braucht, wo viele unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen. Das muss man berücksichtigen – und das will ich gern tun. Mit einer aktiven Kommunikation, für die ich stehe. Das wird hier ganz elementar sein.

Das klingt pragmatisch. Werden also auch in den kommenden Jahren Autos durch die Bremer Innenstadt fahren?

Ich glaube, man braucht eine gute Balance. Der Mix wird es am Ende machen. Und dafür will ich mich gerne einsetzen. Es braucht Lösungen für ganz viele, und das heißt eben auch, die andere Seite mitzudenken und die Spielräume gemeinsam auszuloten.

Themen gibt es in Ihrem Ressort viele. Was steht denn ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste?

Es ist kein Geheimnis, wenn man meine politische Arbeit verfolgt, dass der soziale Wohnungsbau, das bezahlbare Wohnen, mich sehr umtreiben. Das wird sicherlich ein großer Schwerpunkt meiner Arbeit sein. Da haben wir gute Voraussetzungen mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften in Bremen und Bremerhaven. Da hat der Koalitionsvertrag auch Ziele formuliert. Mindestens genauso intensiv will ich auch die Fragen um die Innenstadt bewegen und eine Trendwende herbeiführen, die eben auch den ganzheitlichen Blick hat.

Das Interview führte János Kereszti. Aufgezeichnet hat es Robert Otto-Moog.

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Autor

  • Moderator Janos Kereszti
    János Kereszti Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Juli 2023, 19:30 Uhr