AfD im Umfragehoch: Folgt Bremen dem bundesweiten Trend?
Bundesweit liegt die AfD derzeit gleichauf mit der SPD – Grüne und Linke sind abgeschlagen. Was dies für Bremer AfD-Wähler und die der BiW bedeutet, erklären wir hier.
18 Prozent der Deutschen würden derzeit die AfD wählen. Damit liegt die Partei einer Erhebung von Infratest dimap zufolge im bundesweiten Schnitt auf Augenhöhe mit der SPD, vor den Grünen (15 Prozent), der FDP (7 Prozent) und der Linken (4 Prozent). Nur die Union steht mit 29 Prozent besser da.
Doch lässt sich der Bundestrend auf Bremen übertragen – und ist er nachhaltig? Zumindest bei letzterem Punkt sind sich Politikwissenschaftler weitgehend einig. "Grundsätzlich haben wir ja mal vor einigen Jahren geglaubt, dass die AfD keine nachhaltige Option darstellt. Das kann man beiseite legen", sagt Andreas Klee vom Zentrum für Arbeit und Politik der Universität Bremen.
Die AfD hat sich fest etabliert.
Andreas Klee, Politikwissenschaftler am Zentrum für Arbeit und Politik (ZAP)
Allerdings zeigen die Erhebungen mehrerer Forschungsinstitute auch, dass die Partei vor allem in ostdeutschen Bundesländern mit einer zuwanderungskritischen Haltung punktet. In Thüringen (28 bis 30 Prozent), Sachsen (26 bis 34 Prozent), Sachsen-Anhalt (mindestens 26 Prozent) und Brandenburg (23 bis 26 Prozent) ist die AfD bei Wählern besonders beliebt.
Stabiles AfD-Wählerpotenzial in Bremen
In Westdeutschland liegen die Zahlen hingegen niedriger. "Die norddeutschen Wählerinnen und Wähler sind da sogar noch etwas zurückhaltender", sagt der Bremer Politologe Lothar Probst. Er rechnet in Bremen, Stand jetzt, bei der Europawahl 2024 und der Bundestagswahl 2025 mit einem "stabilen Wählerpotenzial" von acht bis neun Prozent für die AfD.
Der Politikwissenschaftler Klee hält bei den Bundestagswahlen ein Bremer Ergebnis von fünf bis zehn Prozent für realistisch. Bei der Europawahl hingegen spiele der Aspekt der Protestwahl eine geringere Rolle, hier werde meist gemäßigter gewählt, sagt er.
Wahlerfolg hängt vom Protestpotenzial ab
Derzeit werde der Höhenflug der Partei stark von der Unzufriedenheit vieler Wähler mit der aktuellen Regierungskoalition getragen, sagt Klee. Der Streit um das Energiegesetz stehe dafür beispielhaft.
"Man könnte sagen, die Nachhaltigkeit der hohen Umfragewerte der AfD hängt vor allem damit zusammen, wie nachhaltig die Unzufriedenheit der Wähler mit der Bundesregierung ist." So lange es so bleibe wie jetzt, werde die AfD auf einem zweistelligen Niveau verharren.
Bürger in Wut wohl keine bundesweite Konkurrenz
Dass das starke Ergebnis der Bremer Wählergemeinschaft Bürger in Wut (BiW) von 9,4 Prozent bei den jüngsten Bürgerschaftswahlen sich auf das bundesweite Wählerpotenzial der AfD auswirken könnte, ist den Experten zufolge unwahrscheinlich.
Zwar bedient die rechtskonservative Partei mit ihren Themen eine ähnliche Wählerschaft wie die AfD – auf Bundesebene gaben zwei Drittel aller Befragten an, die AfD wegen ihrer Zuwanderungs- und Migrationspolitik zu wählen, in Bremen schätzten ebenso viele BiW-Wähler dieses Thema als entscheidend ein. Dennoch war der Erfolg der BiW auf Landesebene auch eine Konsequenz des Ausschlusses der AfD von den Bremer Bürgerschaftswahlen. Rund 7.000 ehemalige AfD-Wähler gaben diesmal den Bürgern in Wut ihre Stimmen.
"Timke-Effekt" für Bündnis Deutschland unbedeutend
Ob die nun verkündete Verschmelzung der Bürger in Wut um den neuen Fraktionsvorsitzenden Jan Timke mit dem in mehreren anderen Bundesländern aktiven Bündnis Deutschland zu einer bundesweiten rechten Konkurrenz zur AfD werden könnte, ist allerdings offen.
"Ein weiteres rechtes Lager könnte dem Wahlerfolg der AfD zwar Grenzen setzen", sagt Politologe Probst. Ein Großteil der Wähler werde sich bei den nächsten nationalen Wahlen aber wieder von der BiW ab und der AfD zuwenden.
"Der Timke-Effekt wird bei den Bundestagswahlen nicht mehr greifen", sagt auch Politikwissenschaftler Klee, und spielt damit auf das hohe Stimmenergebnis des BiW-Gründers Jan Timke in Bremerhaven an, der bei den Bremen-Wahlen allein gut 14.000 der insgesamt rund 26.000 Stimmen für seine Partei holte.
Regierungsbeteiligung auf Landesebene?
Selbst bei einem hohen Stimmenanteil für die AfD wäre eine Koalitionsbeteiligung der Partei derzeit dennoch undenkbar, sagt Klee. "Dem müsste zuerst eine Zusammenarbeit auf Landesebene vorausgehen", sagt er. Das habe die AfD in der Vergangenheit aber zu keinem Zeitpunkt hingekriegt.
Gleichwohl verweist Klee auch auf die Anfänge der Grünen und der Linkspartei. Er erinnere sich noch gut, als 1985 der Grüne Joschka Fischer in Turnschuhen als hessischer Umweltminister vereidigt worden sei. "Für meine Eltern ist damals eine Welt zusammengebrochen."
Vielen Wählern sind Personalquerelen egal
Anders als die bereits bundesweit agierende AfD ziele das Bündnis Deutschland, mit dem die Bürger in Wut verschmelzen wollen, Klee zufolge bislang vor allem auf eben diese Landesparlamente ab. Mit ihren zehn Sitzen in der Bürgerschaft könne die Partei nun zeigen, dass sie in der Lage sei, "rechts von der CDU zu agieren, ohne das braune Schmuddelkind-Image der AfD zuzulassen".
Gelungen ist das bisher aber auch der AfD-Konkurrentin nicht. So trennten sich die Bürger in Wut kurz nach der Wahl vom frisch gewählten Abgeordneten Sven Lichtenfeld. Der Grund: Dieser habe sich im Wahlkampf von Rechtsextremen Unterstützung geholt.
Sollte Lichtenfeld sein Mandat wie angekündigt nicht zurückgeben, sondern wahrnehmen, hätte die BiW-Fraktion nur noch neun Mitglieder. Zumindest Protestwählern scheinen solche Personalien egal zu sein, sei es bei den BiW oder der der AfD.
Man sieht es einfach bei vielen Wahlen, dass die AfD trotz fragmentierter Fraktionen, Austritten oder Verurteilungen ein stabiles Wählerpotenzial hat.
Lothar Probst, Politologe und emeritierter Professor der Uni Bremen
Es gibt viele Leute, die wollen, dass so eine Partei in Parlamenten vertreten ist, nicht nur in Bremen, sondern im gesamten Bundesgebiet, sagt Politologe Probst.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 6. Juni 2023, 8:40 Uhr