Interview

Legendäres Antarktis-Wrack gefunden: "Wir sind unfassbar glücklich"

Bremerhavener Forscher finden "Endurance"-Wrack in der Antarktis

Bild: Falklands Maritime Heritage Trust and Nick Birtwistle

Nach über 100 Jahren hat eine Antarktis-Expedition das legendäre Wrack der verschollenen "Endurance" entdeckt. Eine Bremerhavenerin war dabei.

Der britische Polarforscher Sir Ernest Shackleton hatte vor über 100 Jahren sehr ehrgeizige Pläne: Als Erster wollte er 1914 die Antarktis auf einer Länge von 2.900 Kilometern durchqueren. Shackleton und seine 27-köpfige Mannschaft aber scheiterten. Ihr Segelschiff "Endurance" blieb im Packeis des Weddell-Meeres stecken. Der Entdecker und seine Crew konnten sich nach Monaten über das Eis ans Festland retten – das Schiff aber mussten sie aufgeben, es wurde von den Eismassen begraben und galt seitdem als verschollen. Bis heute. Denn nun hat eine internationale Expedition mit Beteiligung des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) das legendäre Wrack wiedergefunden.

Eine Frau in der Arktis
Stefanie Arndt ist Meereis-Physikern am AWI in Bremerhaven und Teilnehmerin der "Endurance22"-Expedition. Bild: AWI

In mehr als 3.000 Metern Tiefe liegt sie, die "Endurance", in leichter Schräglage auf dem Meeresboden. Der Name ist deutlich zu lesen, auch sonst scheint der Rumpf des Schiffes über 100 Jahre nach dem Untergang weitgehend intakt. An Bord des Wracks zeugen allerdings abgeknickte Masten und zerstörte Planken von der Katastrophe. Dazu beigetragen das verschollene Schiff zu finden, hat Stefanie Arndt. Sie ist Meereisforscherin am Bremerhavener AWI. Als Meereis-Physikerin ist es ihr Job, Schnee und Eisdicke zu untersuchen. So half sie der Expedition, den richtigen Weg zu finden und forschte gleichzeitig zum Klimawandel. Anfang Februar hatte sich Arndt mit dem internationalen Team auf den Weg in die Antarktis gemacht, um das Wrack mit aufzuspüren. Unterwegs auf einem südafrikanischen Eisbrecher mit Tauchroboter und Satellitennavigation.

Frau Arndt, wie ist die Stimmung nach dem Wrack-Fund an Bord?

Jetzt, wo die "Endurance" gefunden ist, schaut man hier an Bord vor allem in sehr, sehr glückliche, aber gleichzeitig auch müde Gesichter. Vor allem das Subsea-Team hat die letzten Wochen unfassbar hart und 24 Stunden rund um die Uhr daran gearbeitet, das Wrack zu finden. Auch da sieht man jetzt natürlich die Erleichterung, dass sie es geschafft haben. Die Freude ist nach wie vor ungebrochen.

Als wir selbst die Bilder gesehen haben, hat man Gänsehaut bekommen. Man sieht allen wirklich diese gute Nachricht an. Man muss aber auch dazu sagen, dass über die gesamte Zeit eigentlich die Stimmung an Bord sehr, sehr gut war, obwohl natürlich die Anspannung ohne Zweifel da war.

Welche besonderen Herausforderungen gab es?

Als wir losfuhren, gingen wir eigentlich davon aus, die größte Herausforderung sei das Meereis. Denn der Bereich, in dem die "Endurance" das letzte Mal gesehen wurde, ist ein Bereich mit sehr dichter und kompakter Meereiskonzentration im Normalfall. Wir haben aber davon profitiert, dass wir in einer sehr niedrigen Meereisausdehnung im antarktischen Sommer waren. Damit waren die Eisbedingungen für uns sehr zuträglich.

Die größte Herausforderung wurde dann das Schiff an sich zu finden. Die letzte Fundstelle ist mit sehr vielen Fehlern behaftet, weil man natürlich nicht weiß, wie genau waren die Messungen damals, was passierte in den Tagen zwischen der letzten Sichtung und nachdem das Schiff gesunken ist. Dazwischen fehlen einige Tage die genauen Koordinaten. Das war das, was es am Ende zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen gemacht hat.

Wie war die technische Vorgehensweise bei der Suche?

Um das Wrack zu finden, wurde um die letzte Sichtung des Schiffes ringsherum eine Suchbox aufgebaut. Die basiert darauf, dass man annimmt, dass die Bestimmung der genauen geografischen Position damals mit gewissen Unsicherheiten behaftet war. Aber auch Faktoren wie die Meereisdrift gingen da mit ein. Diese Suchbox wurde wiederum in viele kleine Unterboxen untergliedert, die man dann nach und nach abgefahren ist.

Dabei hat das gesamte wissenschaftliche Team unterstützt, um die genaue Drift-Vorhersage des Meereises zu machen. Wenn das Unterwasserteam entschieden hat, sie möchten gerne in dieser oder jener kleinen Box operieren, kam vom Wissenschaftsteam die Unterstützung, wo unser Schiff positioniert werden muss.

Wurde nach der Entdeckung der "Endurance" ordentlich gefeiert?

Die Freude, nachdem das Wrack gefunden wurde, war natürlich ungebrochen groß. Aber es galt dann erstmal noch das ganze Material zu sichern. Das heißt, es wurden hochaufgelöste Scans vom Schiff gemacht, sodass wir jetzt ein 3D-Modell des Wracks da unten in über 3.000 Metern Tiefe erstellen können. Es wurden atemberaubende Bilder aufgenommen.

Nachdem all das im Kasten war, haben wir die Möglichkeit genutzt, dass endlich auch das Subsea-Team und das gesamte Team hier an Bord mal aufs Eis kommen konnte. Zum Füße vertreten, den Moment genießen und sich einfach mal hinsetzen.

Wir haben ein kleines Eiscamp aufgebaut, wo wir auf dem Eis gegessen haben, es wurde auch Fußball gespielt. Zur Krönung kam auch noch eine Gruppe Pinguine vorbei. Das war ein Moment, der gezeigt hat: Die Anspannung ist abgefallen. Wir sind einfach alle unfassbar überglücklich, dass wir diese Mission erfolgreich beenden konnten. Das hat man in den Gesichtern an diesem Tag auf dem Eis durchaus gesehen.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir befinden uns jetzt wieder im dunkelblauen Ozean auf dem Weg nach Norden. Und wir sind unfassbar glücklich, dass wir nicht nur nach Norden fahren, sondern wir werden morgen in den Vormittagsstunden South Georgia erreichen, wo wir dann die Möglichkeit haben werden, auf die Insel zu gehen und vor allem auch die Grabstelle von Shackleton zu besuchen. Und das ist eine ganz besondere Abrundung dieser Expedition, dieser wirklich geglückten Mission. Und da freuen wir uns alle sehr drauf.

Und dann geht es weiter nach Kapstadt. Und das Bildmaterial, das jetzt gewonnen wurde, ich glaube das ist einfach das Bildmaterial für viele Generationen, für die Zukunft, um es noch genauer zu analysieren, was sieht man genau, was wurde zerstört, was kann man vielleicht noch entdecken, was man bisher noch nicht wusste. Und ich glaube, da freuen sich zuhause unfassbar viele Menschen auf das Material, um da noch genauere Blicke reinzuschmeißen.

Autorinnen und Autoren

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 9. März 2022, 15:40 Uhr

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