Interview
Mäurer zu Abschiebung aus Bremer Kirchenasyl: "Keine Alternative"
Dass die Polizei versuchte, einen Somalier aus dem Kirchenasyl abzuschieben, ruft viel Kritik hervor. Bremens Innensenator sieht sich aber an europäisches Recht gebunden.
Rund 100 Menschen haben in der Nacht zum Dienstag die Abschiebung eines Somaliers aus dem Kirchenasyl verhindert. Dem 25-jährigen Somalier war im Gemeindezentrum Zion Kirchenasyl gewährt worden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat entschieden, dass er nach Finnland abgeschoben werden soll, weil er dort erstmals in die Europäische Union eingereist war.
Laut seines Anwalts war er an der finnisch-russischen Grenze mehrfach gewaltsam am Übertritt gehindert worden. Deswegen wollte der Somalier nicht dorthin zurück. Die Gemeinde hatte ihm deshalb Kirchenasyl gewährt.
Im Interview mit buten un binnen verteidigt der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) das Vorgehen seiner Behörde und der Polizei gegen Kritik. Die kommt auch von den Koalitionspartnern, den Grünen und der Linken.
Herr Mäurer, die Koalitionspartner und der Pastor der Gemeinde sprechen von Tabubruch. Wie beurteilen Sie das Vorgehen der Behörden?
In meinen 16 Amtsjahren ist es das erste Mal gewesen, dass wir jemanden aus dem Kirchenasyl abschieben wollten. Ich habe die Vertreter der Kirchen in den letzten Monaten auf diese Entwicklung hingewiesen. Das Problem ist, dass wir in früheren Jahren etwa zehn Fälle von Kirchenasyl im Jahr hatten. Das war händelbar. Jetzt sind wir bei weit über 100. Das ist ein bundesweites Problem, die Zahlen gehen überall durch die Decke.
Bei dieser Entwicklung ist völlig klar, dass das BAMF in dem ein oder anderen Fall zu einem negativen Ergebnis kommen wird. Und genau das ist hier eingetreten. Das war absehbar.
Hinzu kommt, dass es eine Vereinbarung gab, dass, wenn das BAMF negativ über das Bleiberecht entscheidet, dass die Personen dann aus dem Kirchenasyl entlassen werden. Das gilt jetzt auch nicht mehr. Deshalb haben wir das Thema jetzt in der Innenministerkonferenz, weil das ist ein bundesweites Problem.
Werfen Sie der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) Wortbruch vor, wenn Sie sagen, da wird sich nicht an Vereinbarungen gehalten?
Ich muss da sehr differenzieren. Ich glaube, die Leitung der BEK hat ein sehr vernünftiges Verhältnis zu diesem Thema. Ich sehe aber auch, dass sich einige Gemeinden nicht daranhalten. Und es gibt auch sehr viele Fälle, in denen Bremer Gemeinden Fälle aus den Nachbarländern übernehmen. Und mit 100 Kirchenasylverfahren sind wir sehr wahrscheinlich ganz oben in der bundesweiten Statistik. Dieser Konflikt ist vorprogrammiert.
Ich gehe davon aus, dass das BAMF nächste Woche den Antrag stellen wird, jemanden nach Spanien zurückzuführen. Wir haben hier also ein dauerhaftes Problem.
Werden Sie also weiter versuchen, Menschen aus Kirchenasyl abzuschieben?
Das ist die klare Rechtslage. Wir sind vom Bundesamt aufgefordert worden, diese Personen zurückzuführen. Wir führen ja nicht irgendwo nach Afrika zurück, sondern es geht ja nur um europäische Länder. In diesem Fall sollte es nach Finnland gehen, nächste Woche nach Spanien. Das ist die geltende europäische Rechtslage.
Insofern haben wir überhaupt keinen Entscheidungsspielraum, es sei denn wir sagen: 'Bundesrecht interessiert uns nicht mehr'.
Ulrich Mäurer, Bremer Innensenator (SPD)
Wenn das BAMF also wieder eine Abschiebung beantragt, wird Bremen das dann wieder versuchen umsetzen?
Ja, wir haben keine Alternative dazu.
Das Gespräch führte Sebastian Manz für buten un binnen TV. Aufgeschrieben und redigiert hat es Milan Jaeger.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 3. Dezember 2024, 19:30 Uhr