Warum eine Künstlerin Bremerhavener Pflanzen "Kirchenasyl" bietet

Eine Frau steht neben einer Fensterbank mit Pflanzen und hält eine Girlande.
Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

In Bremerhaven gibt es diese Ferien ein besonderes Blumengießen: In der Großen Kirche finden Zimmerpflanzen Unterschlupf. Eine Kunstaktion, die nachdenklich machen soll.

Es sind Ferien, der Urlaub steht vor der Tür, endlich! Und, an alles gedacht? Pass verlängert, Badehose eingepackt, Urlaubslektüre dabei. Aber: Wer gießt eigentlich die Blumen? Warum nicht mal die Pflanzen in der Kirche abgeben? Die Große Kirche in Bremerhaven bietet Zimmerpflanzen diesen Sommer Ferien-Asyl. Sie werden dort gepflegt und gegossen – und sind gleichzeitig Teil eines Kunstprojekts.

Eine junge Frau steht vor einem Fenster mit Pflanzen auf der Fensterbank.
Künstlerin und Stipendiatin Sophia Bizer in der Großen Kirche. Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Draußen brennt die Sonne, ein Straßenmusiker spielt, vor der Eisdiele neben der Kirche ist kein Platz mehr frei. Sobald man durch das große Kirchenportal tritt, ist es drinnen angenehm kühl. Sophia Bizer, freischaffende Künstlerin, hat gerade noch ein paar Blumentöpfe auf den Fensterbänken am Eingang des Kirchenschiffs arrangiert. Als sie mit ihrem Projekt begann, habe sie eine viel dunklere Kirche erwartet, erzählt sie.

Dieses zarte Violett, auch viel Blau, vorne am Altar an den bunten Kirchenfenstern – und echt viel Grün. Auch die Kissen auf den Stühlen, überhaupt, dass das diese Naturstühle sind. Diese grünlichen Wände, das Gold, ich finde, diese Kirche hat etwas von einem Gewächshaus.

Sophia Bizer, Künstlerin und Kirchen-Stipendiatin

Wohnzimmeratmosphäre in der Kirche

Gerade vorhin hat eine Dame einige Pflanzen vorbeigebracht. Noch ist der Bestand recht übersichtlich. Aber die Aktion läuft ja noch eine Weile. Es wäre schön, wenn es um die 50 Töpfe würden, wünscht sich Sophia Bizer. Sie arbeitet derzeit mit einem Kunststipendium der Bremischen Evangelischen Kirche in der Großen Kirche. Mit den Pflanzen will sie dort eine Rauminstallation schaffen – eine Art Wohnzimmeratmosphäre in der Kirche.

Auf Fensterbänken in einem Kirchen-Innenraum stehen Pflanzen.
Das Schiff der Große Kirche bekommt reichlich Tageslicht. Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Sie hat angefangen, die Fensterbänke der hohen Kirchenfenster zu begrünen. Eine wird bereits von einem Papyrus und Grünlilien belebt. Rankende Pflanzen schlängeln sich über einem Spruchband aus dünnen Holzbuchstaben. Es schreibt die Frage "Gekommen, um zu bleiben?" an die Wand. Gegenüber hängt das Wort "Invitation" – Einladung – unter einigen Töpfen.

Es geht um das Projekt "Invitation to stay", über den Gebrauch von Räumen. Die Pflanzenaktion an sich heißt "Gekommen, um zu bleiben?" Es geht um Räume und wie sie gestaltet sein müssen, damit sie einladend sind, damit Menschen bleiben wollen.

Sophia Bizer, Künstlerin und Kirchen-Stipendiatin

Installation verweist auf Konzept von Kirchenasyl

Ein angedeutetes Zuhause in einer Kirche: Nicht zufällig verweist die Installation auf das Konzept des Kirchenasyls. Wann ist man ein Gast – und wann nicht mehr fremd?

Die Idee ist einen anderen Zugang zu schaffen zu der Idee von Kirchenasyl, überhaupt von Asyl und Migration. Das positiv zu konnotieren, für Menschen, die da vielleicht einen negativeren Blick darauf haben. Zu sagen, es ist doch schön Menschen einzuladen – und auch einzuladen zu bleiben.

Sophia Bizer, Künstlerin und Kirchen-Stipendiatin
In zwei Pflanzen stecken Fähnchen mit der Aufschrift "Große Kirche Bremerhaven".
Die Künstlerin freut sich auf weitere Pflanzen für die Kirche. Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Auf einem der Stühle im Kirchenschiff sitzt Nicole Trabben. Sie ist mit ihrer Familie hier. Draußen sind ihr kleine Blumentöpfchen vor einem Plakat aufgefallen, sagt sie. Die auf den Fensterbänken in der Kirche zunächst nicht. Dann aber doch: "Ganz klasse, schön und es verbindet auch die Leute wieder mehr zur Kirche", so die Besucherin. "Das finde ich ganz toll." Die Aktion mit den Pflanzen ist erst der Anfang. Sophia Bizer wünscht sich, dass sie Menschen Lust macht, zu bleiben – und sei es nur für eine Weile.

Es sind auch viele Touristinnen hier, weil es die Fußgängerzone ist. Viele kommen nur kurz in die Kirche, setzen sich hin, zünden eine Kerze an. Aber: sich Zeit zu nehmen, zu verweilen, unter die Pflanzen zu setzen und einfach mal die Gedanken schweifen zu lassen.

Sophia Bizer, Künstlerin und Kirchen-Stipendiatin

Bis zum Ende des Jahres sind weitere Aktionen geplant, zum Beispiel Workshops und Interviews. Anfang des nächsten Jahres will Sophia Bizer ihre Ergebnisse dann in einer Ausstellung präsentieren.

Wer Teil des Kunstprojekts in der Großen Kirche in Bremerhaven werden will, hat dazu Gelegenheit: Am 30. Juni zwischen 12 und 14 Uhr sowie 16 und 18 Uhr nimmt Sophia Bizer noch Pflanzen entgegen. Abgeholt werden müssen sie bis zum 10. August.

Vom Nutzgarten bis zum Kunstwerk: Bremer öffnen ihre Gärten

Bild: Radio Bremen

Mehr zum Thema Pflanzen:

  • So bedrohen invasive Pflanzen die regionale Artenvielfalt

    Invasive Pflanzen bedrohen die Artenvielfalt. Wir sind mit zwei Naturkundlerinnen links der Weser unterwegs, um den Kampf gegen Bärenklau und Co zu erleben.

Autorin

  • Catharina Spethmann
    Catharina Spethmann

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Tag, 27. Juni 2024, 13:10 Uhr