Interview

Erste Bremer Schafferin: "Wir haben Jahrhunderte aufzuholen"

Jens Lütjen, Janina Marahrens-Hashagen und Christoph Klosterkemper stehen als Schaffer im Rathaus.
Janina Marahrens-Hashagen inmitten ihrer männlichen Schaffer-Kollegen. Bild: dpa | Sina Schuldt

Im vergangenen Jahr gab es nach langer Kritik zum ersten Mal eine weibliche Schafferin: Janina Marahrens-Hashagen. Das war der richtige Weg zur Gleichberechtigung, sagt sie heute.

Nach über 400 Jahren durfte Janina Marahrens-Hashagen als erste weibliche Schafferin das Schaffermahl mit ausrichten. Damit endete die jahrelange Tradition, dass diese Ehre nur Männer inne hatten. Als Kapitänin nahm bereits 2004 eine Frau teil. Doch der Frauenanteil blieb sehr bewusst begrenzt. Bis jetzt. Unternehmerin Marahrens-Hashagen setzt sich dafür ein, dass weitere Frauen teilnehmen. Dabei geht sie nach Qualifikation statt Quote und hat dieses Jahr einen weiblichen Gast dabei.

Frau Marahrens-Hashagen, Sie waren die erste weibliche Schafferin beim traditionellen Bremer Brudermahl. Wie war das für Sie?

Ich war völlig überrascht, dass an mich herangetragen wurde, dass ich Schafferin sein könnte. Ich habe mich sehr darüber gefreut, weil ich es als sehr große Ehre empfinde. Denn ich bin Kauffrau und – ehrlich gesagt – wir Frauen gehören auch dazu. Dass ich Schafferin war, zeigt auch, dass die Gesellschaft sich verändert und sich Frauen immer mehr ihren Platz nehmen.

Porträt von Janina Marahrens-Hashagen
Erste weibliche Schafferin beim traditionellen Bremer Brudermahl: Janina Marahrens-Hashagen. Bild: Radio Bremen | Marike Deitschun

Und im Prinzip freuen sich die Männer über weibliche Gäste. Es wäre gelogen, wenn man sagt, die Männer wollen uns nicht – sie sehen uns positiv. Ich glaube, das tut der ganzen Veranstaltung sehr gut.

Es heißt "das älteste Brudermahl", das kann man vielleicht langfristig umbenennen, aber der Begriff ist in der Gesellschaft und wir können den auch beibehalten.

Und ist "Schafferin" eine Aufgabe für eine Frau? Was mussten Sie tun?

Das ist eine Riesen-Aufgabe. Dazu gehören ein Jahr Vorbereitung. Man muss beispielsweise die Gästeliste erstellen, diese anschreiben und die Einladungen aussprechen. Also meine Sekretärin und ich waren voll damit beschäftigt. Und das hat sehr viel Spaß gemacht, auch weil man immer wieder in Kontakt zu so vielen anderen Menschen kommt.

Wie sehen Sie die Rolle der Frau beim Bremer Schaffermahl?

Ganz ehrlich: Ich persönlich habe mich da sehr positiv aufgenommen gefühlt. Viele haben es begrüßt, dass dieser Wandel stattfindet. Ich sehe auch bei den Herren, dass sie sich bemühen, weibliche Gäste einzuladen.

Bei meiner ersten Schaffermahlzeit hatte ich meinen Mann dabei. Der hat mit den anderen Damen zusammen gesessen und fand diese Rolle nicht schlimm, sondern hat es sehr genossen. Wir haben da einen kompletten Rollentausch gemacht.

Dieses Jahr werden wieder einige weibliche Gäste da sein. Und ich bin als Schafferin auch nicht mehr alleine. Mit Heidi Armbruster-Domeyer kommt die nächste Schafferin und es wird nicht aufhören.

Wir machen das für unsere Töchter. Dann wird es das Normalste der Welt sein, dass Frauen am Schaffermahl teilnehmen.

Marahrens-Hashagen ist zur neuen Präsis der Bremer Handelskammer gewählt worden.
Janina Marahrens-Hashagen, Unternehmerin

Wie sehen Sie die Rolle der Frau in der bremischen Gesellschaft? Gibt es noch Vorurteile?

Ich kann keine mehr feststellen. Ich bin immer gut aufgenommen worden, habe mich sehr gut im Schiffsbereich etablieren können und habe nie Schwierigkeiten gehabt.

Gerade über die sogenannte Frauenqoute wird viel gesprochen, auch in Vorständen – da gibt es noch Defizite. Wie bewerten Sie die Debatte?

Ich habe immer gesagt, dass ich gegen das Wort "Quote" bin. Für mich zählt Qualifikation und ich bin absolut dafür, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen größer wird. Man muss sich nur trauen, sich seiner Wertigkeit bewusst sein und auch seinen eigenen Standpunkt verteidigen und dann geht das alles. Aber da müssen die Rahmenbedingungen stimmen.

Ich selber habe auch eine Tochter, die voll berufstätig ist und überlegt, wie sie in die Familienphase gehen kann – ohne ihren Status im Job zu verlieren. Das ist schwierig.

Wir haben immer noch keine verlässliche Ganztagsbetreuung für Kinder. Das ist wirklich der Faktor, an dem wir alle arbeiten müssen, sodass sich Frauen auch weiterentwickeln und beides machen können. Und wenn ich mir die junge Frauengeneration angucke, glaube ich, wir werden da schon einen kolossalen Wandel sehen.

Bei der Bremer Eiswette waren Frauen auch lange nicht erlaubt. Beim Schaffermahl seit zehn Jahren erst nur als Gäste. Wie haben Sie diese Traditionsveranstaltungen wahrgenommen, als Frauen noch kategorisch ausgeschlossen wurden?

Die Eiswette ist ja eine Wette unter Herren gewesen. Und es gibt ja auch reine Damentreffen. Das hab ich einfach als Veranstaltung unter Herren verbucht.

Aber die Schaffermahlzeit ist ein Kaufmannsmahl und da gehören wir Kauffrauen genauso zu. Und da freue ich mich, dass der Wandel stattgefunden hat. Und jetzt können wir gemeinsam daran arbeiten, dass noch mehr Frauen teilnehmen und gucken, wer qualifiziert ist, die nächste weibliche Schafferin zu werden. Da haben wir Jahrhunderte mit männlichen Schaffern aufzuholen — und das kommt.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 9. Februar 2024, 19:30 Uhr