Hintergrund
Wie Bremer Kliniken um Pflegekräfte aus dem Ausland buhlen
Sami Saidani ist einer von vielen ausländischen Pflegekräften in Bremens Kliniken. Für die Kliniken sind die Arbeitskräfte wegen des Fachkräftemangels viel wert – und stark umkämpft.
In den 1950er und 1960er Jahren hatte Deutschland Gastarbeiter angeworben, um die Industrie in Schwung zu bringen. Heute ruft Deutschland erneut im Ausland um Hilfe – für den Pflegesektor. Inzwischen gibt es zahlreiche Vermittlungsagenturen, die für Krankenhäuser und Pflegeheime ausländische Pflegekräfte suchen. Auch in Bremen nutzen Einrichtungen diese Möglichkeit. Aber einfach ist die Suche nicht.
So steckt etwa die Gesundheit Nord (Geno), viel Arbeitskraft in das Anwerben und die Integration von ausländischen Pflegekräften. "Auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind kaum noch Fachkräfte zu finden", klagt Vanessa Köhler. Mit einer weiteren Kollegin zusammen sucht sie händeringend im Ausland ausgebildete Pflegekräfte für die vier städtischen Kliniken der Geno. 66 von ihnen konnten sie schon in den vergangenen vier Jahren nach Bremen holen. Trotzdem ist ihr Anteil gering: Die Geno beschäftigt etwa 3.000 Pflegekräfte und bietet insgesamt 500 Ausbildungsplätze in der eigenen Pflegeschule an.
Von den Philippinen, aus dem Iran oder Tunesien
Sami Saidani gehört zu den 66 ausländischen Fachkräften, die die Geno angeworben hat. Der Tunesier ist 29 Jahre alt und hat in seiner nordafrikanischen Heimat Gesundheits- und Krankenpflege studiert. Er reist gerne, will andere Kulturen kennenlernen – ein Glücksgriff für die Geno. Vor etwa zwei Jahren hatten sie zum ersten Mal Kontakt über einen Videoanruf, arrangiert von einer Vermittlungsagentur vor Ort.
Doch es ist aufwendig, bis ausländische Fachkräfte überhaupt einreisen dürfen. Zertifikate müssen übersetzt, Visa beantragt, Sprachprüfungen abgelegt und Berufsabschlüsse anerkannt werden.
Um ehrlich zu sagen, das war nicht einfach. Ich glaube, das hat fünf Monate gedauert.
Sami Saidani, Pflegefachkraft in Bremen
Als er dann hier war, durfte er erstmal nur als Pflegehilfskraft arbeiten – andere Länder, andere Ausbildung. In Tunesien etwa arbeiten die Pfleger eher den Ärzten zu. Hier in Deutschland müssen sie aber auch die Körperpflege der Patienten übernehmen, Gesetzestexte kennen und die deutsche Fachsprache beherrschen.
Konkurrenz um Arbeitskräfte wächst
Laut einer aktuellen Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat sich in der Krankenpflege in den vergangenen zehn Jahren der Anteil ausländischer Kräfte von 4,9 auf 14,5 Prozent fast verdreifacht. Die Nachfrage ist also groß. Für Vanessa Köhler von der Geno heißt das, wenn eine Vermittlungsagentur ihr eine Fachkraft anbietet, darf sie nicht lange zögern.
Eigentlich müssten wir innerhalb weniger Stunden sagen, wir möchten denjenigen einstellen, weil die Kandidaten natürlich auch bei anderen Häusern vorgestellt werden, und wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Vanessa Köhler, Gesundheit Nord
In Bremen sind auch andere Krankenhäuser wie das Rote Kreuz Krankenhaus auf diesem ausländischen Arbeitsmarkt unterwegs. Die Bremische Schwesternschaft des Krankenhauses in der Neustadt hat seit 2019 mehr als 120 Schwestern und Pfleger in das Anpassungsprogramm aufgenommen und weitergebildet. Wie in der Geno wünscht man sich allerdings auch dort so manche Erleichterung in dem aufwendigen Verfahren.
Noch zu viel und unnötige Bürokratie
Englische Dokumente müssen zwar für die Anerkennung der beruflichen Abschlüsse nicht mehr unbedingt beglaubigt und ins Deutsche übersetzt werden. Und es gebe mittlerweile auch mehr Personal in der Anerkennungsbehörde, sagt Köhler. Aber es brauche eine zentrale Anlaufstelle in Bremen für ausländische Fachkräfte. Dort könnten beispielsweise Vertreter aus der Anerkennungsbehörde, dem Migrationsamt, Sprach- und Weiterbildungsinstituten sowie weitere Beratungsstellen sitzen.
Bremen plant derzeit etwas Ähnliches. Im kommenden Jahr soll ein sogenanntes Welcome Center an den Start gehen. Dort könnten dann speziell ausländische Pflegekräfte genau diese Unterstützung während des Antrags- und Anerkennungsverfahren erhalten.
Die Mitarbeiter der Anlaufstelle sollen auch bei der Suche nach Wohnungen sowie Kita- und Schulplätzen helfen, heißt es aus dem Gesundheitsressort des Bremer Senats. Kosten wird es gut 300.000 Euro. So könnte sich das Verfahren für alle Seiten verkürzen. Laut Geno dauert es derzeit vom ersten Kontakt bis zur Anerkennung als Fachkraft zwischen 14 und 20 Monaten.
Sami Saidani jedenfalls hat es geschafft. Neun Monate lang hat er sich für die deutschen Anforderungen an eine Pflegekraft fortgebildet. Die Prüfung am Ende hat er schließlich bestanden. Jetzt darf er als vollwertig anerkannte Pflegefachkraft im Klinikum Mitte arbeiten. Und dort will er auch erstmal bleiben.
Die Kollegen sind super nett. Sie haben mir von Anfang an gut geholfen. Ich freue mich, wenn ich herkomme zum Arbeiten.
Sami Saidani, Pflegefachkraft in Bremen
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 13. November 2024, 10:10 Uhr