Ludwig Knoops 200. Geburtstag: So mächtig war der Bremer Textilbaron

Ludwig Knoop war ein perfekter Netzwerker seiner Zeit, die Textilindustrie machte ihn reich und seine Ur-Ur-Urenkelin zieht heute bei der EU in Brüssel die Fäden.

Er war mutig, unternehmungslustig und weltoffen, liebte das Reisen und blieb trotz seines enormen Erfolgs inklusive eines russischen Adelstitels stets bescheiden. Der Bremer Ludwig Knoop schaffte es zielstrebig zu sein, ohne aufdringlich zu wirken. Er handelte mit Baumwolle und Textilmaschinen, insbesondere mit England und Russland und kehrte dafür seiner Heimat Bremen lange den Rücken. Trotzdem finden sich an Weser und Lesum bis heute zahlreiche Spuren des Unternehmers, der heute 200 Jahre alt geworden wäre.

Einer der reichsten Deutschen

Doch dass Ludwig Knoops Unternehmen einmal den Takt des weltweiten Textilhandels angeben würden, war keinesfalls vorprogrammiert. Knoop wurde 1821 als Kind einer einfachen Kaufmannsfamilie in Bremen geboren. Nur wenige Jahrzehnte später schufen er und sein Bruder Julius ein internationales Imperium der Textilindustrie. Der Historiker Dittmar Dahlmann macht jedoch nicht etwa ein millionenschweres Erbe als Startkapital für Knoops Erfolg aus, sondern sein gutes Gespür für Märkte und den geschickten Einsatz von Netzwerken.

"England, insbesondere Manchester, war für das Baumwollgeschäft zentral und Russland bot riesige Marktchancen, weil es nur gering mechanisiert war", sagt Dahlmann. Knoop habe das als junger Mann sofort erkannt, bestehende familiäre Kontakte in Moskau und Manchester genutzt. 1842 war er der Erste, der Textilmaschinen von England nach Russland exportierte und wurde so zu einem der reichsten Deutschen seiner Zeit.

Der Zukunft immer einen Schritt voraus

Dahlmann bewertet Knoops Siegeszug als herausragend und außergewöhnlich zugleich. Als ehemaliger Leiter der Abteilung für Osteuropäische Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn hat Dahlmann anlässlich des 200. Geburtstags von Knoop ein Buch über das Leben des Bremer Textilbarons geschrieben. Seine Recherchen zeigen: Knoop baute sein Unternehmen auf vier Kontinente aus und förderte neue Technologien, um diese ständig zu verbessern.

Der Unternehmer habe mehr als 150 schlüsselfertige Fabriken errichtet – eine Besonderheit im 19. Jahrhundert. "Er lieferte seinen russischen Geschäftspartnern nicht nur Spinn- und Webmaschinen aus England samt Zubehör, sondern auch das Führungspersonal, also Ingenieure und Vorarbeiter", sagt Dahlmann. Knoop ließ sich zudem an allen Fabriken dauerhaft beteiligen und auch in der Geschäftsleitung zogen entweder er selbst oder die eigene Verwandtschaft die Fäden.

Das Geschäft mit der Baumwolle

Industriemaschinen und Fabriken samt Personal: Damit machte Knoop zunächst Geld. Doch ab den 1860er Jahren kam der Baumwollhandel als Geschäftsfeld seiner Unternehmen hinzu. An der Harvard University erforscht der Historiker Sven Beckert die Geschichte des globalen Kapitalismus und welche Rolle der Handel von Baumwolle dabei gespielt hat. Auch wenn Ludwig Knoop selbst nie direkter Besitzer einer Baumwollplantage war, wird er dennoch in Beckerts Forschung als "reicher Kaufmann" erwähnt, der "eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der russischen Textilindustrie spielte."

Die Fabrik selbst war eine Erfindung der Baumwollindustrie, ebenso wie die Verknüpfung der Sklavenplantagen in Nord- und Südamerika mit der Verarbeitung in Europa.

Sven Beckert, "King Cotton – Eine Globalgeschichte des Kapitalismus"

Christof Steuer vom Förderverein Knoops Park sowie der Historiker Dittmar Dahlmann sehen zwischen Knoops wirtschaftlichem Erfolg und dem kontroversen System des Baumwollanbaus des 19. Jahrhunderts keinen direkten Bezug. Schließlich sei Knoop Händler gewesen und kein Plantagenbesitzer, so Dahlmann. Einen kritischeren Blick auf das sich zu dieser Zeit entwickelnde System wirft dagegen Beckert: "Allzu oft neigen wir dazu, die Realitäten von Sklaverei, Enteignung und Kolonialismus aus der Geschichte des Kapitalismus zu streichen, weil wir uns einen reineren, edleren Kapitalismus wünschen."

Berühmte Nachkommen

Auch wenn Ludwig Knoop die Hälfte seines Lebens in Russland verbrachte, betont Christof Steuer seine Stellung innerhalb der Bremer Gesellschaft zum Ende des 19. Jahrhunderts. Knoops Töchter heirateten laut Steuer in die bedeutenden Bremer Familien Albrecht, Wolde und Kulenkampff ein. "Die heutige Firma Albrecht Müller-Pearse mit Sitz in der Bremer Baumwollbörse ist ein Nachfolge-Unternehmen und die Nachkommen in der Albrechtlinie sind als Politiker, Musiker und Ärzte bekannt geworden", sagt der Vorsitzende des Fördervereins.

Der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht war ein Ur-Urenkel Ludwig Knoops. Seine Tochter Ursula von der Leyen ist somit nicht nur die Präsidentin der Europäischen Kommission, sondern auch eine Ur-Ur-Urenkelin des Bremer Unternehmers. Statt mit einem rauschenden Fest, hätte Knoop seinen 200. Geburtstag wohl im Kreise seiner Familie und mit einem Gebet bei Tisch gefeiert, glaubt Christof Steuer und fügt noch hinzu: "Vielleicht hätten ihm die Bremer Philharmoniker am Morgen ein Ständchen gebracht".

Autorin

  • Angela Weiß
    Angela Weiß Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. Mai 2021, 19:30 Uhr

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