Fragen & Antworten
Kommt die Pflichtversicherung gegen Schäden durch Hochwasser?
Müssen sich bald alle gegen Elementarschäden versichern? Bremen ist dafür. Darüber sprechen die Länder mit Kanzler Scholz.
Die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz beraten am heutigen Donnerstag über die Frage, ob Deutschland flächendeckend eine Elementarschaden-Pflichtversicherung einführen soll. Die Länder, darunter Bremen sind mehrheitlich dafür. Der Bundesrat hat kürzlich einen entsprechenden Entschließungsantrag verabschiedet und dabei auf die jüngsten Schäden durch Hochwasser verwiesen. Es gelte, die Betroffenen finanziell gegen die gravierenden wirtschaftlichen Folgen abzusichern, die durch Naturkatastrophen entstehen.
Zum Hintergrund: Bundesweit ist nur etwa jedes zweite Haus mit einer Elementarversicherung gegen Schäden durch Hochwasser, Starkregen, Erdrutsche oder Schneedruck finanziell abgesichert. In Bremen sind es sogar nur 31 Prozent. Trotzdem ist die Forderung nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden umstritten.
So hält Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nichts davon. Er fürchtet, dass eine solche Pflichtversicherung Hauseigentümer und damit letztlich auch Mieter teuer zu stehen käme. Zudem ginge die Einführung einer solchen Versicherung mit viel Bürokratie einher. Zu den Hintergründen der Debatte zwischen den Länderchefs und Kanzler Scholz:
Wie steht Bremens Landesregierung zu der Frage, ob man eine Versicherung gegen Elementarschäden zur Pflicht für alle Eigentümer machen sollte?
Bremen unterstützt den Vorstoß. Zur Begründung sagt Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD): "In Norddeutschland ist uns nicht erst seit dem Weihnachts-Hochwasser bewusst, was Sturm und Regen anrichten können. Und wenn die Klimaforscher recht behalten, wird es in Zukunft wesentlich häufiger Extremwetter-Ereignisse geben und folglich auch mehr Schäden. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass es eine verpflichtende Versicherung gegen Elementarschäden gibt. Die sollte dann auch Schäden durch Sturmfluten umfassen."
Besonders schwer hat das Weihnachtshochwasser viele Menschen in Lilienthal getroffen. Wie steht Lilienthal zu der Idee einer verpflichtenden Versicherung gegen Elementarschäden?
So ähnlich wie Bremen. Marilena Koch, Sprecherin der Gemeinde Lilienthal, sagt, dass einige Geschädigte mangels Elementarschadenversicherung durch das Hochwasser in existenzielle Nöte geraten seien. Daher halte man es für sinnvoll, eine Elementarschadenversicherung zur Pflichtversicherung zu machen. "Damit würde eine große Last gemeinschaftlich umgelegt und es müsste nicht in jedem Krisenfall eine Sonderregelung erarbeitet werden", so Koch.
Was genau ist eine Elementarschadenversicherung überhaupt?
Unter Elementarschäden versteht man Schäden, die die Natur verursacht. Dazu zählen beispielsweise Schäden durch Überschwemmungen. Um sich vor den kostspieligen Folgen derartiger Schäden zu schützen, kann man eine Elementarschadenversicherung abschließen.
Allerdings gibt es eine solche Elementarschadenversicherung üblicherweise nicht separat, sondern lediglich als Ergänzung zur Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung. Genaues dazu teilen die Verbraucherzentralen auf einer gemeinsamen Website mit.
Welche Schäden deckt eine Elementarschadenversicherung ab, welche hingegen normalerweise nicht?
Leider nicht alle Schäden, die beispielsweise durch eine Überschwemmung verursacht werden können. Dazu erklärt die Verbraucherzentrale: "Eine Überschwemmung liegt vor, wenn ein Gewässer über das Ufer tritt oder wenn das Grundstück durch Regen überschwemmt wird." Gelange dabei Grundwasser an die Oberfläche und dann ins Haus, bestehe dafür Versicherungsschutz. Nicht versichert dagegen seien Schäden durch Grundwasser, sofern dieses Grundwasser nicht an die Oberfläche gelangt.
Das heißt konkret: Dringt Grundwasser von unten in das Mauerwerk ein, weil der Grundwasserspiegel gestiegen ist, so handelt es sich den Verbraucherschützern zufolge nicht um einen versicherten Schaden.
Aus Sicht des Bremer Senats wiegt eine andere Einschränkung beim Versicherungsschutz durch die meisten aktuellen Elementarversicherungen allerdings noch schwerer: Sie schließen Sturmfluten nicht ein – zum Missfallen etwa der Bundesländer Schleswig-Holstein und Bremen. Sie fordern, dass eine verpflichtende Elementarschadenversicherung auch Schäden durch Sturmfluten einschließen müsse.
Wie stehen Versicherungsexperten zu der Debatte um eine verpflichtende Elementarschadenversicherung?
Ramona Popp, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, findet es zwar gut, dass das Thema Elementarschadenversicherung die Bundespolitik beschäftigt. Sie sagt aber auch: "Eine verpflichtende Elementarschadensversicherung ist der zweite Schritt vor dem ersten." Man müsse zunächst klären, welche Risiken genau abgedeckt werden sollten. Auch müsse die Absicherung bezahlbar bleiben. Daher fordert Popp, dass die Menschen in Hochrisikogebieten die Versicherungsprämien durch Selbstbehalte und durch Maßnahmen zur Vorsorge senken können.
Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) legte 2021 nach der Ahrtal-Katastrophe ein "Gesamtpaket" vor. Die Versicherer schlagen eine Kombination aus weiterhin freiwilliger Versicherung, Beteiligung des Staates im Katastrophenfall und mehr staatlichen Investitionen in Schutzmaßnahmen vor. Bereits abgeschlossene Gebäudeversicherungen würden zu einem Stichtag automatisch auch den Elementarschutz enthalten – sofern die Kunden nicht widersprechen. Dieses Paket wäre laut Verband schneller umzusetzen als eine Pflichtversicherung, mit weniger "Eingriffen in einen funktionierenden Markt für Naturgefahrenversicherungen".
Quellen: buten un binnen und AFP.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. Juni 2024, 19.30 Uhr