Pionierin des weiblichen Humors: Maren Kroymann wird 75 Jahre alt
Nur wenige sind im deutschen Showgeschäft so vielseitig wie sie – seit mehr als 30 Jahren. Egal was sie tut, es schwingt immer ihr feministischer Unterton mit.
Maren Kroymann ist in Walsrode geboren und aufgewachsen in einem wohlbehüteten Akademikerhaushalt im schwäbischen Tübingen. Sie war das jüngste von fünf Kindern und das einzige Mädchen der Familie.
Als junge Frau war sie auf dem besten Weg, Lehrerin zu werden. Abitur, Kirchenchor, Studium, Auslandsaufenthalte, Staatsexamen. Den vorgezeichneten Weg verließ sie jedoch zu Beginn der 1980er Jahre, spielte nebenbei Theater und entwickelte ein erstes eigenes Bühnenprogramm.
Avantgarde in Sachen Frauensatire
1982 starte sie ihr erstes Solo-Programm "Auf Du und Du mit dem Stöckelschuh". Darin befasste sie sich mit dem Frauenbild der 1950er Jahre anhand von Nachkriegsschlagern. Dabei sei ihr gar nicht so bewusst gewesen, dass sie auf dem besten Weg war, eine feministische Kabarettistin zu werden.
Ich dachte, ich mach‘ mal so einen bunten Abend und zeig', was ich so denke.
Maren Kroymann, Karabettistin
Schon da war klar, welches Talent in Kroymann schlummerte. Sie hat einen ganz speziellen Blick auf den Weiblichkeitswahn in Geschichte und Gegenwart der Bundesrepublik: klug, deutlich, feministisch, aber nicht überheblich – und sehr lustig.
Einzug in die Männer-Domäne Fernsehen
Kroymann ist überzeugt, dass sich Frauen für die Medien etwas tarnen müssten. "Wer total analytisch, klug und reflektiert daherkommt, kriegt keine Sendung." Vorsätzlich scharf, böse und gemein zu sein, damit sei es sehr schwer, eine Sendezeit im Fernsehprogramm zu bekommen.
Ihre Haltung in der Unterhaltung wurde Mitte der 1980er erkannt. Der Kabarettist Dieter Hildebrandt engagierte sie für seine Sendung "Scheibenwischer", und auch Kollege Bruno Jonas wollte sie als Partnerin in seiner Kabarett-Serie.
"Es war eine der Rollen meines Lebens"
Und dann rief auch noch das Vorabend-Programm an, ob sie nicht neben Schauspieler Robert Atzorn in "Oh Gott, Herr Pfarrer" (1988) mitspielen wollte. Mit der Rolle als Pfarrfrau Claudia Wiegandt eroberte sie ein großes Publikum. Aus ihrer Sicht hielt damit das feministische Denken erstmals Einzug in eine öffentlich-rechtliche Serie. Kroymann ist sich sicher, dass sie dafür genau die Richtige war: "Es war eine der Rollen meines Lebens."
Die starke Pfarrersfrau machte sie zum Serienstar und war zugleich Startschuss für eine mittlerweile umfangreiche Film- und Serienkarriere: Als Reedereibesitzerin Vera Wesskamp in der 20-teiligen ARD-Serie (1992-1993), in der Rolle als ebenso frustrierte wie hinterhältige Gynäkologin in der ZDF-Serie "Klimawechsel" (2010) oder in der Tragikomödie "Mutter kündigt" (2021) sowie in mehreren Tatort-Filmen.
Für vieles davon wurde sie ausgezeichnet: Grimme-Preis, Fernseh-Preis, internationale Ehrungen, Bundesverdienstkreuz. Das ganze Lametta der Branche.
Als Nachtschwester zur Ikone der Frauen-Satire
Karriere machte sie auch als Kabarettistin: 1993 bekam sie eine eigene Satiresendung, in der sie als "Nachtschwester Kroymann" erfolgreich das Fernsehpublikum auf der ARD-Station verarztete. Die Texte schrieb sie selbst. Und obwohl ihr satirisches Pflegeprogramm vier Jahre lang gute Quoten hatte, bekam es keinen regelmäßigen Sendetermin. Offenbar war das Programm "den Männern in den ARD-Beiräten zu feministisch, zu frech und zu obszön," sagte sie rückblickend in einem Interview.
Anfang der Neunziger outete sie sich als lesbische Frau und postwendend wurde es stiller um das Multitalent. Mit 54 kehrte sie ins Rampenlicht zurück mit ihrem Bühnenprogramm "Gebrauchte Lieder". Ab 2011 tourt sie mit "In my Sixties" durch Deutschland und Österreich – begleitet, getragen und beflügelt von einer vierköpfigen Band. Anfang 2024 läuft ihre Musikshow erstmalig im Fernsehen.
Comeback mit Sketch-Comedy-Serie "Kroymann"
Seit 2017 hat sie wieder eine eigene Satiresendung im Ersten, die nach ihr benannt ist. In "Kroymann" wirft sie zusammen mit Annette Frier und wechselnden Partnerinnen und Partnern einen satirischen Blick auf Frau und Mann, auf Alt und Jung, auf Politik und Gesellschaft. Schnell und erbarmungslos nimmt "Kroymann" alles auseinander, was politisch korrekt wirkt.
Episodenartig schlüpft sie in verschieden reale und fiktive Rollen. Sie ist Bloggerin, Schamanin, Superheldin in einer Mutter-Tochter-Beziehung, Päpstin und UNO-Generalsekretärin, gealterte Barbie, Umweltaktivistin und Managerin oder Astronautin, Ärztin – niemand ist ihr so heilig, um verschont zu werden. Sie scheut auch nicht davor, sich selbst zu parodieren.
"Kroymann" wurde vielfach ausgezeichnet – mittlerweile gibt es 20 Folgen:
Schon vor der ersten Ausstrahlung sorgte ihr Musikvideo "Wir sind die Alten" im Internet für Furore. Darin singt die Schauspielerin:
Geht ruhig alle dieses Jahr zur Wahl, wählt links-liberal, sozial-radikal oder neutral. Eigentlich ist das scheißegal, denn wir sind wieder mal in der Überzahl im Wahllokal.
Maren Kroymann im Song "Wir sind die Alten"
Damit spielt sie auf die demografische Situation an, die gerade die ältere Bevölkerung zum Zünglein an der Wahl-Waage werden lässt. Auch sonst hält Kroymann mit ihrem Alter keineswegs hinterm Berg, sie macht es im Gegenteil sogar zu einem Eckpfeiler ihrer Show. Immer wieder geht es um Altersrassismus, aber auch um Feminismus oder Kroymanns Homosexualität.
Gratwanderung zwischen Anspruch und Popularität
Maren Kroymann ist etwas Seltenes in der deutschen Unterhaltungsbranche gelungen. In all ihrer Vielfältigkeit ist sie sich selbst und ihren Ansprüchen treu geblieben und hat dabei sowohl das breite Publikum als auch die Kritik mit Schlagfertigkeit und Selbstironie erobert.
Am 19. Juli wird sie 75 Jahre alt. Für sie ist das kein Grund sich zu verstecken. Maren Kroymann genießt ihr Älterwerden und spricht auch gern darüber – so wie in ihrem Bremen-Zwei-Podcast “War’s das?”. Dazu lädt sie andere Frauen über 50 Jahre zum ausführlichen Plaudern ein zu dem, was noch kommt und feiert das Leben.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Stichtag, 19. Juli 2024, 5:05 Uhr