Wie das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB ganz Europa eroberte

So mischt das Bremer Familienunternehmen OHB im Weltall-Business mit

Bild: Radio Bremen

Vom Fünf-Mann-Betrieb zum großen Player in der europäischen Raumfahrt: Die familiengeführte Firma OHB aus Bremen wächst in 39 Jahren zu einem Milliardenunternehmen.

Forscher von OHB bei der Arbeit.
Bei OHB in Bremen wird Weltraumgeschichte geschrieben. Bild: Radio Bremen

Das Bremer Unternehmen OHB ist einer der größten europäischen Satellitenbauer. Vor 39 Jahren als kleine Firma in einer Werkstatt angefangen, hat OHB im vergangenen Jahr das erste Mal mehr als eine Milliarde Euro umgesetzt. Heute zeigen Satelliten aus Bremen das Wetter, beobachten das Weltgeschehen für die Bundeswehr und sorgen für eine gute Navigation.

Wie alles begann: Vom Reparaturbetrieb zum Raumfahrtunternehmen

Die Erfolgsgeschichte der OHB beginnt 1981 am Hemelinger Hafendamm als "Otto Hydraulik Bremen GmbH". Zu diesem Zeitpunkt sind Christa Fuchs Kinder aus dem Haus und die gelernte Kauffrau ist auf der Suche nach einer neuen Aufgabe. Sie übernimmt den kleinen Reparaturbetrieb. Zuvor hatte sie als Teilzeitverkäuferin bei Jacobs gearbeitet. "Ich war zehn Jahre dort und nach zehn Jahren hätte ich einen goldenen Ring gekriegt. Zwei Monate vorher bin ich abgehauen. Der Professor hat gesagt, du bekommst von mir den goldenen Ring", erklärt Christa Fuchs lachend.

OHB Vorstandsvorsitzender Marco Fuchs steht vor einer Wand mit Weltall Aufdruck
Marco Fuchs leitet das Unternehmen, das auch weiterhin hoch hinaus will. Bild: Radio Bremen | Radio Bremen

Der Professor ist ihr 2014 verstorbener Mann Manfred Fuchs. Er war Raumfahrtingenieur und arbeitete vorher beim ERNO, dem Entwicklungsring Nord, aus dem später die Airbus Defense and Space wurde. Manfred Fuchs war es auch, der dem kleinen Fünf-Mann-Betrieb eine neue Richtung vorgab: Aus dem Reparaturbetrieb für die Bundesmarine wurde ein Raumfahrtunternehmen.

Der Einstieg in das Satellitengeschäft

Es folgten Experimente mit der Schwerelosigkeit und zwischen 1989 und 1993 konnte das Bremer Unternehmen erste Erfolge verzeichnen. Zu der Zeit startete die TOPAS, eine sogenannte Rückkehrerkapsel in den Weltraum. Die TOPAS transportierte Experimente von europäischen Universitäten und Forschungslaboren in die Erdumlaufbahn. Kapsel und Experimente umkreisten die Erde und fielen dann an einem Fallschirm zurück. Zu dieser Zeit war das Team um Fuchs das Einzige der westlichen Welt, das Experimente in den Orbit schickte und sie anschließend auch wieder barg.

Ähnlich visionär ging die Firmengeschichte weiter: Als die Fachwelt noch ausschließlich teure Satelliten für leistungsfähig hielt, hatte Manfred Fuchs schon die Idee, kleinere und günstigere Satelliten zu bauen. Das Unternehmenskonzept funktionierte – die Firma wuchs. Viele der ehemaligen Kollegen folgten Manfred Fuchs von EADS zu OHB. In den 90ern kam dann der Einstieg ins Satellitengeschäft: Mit dem Kleinsatelliten SAFir wurde die weltweite Positionsbestimmung von Fahrzeugen, Containern, oder Schiffen möglich. In den vergangenen Jahrzehnten folgten zahlreiche weitere Satelliten, die das Unternehmen in ihrem Foyer der Firmenzentrale ausstellt. Und auch noch heute wird in mehreren Hallen an neuen Satelliten gebaut.

OHB ist und bleibt Familienunternehmen

Marco Fuchs im Gespräch
Sohn Marco Fuchs entschied sich irgendwann doch dafür, das Familienunternehmen zu übernehmen. Bild: Radio Bremen | Radio Bremen

Wie sein Vater, ist auch der Sohn Marco Fuchs ein "Groß-Denker". Dass er das Unternehmen von seinen Eltern einmal übernimmt, stand für den Juristen allerdings nicht immer fest. 1995 entschied er sich dann doch das Familienunternehmen weiterzuführen: "Bei jedem Event, ob das eine Familienfeier war, irgendwann kam man natürlich auf OHB zu sprechen. Und ich hatte schon so eine Rolle, dass ich dann für die Weiterentwicklung stehe, für das hungrig bleiben."


Seitdem hat sich viel verändert, aber einige Dinge sind nach wie vor gleich geblieben: Hierzu zählt beispielsweise die Tätigkeit der Firmen Gründerin Christa Fuchs. Obwohl das Unternehmen OHB eine eigene Buchhaltung beschäftigt, kontrolliert die 82-jährige jede einzelne Rechnung, die das Haus verlässt. Das ist einer der Gründe, warum das Unternehmen, das mittlerweile 3.000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt, im Kern noch so tickt wie früher, findet Christa Fuchs. Einen weiteren sieht sie in der Belegschaft:

Das liegt auch an den Leuten, die wir haben. Da sind natürlich welche dabei, die sich dann für die Raketen interessieren, die dann Marco oder auch meinem Mann das vorgetragen haben und dann machen wir das. Das geht ganz schnell. Wir sind ja ein Laden wo die Mitarbeiter, die obere Schicht, genau so mitentscheidet und mitmacht. Also das ist nicht hier ein Ein-Mann-Laden, der alles entscheidet. Alle die hier oben sitzen sind genauso. Sind aber auch genauso verantwortlich.

Die AMW-Award Gewinnerin Christa Fuchs im Interview.
Christa Fuchs, Firmengründerin OHB

Neue Wege und ihre Risiken: Die Vision einer günstigen Träger-Rakete

Trotz beständiger Firmenführung bleibt das Unternehmen visionsorientiert und widmet sich neuen Projekten. Hierzu zählt auch die Realisierung einer eigenen Träger-Rakete. Aktuell liegt diese noch ausschließlich als Bildschirm-Animation vor, doch das soll sich ändern: Im Augsburger Tochterunternehmen "Rocket Factory" wird die Rakete in den nächsten zwei Jahren gebaut werden. Ob das klappt? Marco Fuchs ist optimistisch: "Die Idee oder der Glaube, dass man erfolgreich sein kann ohne Risiken, das ist einfach Unsinn. Also ich glaube, das größte Risiko ist, wenn man überhaupt gar keine Risiken eingeht."

Jörn Spurmann und Stefan Brieschenk schauen sich eine Schweißnaht an.
Jörn Spurmann und Stefan Brieschenk von der Rocket Factory sind selbst begeisterte Raketen-Fans. Bild: Radio Bremen | Radio Bremen

In der Rocket Factory in Augsburg ist die Begeisterung für die Rakete groß: Hier wird jede Schweißnaht am Tank gefeiert – schön aussehen muss sie nicht. Die Rakete muss nur halten, sie muss funktionieren und dabei so wenig wie möglich kosten, finden die Raketenbauer und Chefs des Augsburger Start Up Unternehmens, Jörn Spurmann und Stefan Brieschenk. Kosten soll ihre Rakete letztendlich zwischen sechs bis zehn Millionen Euro. Damit würde sie nur einen Bruchteil einer großen Ariane Trägerrakete kosten. "Das ist ein neuer industrieller Ansatz, Bauteile in der Raketentechnik so günstig wie nur irgendwie möglich herzustellen. Das gab es bislang nicht. Bislang galt das Credo: 'As good as somehow possible'. Unser Credo heißt: So gut, wie nur irgendwie nötig, aber nicht besser“, erklärt Stefan Brieschenk.

Günstig gebaut von den Besten der Besten

Günstig soll die Träger-Rakete also letztendlich sein, dafür wird sie aber laut der beiden Chefs von den Besten der Besten gebaut. Im Team der Rocket Factory finden sich Raketenbegeisterte aus aller Welt, gesprochen wird Englisch. Das Durchschnittsalter liegt bei 32 Jahren. Um Kosten zu sparen, wird auch bei der Bauteilbeschaffung ein moderner Weg gewählt: Das Team der Rocket Factory setzt auf Standardbauteile der Automobilindustrie und Industrieware. So werden beispielsweise Flugcomputer für 2.000 Euro gekauft und Bauteile eines Autos für die Rakete umgebaut. Fehlt etwas, kann es im 3D-Drucker direkt vor Ort gedruckt werden.

Das Wichtige, um den Kosten- und Zeitplan einzuhalten, ist, dass wir alles aus einer Hand machen. Diese Brennkammer wurde gestern gedruckt auf unserem Drucker, den wir hier an der Rocket Factory betreiben und heute findet die Endbearbeitung statt, morgen ist das Teil fertig.

Stefan Brieschenk im Gespräch
Stefan Brieschenk, Rocket Factory

Noch im Sommer sollen in Schweden die Triebwerke in einem Teststand erprobt werden. Schon Anfang 2022 soll die Rakete fertig sein. Die Zeit ist knapp, denn die Rocket Factory ist nicht die einzige Firma, die an einer günstigen Trägerrakete baut. OHB-Vorstandsvorsitzender Marco Fuchs ist sich der Risiken bewusst: "Ja also natürlich ist es riskant. Wenn es nicht funktioniert, hat man Zeit und Geld vertan. Andererseits ist es eben auch spannend zu sehen, ob man das nicht auch so ganz schnell wirklich effektiv machen kann."

Autorin

  • Anna-Lena Borchert
    Anna-Lena Borchert Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. August 2020, 19:30 Uhr

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