Interview
OHB-Expertin fordert: "Weltraum sollte frei von Schrott bleiben"
Weltraumschrott über Bremen: "Das Problem wird gerade besonders akut"
Charlotte Bewick kennt Phänomene wie den glühenden SpaceX-Weltraumschrott ganz genau. Im Interview erklärt sie die Gefahren der Trümmer – und was wir dagegen tun können.
Es sind spektakuläre Bilder, die man Mittwochmorgen am dunklen Himmel sehen konnte. Die verglühenden Teile einer Rakete des Raumfahrtunternehmens SpaceX sahen aus, wie riesige Sternschnuppen. Doch hinter dem schönen Himmelsphänomen verbergen sich Probleme, die die Wissenschaft und Politik dringend lösen müssen, fordert die Expertin für Weltraumschrott vom Raumfahrtkonzern OHB, Charlotte Bewick.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die Ereignisse der vergangenen Nacht beobachtet haben?
Ich finde, so etwas sieht ja schön aus. Aber natürlich war mir auch gleich klar, dass das bei einigen Leuten Verunsicherung auslöst, wenn sie solche Phänomene am Himmel beobachten und sie nicht erklären können.
Wir haben ja schon gehört, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch zu Schaden kommt, sehr gering ist. Aber in der Vergangenheit kam das schon vor...
Es gibt zwei prominente Fälle, in denen Weltraumschrott am Boden Schaden verursacht hat. Es gibt eine Person, die schon einmal von Weltraumschrott getroffen wurde. Das war 1997 in den Vereinigten Staaten: Lottie Williams. Sie wurde jedoch nur an der Schulter gestreift und war nicht schwer verletzt. Davon abgesehen kenne ich keine Fälle, in denen ein Mensch getroffen wurde. Letztes Jahr gab es allerdings einen prominenten Fall, bei dem ein Stück eines Batteriemoduls in den Vereinigten Staaten in ein Haus einschlug und dort durch mehrere Decken und das Dach drang. Das Haus hat also Schaden genommen und die Familie, die dort lebt, versucht seitdem, die NASA zu verklagen. Der Fall läuft noch.
Gibt es dazu denn schon eine spezielle Regelung?
Nein, das wäre ein Präzedenzfall. Es ist besonders interessant, weil man nicht genau weiß, wer für einen Schaden verantwortlich ist, der von einem Objekt aus dem Orbit verursacht wird. Theoretisch wäre der sogenannte "Launching State" verantwortlich, das ist das Land, aus dem gestartet wurde. In diesem Fall war das Japan. Das Batteriemodul selbst wurde aber in den Vereinigten Staaten hergestellt. Die ISS wird beispielsweise von der NASA und der ESA betrieben. Wer also wirklich zuständig ist, ist ungeklärt. Dafür braucht man einen Fall, an dem man sich orientieren kann.
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Sie arbeiten gemeinsam mit der Politik für OHB auch an solchen Regelungen. Auf welchem Stand ist man da genau?
Wir arbeiten zusammen mit anderen großen Raumfahrtkonzernen, kleineren Unternehmen, Institutionen, Agenturen und der Politik ständig daran, die Regeln zu aktualisieren. Die Raumfahrtindustrie ist noch nicht besonders alt und das Problem mit Weltraumschrott wird gerade besonders akut, da wir viele Starts haben. Darum braucht es neue Regeln. Es gibt eine gewisse Trägheit, neue Regeln zu etablieren, und darum helfen wir mit, das Ganze zu beschleunigen.
Man könnte ja meinen, der Weltraum ist groß. Warum muss man sich mit Weltraumschrott beschäftigen?
Für uns bei OHB ist der Grund klar: Wir wollen weiterhin große Satelliten und Spezialgeräte für die Wissenschaft betreiben, die teilweise mehrere hundert Millionen Euro kosten. Um das Risiko gering zu halten, dass diese im Orbit von einem Stück Weltraumschrott getroffen und zerstört werden, müssen wir dafür sorgen, dass der Orbit frei von Schrott bleibt.
Was sind aktuell die vielversprechendsten Ansätze, um Erfolg zu haben?
Das Wichtigste ist, dass jeder Satellit und jede Rakete ein Szenario für das Ende ihrer Lebensdauer hat, also zum Beispiel einen Wiedereintritt oder dass sie auf einen sogenannten Friedhofsorbit gebracht werden. Wenn es einen Wiedereintritt geben soll, muss dieser auf eine sichere Art und Weise durchgeführt werden. Der Satellit sollte nicht so weit überleben, dass er am Boden einschlägt, und vorzugsweise sollte er in einem Gebiet eintreten, in dem keine Menschen leben.
Das Interview führte Lea Reinhard, aufgeschrieben wurde es von Niklas Hons.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. Februar 2025, 19:30 Uhr