Fragen & Antworten
Wie Bremer Forscher Weltraumstrahlung in Energie verwandeln wollen

Die Wissenschaftler arbeiten an einem Material, das Strom erzeugt und zugleich vor Weltraumstrahlung schützt. Das Projekt könnte künftige Weltraummissionen revolutionieren.
Die Bestrahlungsanlage beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen pfeift und röchelt. Die Komponenten der riesigen Maschine tragen futuristische Namen wie "Teilchenbeschleuniger", "Sonnensimulatoren" oder "VUV-Quelle". Aber auch das Experiment, das die Bremer Wissenschaftler um Tim Neudecker hier durchführen, fällt in die Kategorie Zukunftsforschung. "Wir wollen ein Material entwickeln, das einen effizienten Schutz vor Weltraumstrahlung liefert", erklärt der 36-jährige Chemie-Professor.
Wenn wir es schaffen würden, dass dieses Material auch ein bisschen Energie erzeugt, wäre das wirklich fundamental.
Chemie-Professor Tim Neudecker
Warum ist die Weltraumstrahlung gefährlich?
Die Strahlung im All stammt von der Sonne, der Milchstraße und aus fernen Galaxien. Sie besteht vorwiegend aus Protonen. Man kann sie sich als "kleine Projektile vorstellen, die durch den Weltraum fliegen", sagt Neudecker. Denn sie können die DNA der Menschen schädigen. Das wiederum führt zur schnelleren Alterung und das Krebsrisiko steigt für Menschen im All. Gleichzeitig greift die Strahlung auch die Hüllen und die Elektrik von Satelliten oder Raumschiffen an.
Wie kann man sich davor schützen?
Die Menschen auf der Erde bemerken davon nur wenig, weil die Atmosphäre sie vor der Strahlung schützt. Doch je weiter man sich von der Erdoberfläche entfernt, desto mehr schädliche Partikel aus dem Weltall treffen auf den Körper. Ein Beispiel: Die Strahlendosis bei einem Mensch, der sich auf der Internationalen Raumstation (ISS) in 400 Kilometern Höhe befindet, liegt bei einem sechsmonatigen Aufenthalt bei etwa 72 mSv (Millisievert). Das Sievert ist laut dem Bundesverband Geothermie die Maßeinheit verschiedener gewichteter Strahlendosen. Sie dient zur Bestimmung der Strahlenbelastung.

In Europa liegt der Grenzwert für Menschen, die beruflich mit Strahlung zu tun haben, bei 20 Millisievert pro Kalenderjahr. Bei Raumfahrtmissionen schützen dicke Wände aus Aluminium oder speziellen Kunststoffen die Astronauten und Astronautinnen vor der Strahlung, weil sie diese teilweise absorbieren.
Wie will das Forscherteam ein neues Material erfinden?
In der Bestrahlungsanlage beim DLR in Bremen können die Wissenschaftler die Strahlungsbedingungen im Weltall simulieren. Seit drei Jahren testen sie immer wieder neu entwickelte Materialien – noch ohne großen Durchbruch. "Wir versuchen noch zu lernen, welche Materialien gut funktionieren könnten", sagt Erik Klein, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt. "Jetzt haben wir bereits gelernt, welche nicht funktionieren."
Laborleiter Thomas Renger betont, dass die Zielstellung sehr herausfordernd ist. Denn die Aufgabe, die sich die Wissenschaftler gestellt haben, ist schwierig: Ein Material zu entwickeln, das im Weltall einerseits schützt und andererseits Strom erzeugt. Denn Photovoltaikanlagen auf der Erde nutzen die Lichtteilchen der Sonnenstrahlung, um Strom zu erzeugen. Im All hingegen wollen sie die gefährlichen Protonen der Weltraumstrahlung als Energiequelle nutzen.
Was steht als nächstes an?
Die Bremer suchen weiter das eine Material, das bei Weltraumstrahlung nicht altert oder bricht. Allein das wäre schon eine bedeutende Entdeckung. Neben den Forschern vom DLR und der Uni Bremen ist ebenfalls das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung Teil des Teams. Zusammen wollen sie in den kommenden fünf Jahren genau solch ein Material präsentieren.
Und was haben wir von der Forschung auf der Erde?
Wissenschaftler Neudecker ist überzeugt von der Idee: "Wenn es klappen sollte, dann hätten wir ein Material, das man in der Raumfahrt einsetzen könnte, um Strahlendosis zu messen. Um Materialien und auch Menschen in den Raumstationen in Raumanzügen zu schützen."
Gleichzeitig denkt er schon weiter: Auf der Erde könne man so ein Material zum Beispiel in Atommüll-Endlagern einsetzen. "Da sucht man auch immer neue Materialien, die widerstandsfähig gegenüber Strahlung sind", erklärt der Chemie-Professor. Außerdem könnte dies auch beim Schutz des medizinischen Personals bei der Strahlentherapie neue Möglichkeiten eröffnen.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. März 2025, 19:30 Uhr