Fragen & Antworten
Wachsende Crack-Szene in Bremen: Kann ein Drogenkonsumraum helfen?
Seit zwei Jahren hat Bremen einen provisorischen Drogenkonsumraum. Doch die Szene hat sich verändert, Crack wird vor allem auf der Straße konsumiert.
Der Bremer Senat will an der Friedrich-Rauers-Straße hinter dem Bremer Hauptbahnhof einen "Akzeptanzort" für drogenkranke Menschen schaffen. In unmittelbarer Nähe zum mobilen Drogenkonsumraum, den es seit 2020 gibt, sollen unter anderem Sitzgelegenheiten und Unterstände entstehen. Geplant ist auch, eine Fahrbahn zu sperren, um so mehr Platz zu schaffen. Der provisorische Drogenkonsumraum ist rund 900 Meter vom Bremer Hauptbahnhof entfernt. Im Vergleich zu anderen Städten ist das recht weit.
Mit dem neuen "Akzeptanzort" sollen Drogenkranke vom Bremer Hauptbahnhof weggeführt werden. Denn dort haben sich die Zustände in den vergangenen Monaten verschärft. Sehr präsent ist vor allem die Crack-Szene. Seit 2018 steigt laut Gesundheitsressort auch in Bremen der Crack-Konsum stark an. Gerade diese Szene in die Friedrich-Rauers-Straße zu verlagern, könnte schwierig werden. Wir erklären warum.
Was ist über den Konsum von Crack bekannt?
Crack ist ein Ableger von Kokain und wird beim Rauchen inhaliert. Der Rauschzustand dauert meist nur wenige Minuten an. Das Suchtpotenzial ist jedoch extrem hoch. "Die Konsumdynamik ist bei Crack anders als beim Heroin, wenn es gespritzt wird", sagt Bernd Werse. Er lehrt am Centre for Drug Research an der Universität Frankfurt und hat sich in einer Studie ausführlich mit der Droge Crack beschäftigt. Nach dem Konsum von Heroin hätten die Konsumentinnen und Konsumenten meist einige Stunden Ruhe. "Bei Crack ist das nicht so. Da ist die Wirkung sehr kurz und das Verlangen nach Mehr sofort wieder da", sagt Werse.
Wo wird Crack konsumiert?
Der Großteil des Konsums finde auf der Straße statt, sagt Bernd Werse von der Uni Frankfurt. "Während eine Spritze mit Heroin vorbereitet werden muss, dauert es nur wenige Sekunden, das Steinchen Crack in die Pfeife zu legen und anzuzünden." Deshalb sei es auch schwierig, von Crack abhängige Menschen mit einem Drogenkonsumraum zu erreichen. "In Frankfurt gab es mal einen Konsumraum, wo auch Crack geraucht werden konnte. Der wurde aber kaum genutzt, weil er im 1. Stock lag." Statt hochzugehen hätten die Menschen einfach unten vor der Tür geraucht, so Werse. Laut Werse brauche es niederschwellige Angebote.
Die Konsumentinnen und Konsumenten müssen einfach rein- und rausspazieren können.
Bernd Werse, Centre for Drug Research, Uni Frankfurt
Wie ist die Situation im mobilen Drogenkonsumraum in Bremen?
Im mobilen Drogenkonsumraum an der Friedrich-Rauers-Straße gibt es aktuell nur zwei Plätze, an denen Drogen geraucht werden können. Für den intravenösen Drogenkonsum sind vier Plätze vorhanden. "Das ist natürlich wenig. Der Andrang ist bei uns ist groß, wir hätten gerne mehr Plätze", sagt Lea Albrecht, eine der beiden Leiterinnen des Drogenkonsumraums, der vom sozialen Träger "Comeback" betrieben wird. Deutlich mehr Plätze, auch zum Rauchen, soll es laut Albrecht im neuen Drogenkonsumraum geben. Der Bau wird aber mindestens noch bis 2024 dauern.
Der Andrang zeige allerdings, dass auch der aktuelle Drogenkonsumraum gut angenommen werde, so Albrecht. "Auch von denjenigen, die Crack konsumieren." Zwar nimmt auch sie im Bezug auf Crack ein verändertes Konsumverhalten wahr, weil es meist schnell an dem Ort konsumiert wird, wo es erworben wurde. Aber: "Crack ist nicht gleich Crack." Während in Städten wie Frankfurt in der Regel die fertige Substanz in Form von Steinen erworben würde, gebe es hier in Bremen auch einige Konsumentinnen und Konsumenten, die Crack aus Kokain und anderen Stoffen aufkochen würden. "Dafür wird dann der Drogenkonsumraum genutzt", sagt Albrecht. Darüber hinaus hat der aber noch eine andere wichtige Bedeutung:
Für drogenkranke Menschen ist der Drogenkonsumraum ein Safe Space. Hierher kommen die Menschen auch, um zu frühstücken, Gespräche zu führen, sich auszuruhen.
Lea Albrecht, Leitung Drogenkonsumraum
Am Anfang würden die Menschen natürlich meist allein mit der Intention kommen, konsumieren zu wollen, aber daran schließe sich dann ein Hilfsprozess mit Beratungsangeboten an, so Albrecht.
Wie könnten mehr Menschen, die von Crack abhängig sind, erreicht werden?
Mit 23 Plätzen gibt es in Dortmund den größten Konsumraum Deutschlands. 15 Plätze sind für diejenigen vorgesehen, die Drogen, wie etwa Crack, rauchen. Acht Plätze stehen denen zur Verfügung, die sich Substanzen spritzen. "Der Raucherraum, wie wir ihn nennen, wird gut angenommen", sagt Jan Sosna, Leiter der Dortmunder Drogenhilfeeinrichtung "Kick".
Für ihn hängt das auch damit zusammen, dass es relativ viele Plätze für den inhalativen Konsum, also für das Rauchen, gibt. "Wenn hier 20 Menschen auf einen freien Platz warten würden, dann würde ich mich als Konsument da ja nicht in der Schlange anstellen, sondern in den Hauseingang nebenan gehen", sagt Sosna. Auch er beobachtet seit Jahren, dass die Crack-Szene wächst. Gab es 2016 in der Dortmunder Einrichtung noch 202 Fälle von Crack-Konsum, sind es laut Sosna in diesem Jahr bislang schon mehr als 11.000 Fälle gewesen.
Auch Sosna hat die Erfahrung gemacht, dass es schwierig ist, von Crack abhängige Menschen zu erreichen. Aber es zu versuchen, sei wichtig: "Einrichtungen wie unsere sind der einzige Ort, an dem diese Menschen nicht schief angeguckt werden und wo sie zur Ruhe kommen können. Und für uns ist dieser Ort die einzige Möglichkeit, den Kontakt zu ihnen nicht zu verlieren."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 3. November 2022, 19:30 Uhr