Wie die Politik mit der Drogenszene in der Bremer Neustadt umgeht
Die Drogenszene wandert in Bremen vom Hauptbahnhof auch in andere Stadtteile – und das ist von der Politik auch gewollt. Doch in der Neustadt bildet sich Widerstand.
Das Flüsseviertel in der Neustadt ist eine beliebte Gegend in Bremen. Schöner Altbau, viele Grünflächen und nette Cafés. Doch seit kurzem hat diese Idylle einen Knacks bekommen: "Mülleimer werden umgeschmissen, es wird in die Vorgärten gekotzt, Flaschen liegen ganz oder zerbrochen in den Vorgärten. Das war früher alles nicht."
Dieser Anwohner, der anonym bleiben möchte, sagt, dass er bisher nie Probleme in seiner Straße hatte. Jetzt wurde innerhalb weniger Wochen zweimal bei ihm zu Hause eingebrochen. Seine Nachbarn berichten von geklauten Fahrrädern und aufgebrochenen Autos. Die Ursache dafür ist für die Bewohner klar: Der seit März im Hohentorspark stehende Container. Dort dürfen Drogenabhängige konsumieren, ohne dass sie von der Polizei verfolgt werden. Betreut werden sie von Streetworkern von der Inneren Mission.
Plätze für Drogenabhängige zu finden, ist schwierig
Der Beirat Neustadt hatte im Dezember 2023 dazu sein Okay gegeben. Für Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) war das keine Selbstverständlichkeit: "Vom Beirat gab es ein hohes Verständnis dafür zu sagen: Das sind kranke Menschen, um die man sich kümmern muss." Allerdings reiche ein einfacher Container nicht aus: "Wir brauchen darüber hinaus auch Indoor-Angebote, die ganz konkret Drogenhilfe anbieten und nicht nur einfach sagen: 'Hier ist ein Platz, hier wirst du nicht weggejagt'".
Im Idealfall gäbe es mehrere Drogenkonsumräume in verschiedenen Stadtteilen mit entsprechenden Hilfsangeboten für die Abhängigen. "Diese Vorstellung und die Anträge gibt es. Das ist aber nicht ganz einfach. Erstens ist es nicht kostengünstig und zum anderen ist es schwierig, Plätze zu identifizieren, weil ja ganz viele finden: 'Braucht man. Klar. Aber nicht hier'", sagt Bernhard.
Mehr Drogenkriminalität unter dem Radar der Polizei
Die Gesundheitssenatorin zeigt sich zwar zufrieden mit den zusätzlichen zehn Millionen Euro, die der Bremer Senat für die Drogenhilfe zur Verfügung gestellt hat. Es brauche aber noch mehr. Denn eine zunehmende Drogenproblematik gehe auch immer mit einer gewissen Kriminalitätsentwicklung einher. Da müsse man sich keine Illusionen machen, sagt Bernhard.
Allerdings bekommt die Polizei mittlerweile seltener mit, wo Drogen gehandelt und konsumiert werden. Jetzt wo die Szene verstreut ist, sei es schwieriger geworden, sie zu kontrollieren. Die Polizei schätzt, dass die Dunkelziffer mittlerweile deutlich höher ist.
Bewohner fühlen sich alleingelassen
Die Anwohner sind darüber verärgert und tauschen sich zunehmend in Chat-Gruppen und Online-Foren aus. Demnächst wollen sie sich in Präsenz treffen und dabei beraten, ob und wie sie sich an die Politik wenden. Mit Namen zitiert werden, möchte niemand.
Die Schüsse, die Anfang Juli einen 25-Jährigen verletzten, bringen einige Anwohner mit der Drogenszene in Verbindung. Der verletzte Mann hatte ausgesagt, dass er auf der Höhe des Containers im Hohentorspark angeschossen wurde. Die Polizei ermittelt noch, ob Drogendealer dabei involviert waren.
Wir sind auf die Politik ziemlich sauer. Die stellen da einen Container, Bierbänke, Tische und eine Dixie-Toilette hin und das war es dann. Die Bewohner können dann sehen, wie sie damit klarkommen.
Anwohner aus der Neustadt
Gesellschaft müsse Drogenabhängige akzeptieren
Claudia Bernhard kann die Sorgen und Ängste der Bewohner nachvollziehen. Trotzdem müsse die Gesellschaft auch akzeptieren und aushalten, dass es Drogenabhängige gibt – manchmal eben auch in ihrer direkten Nachbarschaft: "Das sind Menschen, die gehören zu unserer Gesellschaft dazu, und wir können sie nicht einfach ‘Rauskicken’ und am besten sind sie gar nicht da, sondern da ist es letztendlich unsere Verantwortung, sich auch darum zu kümmern."
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 12. August 2024, 7:40 Uhr