Rassismus bei Brebau: Bremens Bausenatorin will externen Ermittler
Nach buten-un-binnen-Recherchen über Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe hat die Brebau "nicht autorisierte Prozesse" eingeräumt. Bremer Politiker fordern harte Konsequenzen.
Recherchen von buten un binnen zufolge werden Menschen bei der Wohnungssuche von der Brebau systematisch diskriminiert. buten un binnen liegen interne schriftliche Anweisungen vor, aus denen dies hervorgeht. Bewerberinnen und Bewerber, die ihre Wurzeln außerhalb Deutschlands haben, sollen gezielt von Brebau-Wohnungen ferngehalten worden sein. Nachdem das Unternehmen in einer schriftlichen Stellungnahme ankündigte, den Sachverhalt aufklären zu wollen, räumt es jetzt "nicht autorisierte Prozesse" ein.
Zunächst hatte die Wohnungsbaugesellschaft gegenüber buten un binnen erklärt, von den Praktiken nichts gewusst zu haben. Am Donnerstag reagierte das Unternehmen dann mit einer Mitteilung auf seiner Internetseite.
Brebau kündigt Sofortprogramm an
Erste Untersuchungen der Brebau hätten ergeben, dass es bei der Registrierung von Wohnungsinteressenten zu nicht von der Geschäftsführung autorisierten Prozessen gekommen sei. Dies habe sich insbesondere aus Mitarbeiternotizen ergeben, die eine vermeintliche Zielgruppenbeschreibung anhand von Abkürzungen zum Gegenstand hat. "Diese Vorgehensweise haben wir unmittelbar gestoppt", so Brebau-Geschäftsführer Bernd Botzenhardt. Die Brebau prüfe in diesem Zusammenhang auch alle notwendigen arbeitsrechtlichen Schritte, heißt es weiter.
Darüber hinaus kündigt die Brebau ein Sofortprogramm an. Ziel sei es, dass Vergabesystem "transparenter und möglichst digitalisiert zu steuern", erläutert Botzenhardt. Am Ende solle ein für alle Seiten nachvollziehbarer Bewerbungsvorgang stehen.
Um den Sachverhalt einerseits vollständig aufzuklären und andererseits sicherzustellen, dass, sollten sich die Vorwürfe erhärten, ein solches Verhalten für die Zukunft abgestellt wird, hat die Geschäftsführung am heutigen Tage ein mehrstufiges Sofortprogramm verabschiedet.
Bernd Botzenhardt, Brebau Geschäftsführer
Bausenatorin zeigt sich schockiert
Die Politik in Bremen hat mit Empörung und Forderungen auf die Recherche von buten un binnen reagiert. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) zeigte sich erschüttert.
Rassistische und andere Formen der Diskriminierung bei der Wohnungssuche sind inakzeptabel. Das Ausmaß der im Raum stehenden Vorwürfe ist erschütternd und beschämend. Die Vorwürfe müssen schnellstmöglich und umfassend aufgeklärt und auf dieser Grundlage die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.
Andreas Bovenschulte, Bremens Bürgermeister (SPD)
Auch Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne) forderte eine schnelle und lückenlose Aufklärung. Es sei nicht akzeptabel, dass eine Wohnbaugesellschaft Menschen aufgrund der Hautfarbe, der Herkunft und der religiösen oder sexuellen Orientierung systematisch bei der Wohnungsvergabe ausschließe, so die Senatorin. Sie sei entrüstet und schockiert, dass dies anscheinend auch bei einer städtischen Gesellschaft passiert sein soll. Schaefer spricht sich für einen externen Ermittler aus, um die Vorwürfe aufzuklären.
Wir alle wissen, dass Rassismus und Ausgrenzung viel zu oft im Alltag stattfindet – oft auch bei der privaten Wohnungsvergabe. Das ist nicht zu tolerieren. Dass dies anscheinend auch bei einer städtischen Gesellschaft passiert sein soll, entrüstet und schockiert mich.
Bremens Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne)
Sitzung des Aufsichtsrats angekündigt
Die SPD fordert ebenfalls eine externe Untersuchung, die die Vorwürfe rassistischer Diskriminierung aufzuklären habe. Dazu müsse der Aufsichtsrat in Kürze in einer Sondersitzung zusammenkommen. "Wir brauchen hier umfassende und ungeschminkte Aufklärung, so schnell wie möglich", so der SPD-Fraktionsvorsitzende Mustafa Güngör. Die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft fordert auch die sofortige Freistellung der Geschäftsführung der Brebau.
Was hier im Raum steht, hat mit dem üblichen Belegungsmanagement einer Wohnungsbaugesellschaft nichts zu tun, sondern ist systematische Diskriminierung in einem höchst erschreckenden, ja unglaublichen Ausmaß. Das ist unerträglich und unakzeptabel und muss klare Konsequenzen haben.
Mustafa Güngör, Fraktionsvorsitzender der SPD
Bremens Finanzsenator und Aufsichtsratsvorsitzender der Brebau Dietmar Strehl (Grüne) hatte gegenüber buten un binnen bereits angekündigt, dass er zeitnah eine Sitzung des Aufsichtsrats einberufen wolle, um das Thema aufzuarbeiten.
Wir müssen das jetzt genau aufklären, ob es da strukturelle Verfahrensweisen gibt bei der Brebau. Wer zuständig, wer verantwortlich ist. Das werden jetzt ein paar Tage Arbeit, die wir vor uns haben und wir nehmen es sehr ernst – vor allem, weil wir in Bremen eine bunte Stadt sind.
Dietmar Strehl, Finanzsenator und Aufsichtsratsvorsitzender der Brebau (Grüne)
Personelle Konsequenzen gefordert
Auch die Grünen-Fraktion fordert eine externe Untersuchung. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müssten auch personelle Konsequenzen gezogen werden, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahhanim Görgü-Philipp: "Dass ausgerechnet eine städtische Wohnungsbaugesellschaft offenbar Menschen aufgrund der Hautfarbe, der Herkunft und der religiösen oder sexuellen Orientierung systematisch bei der Wohnungsvergabe ausschließt, ist ein Skandal und völlig inakzeptabel." Auch die Rolle der Geschäftsführung müsse kritisch hinterfragt und geklärt werden, ob sie überhaupt noch haltbar sei. Entweder habe sie die Vorgänge geduldet oder nichts von ihnen gewusst, beides ist laut Görgu-Philipp nicht tragbar.
Die baupolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Silvia Neumeyer, äußerte sich folgendermaßen: "Die Vorwürfe machen sprachlos und unglaublich wütend. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft ist vor 80 Jahren gegründet worden, damit jede und jeder bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum bekommen kann und das vorurteilsfrei", erklärt Neumeyer.
FDP beantragt Aktuelle Stunde in der Stadtbürgerschaft
Die FDP-Fraktion Bremen hat zu den Rassismus-Vorwürfen gegen die Brebau eine Aktuelle Stunde in der kommenden Sitzung der Stadtbürgerschaft beantragt. Dazu erklärte der baupolitische Sprecher Thore Schäck: "Gerade die Brebau hat als 100 Prozent staatliches Unternehmen eine wichtige Vorbildfunktion. Der Senat übt über den Aufsichtsrat entscheidenden Einfluss auf die Unternehmensführung aus und trägt maßgeblich Mitverantwortung dafür, was im Unternehmen passiert." Der Senat müsse laut Schäck sofort erklären, warum der Aufsichtsrat eine solche Praxis geduldet habe oder aber davon keine Kenntnis hatte.
Das Versagen von Geschäftsführung und Aufsichtsrat muss Konsequenzen haben.
Thore Schäck, baupolitischer Sprecher der Bremer FDP-Fraktion
Auch die Linken in Bremen zeigten sich erschüttert. Es sei bekannt, dass es für Menschen mit Migrationserbe schwieriger sei, eine Wohnung zu finden.
Aber dieser Skandal übertrifft selbst die schlimmsten Befürchtungen. Ausgerechnet eine städtische Wohnungsbaugesellschaft hat offenbar Bremer und Bremerinnen den Zugang zu Wohnungen verwehrt, weil sie schwarz oder homosexuell sind, ein Kopftuch tragen, eine Suchtgeschichte haben oder in einer benachteiligten Gegend wohnen.
Cindi Tuncel, migrationspolitischer Sprecher der Linken-Fraktion
Dieser "Machtmissbrauch" der Brebau müsse restlos aufgeklärt werden, so Cindi Tuncel weiter. Er ist der migrationspolitische Sprecher der Linken-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. Mai 2021, 19:30 Uhr