Fragen & Antworten
Diskriminierung bei der Wohnungssuche: Hier bekommen Betroffene Hilfe
Seit dem Brebau-Skandal ist klar: In Bremen haben nicht alle Menschen die gleichen Chancen auf eine Wohnung. Wie sich Benachteiligte wehren und Missstände melden können.
Wie leicht oder schwer bekommen Menschen in Bremen und Bremerhaven eine neue Wohnung und welche Rolle spielen dabei das Aussehen, die Religion oder andere individuelle Merkmale? Nach Bekanntwerden der Recherchen von buten un binnen wurde Mitte Mai 2021 deutlich, dass die städtische Bremer Wohnungsbaugesellschaft Brebau Menschen offenbar systematisch bei der Wohnungssuche diskriminiert hat. Während entsprechende Untersuchungen nach den Rassismus-Vorwürfen noch laufen, suchen täglich Bremerinnen und Bremer nach einer neuen Wohnung. Wer das Gefühl hat, dabei benachteiligt zu werden, kann selbst aktiv werden.
An wen können sich Menschen wenden, die das Gefühl haben, bei der Wohnungssuche benachteiligt worden zu sein, zum Beispiel aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Namens, der Religion oder Sexualität?
Eine spezielle Beratungsstelle für Fälle von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gibt es laut dem Sprecher des Bremer Sozialressorts zwar nicht, Hilfe finden Betroffene trotzdem. Die Bremer Verbraucherzentrale empfiehlt einen Blick auf die allgemeine Übersichtsseite der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport. In der Auflistung finden sich direkte Kontakte zu Beratungsstellen unterschiedlicher Themen, wie die Benachteiligung aufgrund der Herkunft, einer Behinderung, des Geschlechts, des Alters oder der sexuellen Identität. Auch für Opfer von Gewalt bietet Bremen diverse Beratungsangebote, zudem finden Hilfesuchende Informationen in verschiedenen Sprachen. Neben Bremer Anlaufstellen bietet auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes weitere Informationen, insbesondere zu rechtlichen Fragen.
Welche Formen von Diskriminierung können bei der Wohnungssuche auftreten?
Laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes umfasst der Diskriminierungsschutz sechs Diskriminierungsgründe: Alter, Behinderung, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung sowie sexuelle Identität. "Bei der Auswahl der Mieterinnen und Mieter dürfen die genannten Diskriminierungsgründe keine Rolle spielen – weder bei der Vermietung noch bei der Beendigung eines Mietverhältnisses", sagt der Sprecher Sebastian Bickerich.
Was sollten Betroffene wissen oder bei einer Wohnungsanfrage beachten?
Der Beweis für eine Diskriminierung sei in der Regel nicht einfach zu erbringen, sagt Bernd Schneider. Der Sprecher des Bremer Sozialressorts kennt trotzdem Wege, eine Benachteiligung zu belegen, wie beispielsweise das sogenannte "Testing-Verfahren". "Es ist zulässig, einen Bekannten, Freund oder eine Freundin zu bitten, unter einem deutschem Namen erneut nach derselben Wohnung zu fragen", sagt Schneider. Zeige sich dann, dass sie doch nicht vermietet ist und dem Mietinteressenten angeboten wird, sei das ein Indiz für eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft.
Welche Dokumente sollten man aufbewahren und sichern, damit sie später als "Beweisstück" vorliegen?
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes rät dazu, Gedächtnisprotokolle von Telefonaten oder Gesprächen anzufertigen. Wohnungsanzeigen und schrifltiche Korrespondenzen mit Vermietern sollten laut Verbraucherzentrale ausgedruckt und aufbewahrt werden. "Zu Wohnungsbesichtigungen oder Treffen mit Vermietern sollte man am besten auch immer eine Person seines Vertrauens mitnehmen, die im Streitfall dann mündliche Äußerungen bezeugen kann", sagt Gerrit Cegielka von der Bremer Verbraucherzentrale.
Was gilt überhaupt als Diskriminierung und ab wann sollte man stutzig werden?
"Die Angabe in Wohnungsanzeigen "Wir vermieten nicht an Ausländer" oder "Keine Flüchtlinge!" ist sicherlich unmittelbar diskriminierend im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes", sagt Cegielka. Der Experte für Verbraucherrecht betont, dass Betroffene nicht nur Anspruch auf Unterlassung der Diskriminierung haben, sondern gegebenenfalls auch auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld. "Der Hinweis, es werde nur an Menschen vermietet, deren Aufenthaltstitel länger als drei Jahre gilt, kann ein Indiz für eine mittelbare Diskriminierung sein", so der Experte. Eine andere Form der Benachteiligung liegt laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes vor, wenn von manchen Bewerbenden bestimmte Unterlagen, wie zum Beispiel "freiwillige Mieterselbstauskünfte", gefordert werden, von anderen jedoch nicht.
Wie weit verbreitet sind Diskriminierungen und Benachteiligungen bei der Wohnungssuche?
Laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist das Problem weit verbreitet. "Beim Beratungsteam der Antidiskriminierungsstelle sind seit 2006 etwa 1.500 Fälle von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt wegen der ethnischen Herkunft eingegangen", sagt Bickerich. Eine Studie der Bundesstelle hat zudem ergeben: Rund 15 Prozent der Befragten, die in den letzten zehn Jahren eine Wohnung gesucht haben, haben dabei Diskriminierungserfahrungen aus rassistischen Gründen, wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder der Herkunft aus einem anderen Land gemacht. "Jeder dritte Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund berichtete der Umfrage zufolge von rassistischer Diskriminierung", sagt Bickerich. Er rät dringend dazu, eine der kostenlosen Beratungen in Anspruch zu nehmen. Das zuständige Bremer Referat erreichen laut Behördensprecher jährlich etwa drei bis fünf Anfragen.
Welche Aussicht auf Erfolg haben Beschwerden oder Klagen?
Hier sind zeitliche Fristen entscheidend. Laut Sebastian Bickerich haben Betroffene nur zwei Monate Zeit, um Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend zu machen. "Die Frist beginnt, sobald sich die Diskriminierung ereignet hat, beziehungsweise sobald Sie von der Benachteiligung Kenntnis genommen haben", sagt Bickerich. Wer unsicher ist, könne stets die Antidiskriminierungsstelle des Bundes um eine kostenlose rechtliche Einschätzung einer möglichen Klage bitten, so Bickerich.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 7. Juni 2021, 19:30 Uhr