Diese ukrainische Schauspielerin hat Sehnsucht nach Bühnenluft

Das Kindermärchen "Die Froschprinzessin" ist neu auf der Bühne der Bremer Shakespeare Company. In der Hauptrolle: Yuliya Kovtun aus der Ukraine. Wir haben sie bei den Proben besucht.

Die Assistenten bauen sorgfältig die Dekoration auf der Bühne auf, die Schauspieler in fabelhaften Kostümen und Make-up konzentrieren sich auf die Wiederholung des Textes, der Regisseur geht hier und dort hin und hat alles im Blick. Sie alle bringen "Die Froschprinzessin" im Dezember auf die Bühne der Bremer Shakespeare Company.

Die Schauspielerin Julia Kovtun bei einer Performance.
Für Yuliya Kovtun ist das Schauspiel die beste Ablenkung von ihren Sorgen. Bild: Radio Bremen

Schauspielerin Yuliya Kovtun (22 Jahre alt) aus der ukrainischen Stadt Sumy spielt in dem Stück die Hauptrolle der Prinzessin, die sich von einem hässlichen grünen Frosch in ein wunderschönes Mädchen verwandelt. Die Schauspielerin spricht auf der Bühne Deutsch, obwohl sie vor ein paar Monaten noch kein Wort verstanden hat. Kovtun kommuniziert mit Kollegen im Theater nur auf Englisch und hat die Sätze für das Stück auf Deutsch gelernt – ihre Kollegen erklärten ihr die Bedeutung.

Sprache war die größte Herausforderung. Weder Englisch noch Deutsch sind meine Muttersprachen, und es ist schwierig für mich als Schauspielerin, mich auf hohem Niveau auszudrücken. Ich habe die Sprache selbstständig online gelernt. Es ist erst eine Woche her, seit ich hier angefangen habe, Deutschkurse zu besuchen. Daher bin ich dem Direktor sehr dankbar, der mit mir individuell geprobt hat, damit ich die Sprache und Aussprache besser lernen konnte.

Yuliya Kovtun, Schauspielerin

So überwindete Kutkov nicht nur die sprachlichen Hindernisse

Neben dem Eins-zu-Eins Unterricht nahm der Regisseur des Stücks, Michael Meyer, Yuliya Kovtuns Text sogar mit einem Rekorder auf, damit sie ihn zu Hause anhören und nachsprechen konnte.

"Yulia ist Musikerin. Sie hat ein gutes Gehör und versteht die Sprache gut. Sie lernt, und wir stellen bereits in der Kommunikation mit ihr auf Deutsch um. Das einzige, was man in Yulias Aussprache hört, und das ist das Schönste, ich möchte es bewahren, ist ein slawischer Akzent. Der Frosch ist ein Fremder im Märchen, also kann er es sich leisten, anders zu klingen", sagt Meyer.

Aber die Herausforderung für mich als Regisseur war die Tatsache, dass Julia vor dem Krieg geflohen ist. Am Anfang ist man nicht ganz sicher, wie man sich verhalten soll, man weiß nicht, was diese Person erlebt hat.

Michael Meyer, Regisseur
Ukrainische Schauspielerin wird interviewt
Das Märchen "die Froschprinzessin" ist inspiriert vom slawischen Märchen „die Zarentochter Frosch“ aus einer Sammlung von Alexander Nikolajewitsch Afanasjew. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

Im März kam Kovtun nach Deutschland, auf der Flucht vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Die gesamte Familie der jungen Frau zog in verschiedene Städte in Europa. Nur ihre Großeltern sind noch in der Heimatstadt Sumy. Kovtun findet Erlösung von beängstigenden Gedanken über den Krieg in der Kreativität. Vor allem seit dem 24. Februar, dem Beginn des Großangriffs, hat sie die Bühne vermisst. "Ich fühle mich nur glücklich, wenn ich verliebt bin oder auf der Bühne stehe", sagt Kovtun. Sie versucht, ihre Emotionen in Kunst umzuwandeln, indem sie auf der Bühne steht oder Songs schreibt.

Interaktiver Ansatz für junge Zuschauer

Für Kinder zu spielen ist eine außergewöhnliche Erfahrung für sie. Dies ist nicht das erste Märchen in Kovtuns Leben. Davor spielte sie Schneewittchen in dem Stück "Schneewittchen und die 7 Zwerge". Als Schauspielerin sieht Kovtun eine Herausforderung für sich in einem Stück für junge Zuschauer, weil sie einen einzigartigen, interaktiven Ansatz braucht. "Ich liebe Märchen, und ich arbeite gerne für Kinder. Es ist auch eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, weil wir ihre Vorstellung vom Schönen prägen."

Ein Mann mit Bogen und eine Person als Frosch verkleidet auf der Bühne
Das Stück läuft noch bis zum 29.12.2022 im Theater am Leibnitzplatz. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

"Die Froschprinzessin" ist ein slawisches Märchen über Freundlichkeit und Toleranz, über eine reiche innere Welt und Liebe. Es gibt einen Märchenbären und Fische, die sprechen, eine böse Hexe, die die Prinzessin verzaubert hat, und natürlich – einen tapferen Prinzen, der seine Geliebte sucht und rettet. Das Stück ist zweisprachig: Auf der Bühne der Bremer Shakespeare Company wird das Märchen sowohl in deutscher als auch in ukrainischer Sprache gespielt.

Debüt auf Bremer Bühne

"Yulia ist bereit für Auftritte", sagt Regisseur Michael Meyer. Und er weist auf ihre besondere, emotionale Spielweise hin, die sich von der deutschen unterscheide. Yulias Bühnenpartnerin Svea Meiken Auerbach sagt, Yulia habe viel Energie in die Proben gebracht.

Eine Frau wird im Shakespeare Theater von einem Fernsehteam von buten un binenn interviewt
Co-Schauspielerin Svea Meiken Auerbach wird im Shakespeare Theater von einem Fernsehteam von buten un binen interviewt. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

"Die Froschprinzessin" ist Kovtuns erste Erfahrung auf einer professionellen deutschen Bühne. Glücklich über die Rückkehr in den Beruf denkt sie bereits über die Zukunft und die Entwicklung ihrer Karriere in Deutschland nach. "In Zukunft möchte ich nach Berlin ziehen und dort Karriere machen. Seit Beginn meines Theaterstudiums hat mich das deutsche Theater fasziniert. Ich habe Ostermeier und Erich Engel für meine Studienarbeiten ausgewählt, interessante Figuren in den Stücken von Bertolt Brecht gefunden, und an internationalen Theaterprojekten in Deutschland mitgewirkt. Daher hat mir die deutsche Theaterkultur schon immer gefallen." Kovtun sagt, dass sie für alle Herausforderungen des Lebens bereit ist und sich vor nichts mehr fürchtet.

Ich habe den Krieg überlebt, der an meinem Geburtstag begann, und ich habe bereits akzeptiert, dass ich an diesem Tag sterben könnte. Das alles habe ich überstanden und bin bereit für Neues.

Yuliya Kovtun, Schauspielerin

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    Anna Chaika Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. November 2022, 19:30 Uhr