Bremer Betriebe ächzen unter Bürokratie – hier sind 5 Beispiele
Der Handwerkskammer zufolge wenden 46 Prozent der Bremer Betriebe gut ein Fünftel ihrer Zeit für Bürokratie auf. So schildern die Unternehmer selbst die Probleme.
Bremer Handwerksbetriebe stört die ihnen auferlegte, staatliche Bürokratie. Dokumentationspflichten, Vorschriften und Formulare führen einer gemeinsamen Umfrage der Handwerkskammer Bremen und der Kreishandwerkerschaften Bremen und Bremerhaven-Wesermünde zufolge zu "massiven Beeinträchtigungen".
Von den 71 Handwerksbetrieben, die sich an der Umfrage beteiligt haben, gaben 46 Prozent an, ein Fünftel oder mehr ihrer Arbeitszeit für Verwaltungsaufgaben aufwenden zu müssen. Fast alle Betriebe stellten innerhalb der vergangenen zehn Jahre ein Anwachsen der Bürokratie fest.
Infolge der Bürokratie können sich die Betriebe häufig nicht so intensiv wie gewünscht um ihre Kernaufgaben kümmern.
Andreas Meyer, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Bremen
"Bürokratie ist in den meist kleinen Handwerksbetrieben, die über keine größeren Verwaltungsabteilungen verfügen, oft Chefsache", sagt Andreas Meyer, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Bremen.
Inhaber oder Geschäftsführer könnten sich deshalb weniger um essenzielle Aufgaben wie Kundenakquise, Digitalisierung oder die strategische Weiterentwicklung der Firma kümmern. "Um beides vereinbaren zu können, ist nicht selten zusätzliches Personal erforderlich", sagt der Handwerkskammer-Geschäftsführer. So hätten mehr als 40 Prozent der an der Umfrage beteiligten Betriebe angegeben, extra Personal für bürokratische Aufgaben eingestellt zu haben. Das wiederum steigere die Kosten und erhöhe die Preise für Kunden, sagt Meyer.
1 Bürostellen vervielfacht
Zu den betroffenen Betrieben zählt auch die Dachdeckerei Behr. Der 1946 gegründete Familienbetrieb aus Bremen-Walle beschäftigt rund 35 Mitarbeiter. "Wir sind im Büro mit acht Leuten", sagt Geschäftsführer Christian Behr. "Meine Eltern haben das in den 90er Jahren zu zweit gemacht." Das zeige, welcher Aufwand durch Regularien, Listen, Forderungen oder Anträge inzwischen bearbeitet werden müsse.
Wo früher ein Zettel gereicht hat, brauchen wir heute einen Ordner.
Christian Behr, Geschäftsführer der Dachdeckerei Behr
"Ich kenne das zwar nur so", sagt der 34-Jährige, der die Geschäftsführung gemeinsam mit seinem Bruder 2018 übernommen hat. Dennoch gibt es seiner Meinung nach Auflagen, deren Notwendigkeit angesichts des Aufwand zumindest fragwürdig seien. So müsse sein Betrieb alle drei Monate eine Statistik der aktuellen Baupreise an die Verwaltung schicken. Für bestimmte Transporte, beispielsweise Container mit alten Asbestprodukten, müsse seine Dachdeckerei stets einen Begleitschein ausfüllen und dabei haben. Darum kümmere sich im Betrieb extra eine Mitarbeiterin.
2 Krankschreibung wird zur "Holschuld"
Einen hohen Aufwand habe auch die 2023 eingeführte elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit sich gebracht, sagt Behr. "Früher war die Krankschreibung eine Bringschuld der Mitarbeiter, jetzt ist es eine Holschuld der Betriebe."
Betriebe seien aber nur dann in der Lage, diese Holschuld zu erfüllen, wenn die Ärzte mitspielten und die Krankschreibungen auch verarbeiteten. "Wir haben aber Mitarbeiter, da haben wir – ohne deren Verschulden – nach zwei Wochen immer noch keine Krankmeldung", sagt Behr. Am schlimmsten sei dies, wenn die Krankschreibung zur Lohnabrechnung noch nicht da sei. "Da muss man nachträglich Korrekturen fahren. Und das ist zeitintensiv."
3 Statistiken für den Staat
David Flügger, Geschäftsführer des auf Anlagen- und Gebäudetechnik spezialisierten Unternehmens Team Funke, kämpft ebenfalls mit der Umstellung auf die elektronische Krankschreibung. Der Unterschied: Er muss die Dokumente für sogar 140 Mitarbeitende koordinieren, an Standorten in Bremen, Twistringen und Wildeshausen. "Wenn Sie da in der Erkältungssaison 15 bis 20 Krankheitsfälle haben und alles einzeln abrufen müssen, dann sind sie schon eine Weile beschäftigt", sagt Flügger.
In der Zeit würde ich lieber Schulungen organisieren oder Stellenanzeigen schreiben.
David Flügger, Geschäftsführer von Team Funke
Fälle von unnötiger Bürokratie gebe es viele, sagt Flügger. "Ich habe erst diese Woche wieder eine Mahnung bekommen, dass ich den Vierteljahresbericht im Ausbaugewerbe noch nicht abgegeben habe", sagt er und lacht. In dem Bericht müssten Betriebe Umsatzzahlen für das Ausbaugewerbe angeben, von Heizung, über Sanitär bis Elektro. Darüber hinaus würden Mitarbeiterzahlen und Einkommensdurchschnitte abgefragt.
"Das Problem ist, dass ich kein SAP-System habe, das mir so ein Reporting per Mausklick ausdruckt", sagt Flügger. Er müsse das selbst ausrechnen. "Da gehe ich dann hin, trenne die Lohnempfänger von den Gehaltsempfängern, schreibe das händisch auf und tickere das da rein." Einmal im Jahr sei dann noch der Jahresbericht fällig. Und an die gleiche Statistikabteilung müsse auch noch ein Investitionsbericht geschickt werden.
4 Beratungsprotokolle nach der Beratung
Auch der Kundenkontakt sei durch Bürokratie geprägt. "Wenn wir den Kunden ein neues Heizungstechnik-Produkt verkaufen, dann haben alle Beteiligten ja schon Vor- und Nachteile abgewogen und besprochen. Dennoch müssten seine Mitarbeitenden dann noch ein achtseitiges Beratungsprotokoll über die Vor- und Nachteile von Heiztechnik mit den Kunden durchgehen, das sogenannte GEG-Beratungsprotokoll. "Das dauert eine halbe Stunde, und in der Realität interessiert das den Kunden nicht", sagt Flügger.
5 Anträge für jede einzelne Förderung
"Kunden wollen stattdessen wissen, wie viele Fördergelder sie bekommen können", sagt Flügger. Doch auch hier mache es die Bürokratie den Betrieben schwer. Denn für jede Förderung gebe es ein eigenes Antragsverfahren.
Statt eines Portals, wo der Betrieb alle Dokumente hinterlegt und wo es auch anteilig gezahlt werden kann, gebe es einen Förderantrag für jede Förderung. Hier wäre ein einheitliches Portal hilfreich, sagt der Unternehmer. "Ein Staats-Amazon wäre einfach großartig."
Quelle: buten un binnen.