Interview
Bremer Chefarzt: "Selbstgespräche helfen, den Alltag zu strukturieren"
Wer bei einem Selbstgespräch erwischt wird, fühlt sich oft ertappt. Dabei sind Selbstgespräche – ob laut ausgesprochen oder nicht – doch eigentlich ganz normal, oder?
Peter Bagus ist Chefarzt an der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Bremen-Ost in Osterholz. Auch er kennt Selbstgespräche und weiß, wann diese völlig unbedenklich sind – und wann nicht.
Sind Selbstgespräche eigentlich normal, Herr Bagus?
Unbedingt. Wir führen alle Selbstgespräche. Aus meiner Sicht gehören sie zum Alltag dazu. Ich selbst habe mich heute Morgen mit einem Selbstgespräch auf dieses Interview vorbereitet. Ich habe mir überlegt, was für Fragen mich erwarten und was ich dazu sagen kann. Selbstgespräche sind also etwas ganz Normales.
Führen Menschen mit geringem Selbstwertgefühl und negativen Gedanken häufiger Selbstgespräche?
Das kann gut sein. Menschen mit diesen Eigenschaften sind Menschen, die auch häufiger zu depressiven Verstimmungszuständen neigen. Mit diesen Menschen habe ich häufig in meinem beruflichen Alltag zu tun. Da sind schwierige und negativ getönte Selbstgespräche oder auch innere Formeln, die eher bremsend und hemmend wirken, durchaus eine häufigere Thematik. Andererseits gibt es aber positive Selbstgespräche, die helfen zu motivieren, den Alltag zu strukturieren, die uns alltäglich begleiten.
Ab wann sollte man sich bei Selbstgesprächen Gedanken machen und Hilfe suchen?
Schwierig wird es dann, wenn Selbstgespräche zu sehr den Alltag dominieren – wenn soziale Kontakte fehlen, Gespräche vis-à-vis nicht mehr stattfinden, Beschäftigung mit sich selbst und die Isolation von anderen einen großen Raum einnehmen. Schwierig wäre es sicher auch, wenn es immer um negative Dinge geht.
Die meisten machen es bereits und haben es für sich nur nicht als Selbstgespräch abgespeichert.
Peter Bagus, Chefarzt an der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum Bremen-Ost
Was sind Vorteile von Selbstgesprächen?
Ich glaube, die meisten machen es bereits und haben es für sich nur nicht als Selbstgespräch abgespeichert. Wenn man etwas vorhat und das vorher durchgeht, das kennt sicher jeder. Man hat es aber eher als Gedächtnisstützen abgespeichert. Das sind aber durchaus Selbstgespräche, die helfen zu ordnen, zu strukturieren, den Tag zu planen – und auch ein Stück Motivation geben.
Können die Gespräche auch in Gedanken passieren oder sind sie zwingend laut?
Das geht auch gedanklich. Es muss kein Gespräch sein, das jemand anderes hört. Auffällig ist es nur, wenn jemand Selbstgespräche führend durch die Gegend läuft und die Reaktionen von außen gar nicht mehr mitbekommt. Ansonsten bekommen viele andere es gar nicht mit. Und auch wenn, es ist etwas Alltägliches.
Das Gespräch führten Katharina Guleikoff und Jens-Uwe Krause für Der Morgen bei Bremen Eins. Aufgeschrieben und redigiert hat es Alec Gosewisch.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 21. November 2024, 9:15 Uhr