Ein sicheres Bremen? Wie welche Partei nach der Wahl dafür sorgen will
Viele Bremer haben Angst vor Kriminellen auf den Straßen. In der Wahl-Mobil-Reihe haben wir Bremer Politiker gefragt, was sie dagegen tun wollen. Die wichtigsten Aussagen.
Drogenkonsum in aller Öffentlichkeit, Gewalt und Diebstähle auf den Straßen: viele Menschen in Bremen und Bremerhaven fühlen sich in ihrem Umfeld nicht sicher. Von den Radio Bremen Meinungsmeldern sind es sogar 56 Prozent.
Radio-Bremen-Moderatorin Anja Goerz wollte deshalb von ihren Gästen aus der Politik am Dienstag im Bürger- und Sozialzentrum Huchting wissen, was sie dagegen tun wollen. Die konkreten Fragen an die Politik kamen dabei – wie immer in der Reihe "Wahl-Mobil" – aus dem Publikum. Die großen Themen und die wichtigsten Aussagen des Abends im Überblick:
1 Brennpunkt Bremer Hauptbahnhof
Der Bremer Hauptbahnhof gilt vielen Bremerinnen und Bremern derzeit als Brennpunkt Nummer Eins in Bremen. Das spiegelt sich auch in der jüngsten Befragung der Radio Bremen Meinungsmelder zum Thema Innere Sicherheit wider. Darin plädieren 75 Prozent der Befragten für ein Drogen- und Alkohol-Verbot am Bremer Hauptbahnhof.
Björn Fecker, Fraktionsvorsitzender der Bremer Grünen, hält dagegen nichts von einem solchen Verbot. Denn es sei nicht möglich, dass gesamte Bahnhofsumfeld entsprechend zu kontrollieren. Nelson Janßen, Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion, sowie Marcel Schröder aus dem Landesvorstand der Bremer FDP, sehen das ähnlich.
Jan Timke, Vorsitzender der Bürger in Wut, hält das Drogen- und Alkohol-Verbot am Bremer Hauptbahnhof dagegen für sinnvoll und glaubt auch, dass man es durchsetzen könnte. Das sagt auch Heiko Strohmann, Fraktionsvorsitzender der CDU. Aus seiner Sicht verunsichert zudem das neue Polizeigesetz die Beamten: "Sie wissen nicht, was sie dürfen", so Strohmann. Gäbe es am Bahnhof ein Drogen- und Alkoholverbot, wäre klar, dass die Polizei dort bei Zuwiderhandlung Platzverbote aussprechen könnte.
2 Drogen-Szene am Bremer Hauptbahnhof
Linken-Politiker Nelson Janßen hält es für eine Illusion, dass man die Drogen-Problematik in den Griff bekommen kann, indem man am Bahnhof Dealer "austrocknet": "Es wird nicht funktionieren, dass wir mit Druck auf die Dealer das Angebot wegnehmen", so Janßen. Es komme viel mehr darauf an, Drogensüchtigen Ausstiegsangebote anzubieten und auf die Einrichtung des in Bahnhofsnähe geplanten Konsumraums.
Das sieht Björn Fecker von den Grünen ähnlich: "Ist doch klar, dass wir ein Angebot machen müssen für die kranken Menschen vor Ort", so Fecker. "Polizeilicher Druck ohne Grenzen" auf die Drogenszene am Bahnhof helfe nicht weiter.
Marcel Schröder von der FDP sagte zum Thema "Drogenkonsumräume", dass diese in anderen großen Städten längst Standard seien: "Da hängen wir hinterher." Er wünsche sich für die Realisierung mehr Tempo vom Senat.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) legte im Bürger- und Sozialzentrum Huchting Wert auf die Feststellung, dass sein Ressort sehr viel unternehme, um zu verhindern, dass die Drogen-Problematik am Hauptbahnhof weiter ausufert. Die Polizei stehe den Dealern am Bahnhof auf den Füßen: "Wir haben, glaube ich, am Bahnhof keinen Dealer mehr, dessen Wohnung nicht durchsucht wurde", so Mäurer. Trotzdem dürfe man sich keine großen Illusionen machen.
Wenn wir drei Dealer dauerhaft aus dem Verkehr ziehen – am nächsten Tag sind vier neue da.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD)
Auch die Lage der Abhängigen sei komplizierter geworden in der jüngeren Vergangenheit: "Die Crack-Szene stellt uns für neue Herausforderungen", sagt Mäurer. Crack-Süchtigen helfe kein Methadon. Methadon kann Heroin-Abhängigen kontrolliert verabreicht werden, um ihnen so langfristig aus der Sucht zu helfen. Bremen kooperieren mit anderen Städten, um Betroffenen dieses künstliche Heroin verabreichen zu können.
Davon unabhängig findet FDP-Politiker Marcel Schröder dennoch, dass Bremen härter gegen Dealer vorgehen muss. Auch müsse Bremen für zusätzliche "niedrigschwellige Ansprechpartner" im und um den Bahnhof sorgen, dann die sich die Menschen wenden könnten, wenn sie sich unwohl fühlten in der Nähe der Süchtigen und der Dealer. Die Polizei reagiere oft zu langsam.
3 Sicherheitsgefühl im ÖPNV
Vielen Radio Bremen Meinungsmeldern fehlt auch in Bremens Bussen und Bahnen sowie in den Nahverkehrszügen das Gefühl der Sicherheit. Anja Goerz konfrontierte daher Innensenator Mäurer mit der Frage, wie er im und rund um den ÖPNV für mehr Sicherheit sorgen wolle. Mäurer stellte klar: "Die Polizei kann es nicht allein lösen." Bremen brauche mehr Sicherheitsdienste, ähnlich wie in Berlin.
Auch müsse Bremen die Videoüberwachung an Haltestellen und in den Bussen und Bahnen weiter ausbauen. Schließlich wolle er den Ordnungsdienst von derzeit rund 70 auf über 100 Personen vergrößern. Mäurer sagte, dass Bremen aufgrund seiner langjährigen Finanzkrise lange massiv Personal abgebaut habe: "Das hat uns nicht gutgetan", so der Senator. Jetzt müsse Bremen wieder Personal aufbauen.
CDU-Politiker Heiko Strohmann hielt Mäurer entgegen: "Es geht nicht darum, was man könnte."
Die Regierung spricht immer im Konjunktiv.
CDU-Politiker Heiko Strohmann
Jan Timke von den Bürgern in Wut unterstrich in diesem Zusammenhang seine Forderung, dass die Strafverfolgung intensiviert werden und die Strafe auf dem Fuße folgen müsse. Die Verfahren in Bremen dauerten zu lang. Die gesamte Justiz müsse personell aufgestockt werden.
Auch FDP-Politiker Marcel Schröder findet, dass die Staatsanwaltschaft und der Justizvollzug besser ausgestattet werden müssen. Schröder betonte zudem, dass unter einer besseren Ausstattung nicht nur Personal zu verstehen sei, sondern auch digitale Technik. Er kritisierte, dass die Polizei im Außendienst noch viel mit Zettel und Stift arbeiten müsse statt mit mobilen Endgeräten: "Die Ausstattung der Polizei muss auf neuesten Stand gebracht werden", so Schröder.
4 Wie kann Bremen mehr Polizisten gewinnen?
Um die Polizei weiter zu verstärken, kann sich Björn Fecker von den Grünen vorstellen, mehr Quereinsteiger als bislang einzustellen und weiter viele Polizisten auszubilden. Senator Mäurer betonte in diesem Zusammenhang, dass das Land Bremen entgegen anders lautenden Gerüchten heute so viele Polizisten beschäftige wie noch nie seit 23 Jahren. Demnach werden es demnächst 2.900 sein, in wenigen Jahren über 3.000.
Jan Timke von den Bürgern in Wut findet, dass Bremen dennoch zu wenig Geld für die Polizei ausgibt. Bremerhaven habe kürzlich Polizisten in den Ruhestand geschickt, obwohl diese noch gern weitergearbeitet hätten. Die Begründung: Es gebe kein Geld. Timke sprach von einem "falschen Signal an die Bürgerinnen und Bürger".
CDU-Politiker Heiko Strohmann hielt Ulrich Mäurers Zahlen zur Polizei entgegen: "Entscheidend ist nicht die Personalstärke, sondern die Ausstattung." Die Polizei habe nicht nur zu wenig digitale Endgeräte, sondern auch zu wenig Taser. Das sieht auch FDP-Politker Schröder so: Der Taser sei ein milderes Mittel als die Schusswaffe, könne aber Täter ruhigstellen. Es sei nicht klug, darauf zu verzichten.
Nelson Janßen aus der Bremer Linksfraktion stellte dagegen klar: "Wir sind gegen den flächendeckenden Einsatz von Tasern." Die Elektroschocker sollten Spezialkräften vorbehalten sein. Sie könnten keine Schusswaffen ersetzen, wären daher ein zusätzliches Einsatzmittel.
5 Struktur der Polizei
Jan Timke von den Bürgern in Wut findet, dass Bremens Polizeireform ein Fehler gewesen sei: "Wir müssen zurück zur dezentralen Polizeistruktur", so Timke. Bremen brauche wieder mehr Polizeiwachen in den Stadtteilen: "Sicherheit kostet nun einmal Geld." Björn Fecker von den Bremer Grünen dagegen verteidigte auf dem Podium die Idee der Zentralreviere. Die kleinen, dünn besetzten Reviere in den Stadtteilen hätten den Bürgerinnen und Bürgern letztlich nicht viel gebracht.
Ulrich Mäurer betonte mit Blick auf die Ausstattung der Polizei, dass eine Modernisierung zwar wünschenswert, aber eben auch teuer sei: "Bremen ist nun leider nicht die Kommune, wo das Geld rumliegt", so der Senator. Dem hielt FDP-Politiker Schröder entgegen, dass man auf lange Sicht Geld spare, wenn man in die digitale Ausstattung investiere. Heiko Strohmann warf dem Senat vor, 600 Millionen Euro aus den Bremen-Fonds zweckentfremdet ausgegeben zu haben, also nicht um Corona-Folgen abzufedern. Daher finde er es unpassend, wenn der Senat mit Geldnöten argumentiere.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. April 2023, 19.30 Uhr