Fragen & Antworten
Wer regiert Bremen: Rot-Grün-Rot oder Große Koalition?
Bremens Sozialdemokraten um Andreas Bovenschulte können entscheiden, mit wem sie in den nächsten vier Jahren regieren werden. Hiervon hängt es ab.
So gefragt wie dieser Tage ist Bremens SPD-Spitze nur selten bei der Konkurrenz. Der Grund: Die SPD kann entscheiden, mit wem sie in Koalitionsverhandlungen für ein neues Regierungsbündnis einsteigen möchte. Grüne und Linke, die bisherigen Koalitionspartner, wären grundsätzlich auch künftig gern dabei. Nicht ganz zufällig sprechen sie gerade viel über Erfolge, die man gemeinsam in den vergangenen vier Jahren errungen habe.
Doch auch die CDU wirbt um die Gunst der Sozialdemokraten, möchte mit ihnen eine Große Koalition (Groko) eingehen. Frank Imhoff und Wiebke Winter, das Spitzenkandidaten-Tandem der CDU, spricht daher davon, dass die Bremer Bevölkerung einen "Aufbruch" wolle. Und das gehe nur mit ihnen, mit der CDU. Gleichzeitig beschwört CDU-Landeschef Carsten Meyer-Heder große Schnittmengen zwischen seiner Partei und der SPD in Fragen der Inneren Sicherheit und der Verkehrspolitik. Ob sich die SPD für Rot-Grün-Rot oder für die Groko entscheiden wird, hängt wohl vor allem von diesen Faktoren ab:
Was spricht für eine neue rot-grün-rote Koalition?
Außer Frage steht, dass die Entscheidung über das neue Regierungsbündnis hauptsächlich von der SPD getroffen wird. Sie hat die Wahl gewonnen, an ihr führt kein Weg vorbei. Klar ist auch, dass es sich die SPD-Spitze weder mit ihren Wählerinnen und Wählern noch mit ihrer Basis verderben will. Einer Infratest dimap-Umfrage vom Wahltag zufolge sind die SPD-Anhänger zwar keine glühenden Verfechter der rot-grün-roten Koalition. Lediglich 54 Prozent sehen hierin ein gutes Bündnis. Allerdings wäre ihnen Rot-Grün-Rot deutlich lieber als eine Große Koalition. Nur 35 Prozent der SPD-Anhänger hielten die Groko für eine gute Lösung.
Zu den Vorlieben der SPD-Basis liegen zwar keine Zahlen vor. Meist liegen die SPD-Basis und die Anhänger der Partei aber dicht beieinander. Anders gesagt: Auch die SPD-Basis würde Rot-Grün-Rot der Groko wahrscheinlich mehrheitlich vorziehen.
Was spricht noch für Rot-Grün-Rot?
Bürgermeister Bovenschulte betont immer wieder, welch’ gute Arbeit die rot-grün-rote Koalition in den vergangenen vier Jahren geleistet habe. Jetzt könnte seine SPD dieses Bündnis gestärkt fortführen, vielleicht sogar mit fünf von neun statt – wie derzeit – mit vier von neun Senatorinnen und Senatoren. Die SPD könnte in diesem neuen alten Bündnis mehr durchsetzen als in der auslaufenden Legislatur – und genau darauf kommt es Bovenschulte erklärtermaßen an: auf die starke sozialdemokratische Handschrift. Die SPD will so viel möglich aus ihrer eigenen Agenda durchsetzen.
Zudem ähneln die Positionen der SPD insbesondere in der Sozial-, der Bildungs- und auch der Wirtschaftspolitik jenen der Grünen und Linken mehr als denen der CDU. Aktuelles Beispiel: der Ausbildungsfonds, den der Senat gerade auf den Weg gebracht hat. Unternehmen müssen in einen Fonds einzahlen. Nur, wer ausbildet, wird aus dem Topf finanziell unterstützt: ein rot-grün-rotes Gemeinschaftsprojekt. Die CDU aber ist strikt dagegen. Sie sieht das Problem im Mangel an qualifizierten Bewerbern, nicht bei fehlenden Ausbildungsplätzen.
Was sind Argumente für eine Große Koalition?
Das berühmte "Weiter so" ist unpopulär. Die SPD könnte ihren Anhängern eine Aufbruchstimmung in einem neuen Bündnis wahrscheinlich besser verkaufen als in einer weiteren Koalition mit den Wahlverlierern der Grünen. Auch ist die Zusammenarbeit des rot-grün-roten Bündnisses in den vergangenen vier Jahren längst nicht immer so reibungslos abgelaufen, wie es die Bündnispartner gerade gern darstellen. Gerade Grüne und Linke, zumal die Senatorinnen Schaefer und Vogt, hatten sich mehrfach in den Haaren. In einem Zweier-Bündnis mit der CDU könnte die SPD möglicherweise einfacher reagieren, sofern es ihr gelänge, die größten Konfliktherde im Zuge der Koalitionsverhandlungen von vornherein auszuräumen.
Was spricht noch für eine Große Koalition?
Es stimmt, was Bremens CDU-Chef Carsten Meyer-Heder sagt: Es gibt große Schnittmengen zwischen SPD und CDU zu Fragen der Inneren Sicherheit und zur Verkehrspolitik. Beide wollen die Taktung des öffentlichen Personalverkehrs verbessern. Beide wollen das aufgesetzte Parken auf Gehwegen – ein großes Streitthema in der Stadt Bremen – zumindest übergangsweise und örtlich tolerieren, wenn genügend Platz für Kinderwagen und Rollstuhlfahrer bleibt. Beide wollen das Radwegenetz ausbauen.
Ähnlich das Bild bei der Inneren Sicherheit: Beide Parteien wollen die Polizei personell verstärken. Beide wollen mit einer speziellen Einheit Cyberkriminalität bekämpfen. Beide setzen auf mehr Präsenz von Ordnungsdienst und Polizei an Brennpunkten wie dem Bremer Hauptbahnhof. Zwar lesen sich die Positionen der CDU zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität im Wahlprogramm etwas rigoroser als die der SPD. Große Unterschiede sind hier aber nicht zu erkennen.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) könnte seine Pläne für die Innere Sicherheit Bremens in einer Koalition mit der CDU vermutlich leichter realisieren als mit seinen derzeitigen Koalitionspartnern aus Grünen und Linkspartei. Das betrifft etwa die Videoüberwachung im öffentlichen Raum sowie den Einsatz von Tasern (Elektroschock-Waffen). Beides würde Mäurer in Bremen gern ausbauen. Doch die Grünen, mehr noch aber die Linken haben dagegen Vorbehalte.
Hängt wirklich alles von der SPD ab? Haben die anderen Parteien nichts zu entscheiden?
Doch, natürlich. Die SPD ist zwar siegreich aus der Wahl hervorgegangen und sitzt von allen Parteien am längsten Hebel. Sie darf es bei den Sondierungsgesprächen und später bei den Koalitionsverhandlungen aber auch nicht übertreiben. So hat beispielsweise Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) bereits deutlich gemacht, dass ihre Partei keinesfalls unter allen Umständen an der Macht klebe. Anders gesagt: Es muss am Ende eine Koalitionsvereinbarung stehen, mit der sich auch die Koalitionspartner der SPD identifizieren können – egal, wer das sein wird.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. Mai 2023, 19.30 Uhr