Woher kommt eigentlich der Weihnachtsbaum? Bremer Expertin klärt auf
Was eine geschmückte Tanne mit der Reformation zu tun hat und wo ein Baum mit Naschwerk in Bremen als Erstes auftauchte, erklärt eine Expertin des Focke-Museums.
Warum um alles in der Welt stellen wir uns zu Weihnachten eine Tanne ins Wohnzimmer? Wer ist auf diese Idee gekommen? Und woher kommt dieser Brauch? Auch wenn der Weihnachtsbaum in vielen Familien zum unverrückbaren Standard gehört, zu einem Ritual zwischen Feierlichkeit und Gemütlichkeit, auf den man sich das Jahr über freut, sind die Ursprünge des beliebten Baums gar nicht so klar.
Mal soll er ein Überbleibsel aus römischer Zeit sein, mal aus der in mittelalterlichen Gottesdiensten nachgestellten Szene der Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies. Eva aß in dieser Geschichte einen Apfel vom Baum der Erkenntnis – und verstieß damit gegen das einzige Verbot und wurde mit Adam aus dem Paradies vertrieben.
Und auch, wo der Weihnachtsbaum nun wirklich herkommt, ist nicht eindeutig nachzuweisen. So beansprucht man sowohl in Lettland als auch in Estland die Ursprünge für sich. Wahrscheinlicher aber ist es, dass die Tradition aus dem heutigen Südwesten Deutschlands und dem angrenzenden Elsass stammt, das damals deutsches Territorium war, meinen Historiker.
Südwesten und Elsass als "Wiege des Weihnachtsbaums"
Der erste mit Leckereien behangene Baum wurde vermutlich 1419 von einer Bäckerzunft in Freiburg im Breisgau aufgestellt. Zünfte waren mittelalterliche Handwerkervereinigungen. Für 1539 ist im Straßburger Dom ein Baum dokumentiert. Straßburg im Elsass war damals deutsches Territorium. Offenbar wurden diese Bäume in den Jahren danach so beliebt, dass man sich in der Stadt Freiburg gezwungen sah, das Baumschlagen zu diesem Zweck zu verbieten.
Der erste mit Naschwerk geschmückte Baum in Bremen ist im Jahr 1570 in einem sogenannten Amtsbuch dokumentiert. "Die Zünfte, in Bremen Ämter genannt, hatten Versammlungshäuser. In einem dieser Versammlungshäuser wurde 1570 ein Baum aufgestellt, der mit Äpfeln, Oblaten, Lebkuchen, aber auch Papierrosen geschmückt war", erklärt Raymonde Decker. Die Archäologin arbeitet im Bremer Focke-Museum.
Verschenkt wurden die Süßigkeiten vom Baum dann an Kinder und arme Menschen. Geschenkt wurde von oben nach unten.
Raymonde Decker, Archäologin im Bremer Focke-Museum
Grüne Zweige zur Wintersonnenwende
Wie aber kam die Tanne in die Wohnhäuser? "Es gab zu römischer Zeit das Ritual, sich zur Wintersonnenwende am 21. Dezember grüne Zweige ins Haus zu holen, auch, um böse Geister und Krankheiten zu vertreiben", beschreibt Decker. "Das war auch hier im Norden verbreitet."
Der Weihnachtsbaum in der Wohnstube verbreitete sich zuerst unter protestantischen Familien. In katholischen Familien war eine Krippe gängig, die die Geburt von Jesus im Stall nachstellt. Unklar ist allerdings, wie viel Martin Luther mit dem Weihnachtsbaum an sich zu tun hat. Allerdings verschob sich bei Protestanten die Tradition des Schenkens vom Nikolaustag, wie bis zur Reformation üblich, nach Weihnachten. Denn die Heiligenverehrung, und damit auch die des heiligen Nikolaus, war Luther ein Dorn im Auge.
Statussymbol des Bügertums – auch in Bremen
Bis Weihnachtbäume in jedem Haus angekommen waren, war es aber noch ein langer Weg. Beliebt wurden sie vor allem im 18. und 19. Jahrhundert – bei denen, die sie sich leisten konnten, Adel und Bürgertum. Wie Weihnachten in einer wohlhabenden Bremer Kaufmannsfamilie Ende des 19. Jahrhundert aussah, hat Magdalene Pauli (Pseudonym Marga Berck), die aus der Familie Melchers stammte, in ihren Kindheitserinnerungen aufgeschrieben. Der "Großvater kam mit einer Klingel in den großen, festlich erleuchteten Saal. Zwei Riesentannen strahlten dort im Silberglanz", schreibt die Autorin von "Sommer in Lesmona". Auf langen Tischen lagen die Geschenke – für die Kinder und die Bediensteten der Familie.
Auch der Schriftsteller und Übersetzer Rudolf Alexander Schröder wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in eine Bremer Kaufmannsfamilie geboren und erinnert sich in seinem Buch "Unser altes Haus" an Weihnachten in seiner Kindheit. Er berichtet von einem regelrechten Wettstreit der Weihnachtsbäume: So "galt es in der ganzen Verwandtschaft und Bekanntschaft – wenigstens unter uns Kindern – als ein Ehrenpunkt, womöglich den schönsten und vor allem den höchsten Baum zu haben, möglichst so hoch, dass der Weihnachtsstern oben gerade noch Platz hatte".
"Erst im 20. Jahrhundert standen Tannenbäume auch in ärmeren Haushalten", sagt Expertin Decker. In Zeiten vor einem gezielten Anbau der Bäume waren sie teuer und wohlhabenden Familien vorbehalten. Ebenso die Kerzen auf dem Tannenbaum.
Wachs war relativ teuer. Als man Kerzen aus Paraffin bekommen konnte, wurden sie erschwinglich.
Raymonde Decker, Archäologin im Bremer Focke-Museum
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 13. Dezember 2023, 7.50 Uhr