Diskussion in Bremen: Wie viel Macht für die EU?
Bürokratie, Migration, Klima: Vertreter der verschiedenen Fraktionen diskutierten im Wahlmobil in der Bremer Union-Brauerei über die wichtigsten aktuellen Themen.
Ob Klima, Migration oder Bürokratie: In vielen alltäglichen Fragen spielt die Europäische Union mit ihren Richtlinien eine Rolle. Doch in welche Richtung soll das europäische Bündnis steuern? Was soll besser werden, wie weit soll die EU in die nationale Politik hineinregieren können? Diese und weitere Fragen haben EU-Kandidaten und Kandidatinnen im Wahlmobil von buten un binnen in der Bremer Union-Brauerei am Dienstagabend erörtert. Moderator Felix Krömer führte durch den Abend. Die wichtigsten Aussagen im Überblick:
1 Zu viel Bürokratie?
Es ist für viele Bremer Meinungsmelder und -melderinnen ein leidiges Thema: Bürokratie. Regeln, Berichte und Richtlinien, die die Europäische Union Staaten, Unternehmen und Bürgern aufzwingt, und damit Entscheidungen lähmt. So sieht es manch ein Meinungsmelder. Doch für SPD-Politikerin Annika Barlach sollte man eher die positiven Seiten hervorheben.
Wenn wir nicht die EU hätten, um bestimmte Dinge zu regeln, hätten wir 27 verschiedene Regelungen. Das wäre für die Unternehmen nicht unbedingt einfacher.
Annika Barlach, SPD
Ähnlich sieht es Alexandra Werwath (Grüne). Ein Beispiel sei die Mindestlohnrichtlinie, die Armut in der gesamten Europäischen Union bekämpfen soll – und auch in Deutschland zu einer Lohnerhöhung führen könnte. Anders sieht es hingegen der CDU-Vertreter Mario Sander.
Aus unserer Sicht ist es ganz klar übers Ziel hinausgeschossen.
Mario Sander, CDU
Die CDU fordere einen Abbau bei bürokratischen Berichten um 25 Prozent und plädiert für mehr Vertrauen in Bürger und Unternehmen. Julian Flak von der AfD bemängelt, das werde seit Jahren gefordert, geschehen sei bislang das Gegenteil. "Kleine und mittelständische Unternehmen gehen an der Regulierungswut zugrunde." Celine Eberhardt (FDP) schließt sich an: Europa ähnele derzeit einem Bürokratiemonster. 57 Prozent der Bürokratiebelastung in Deutschland komme aus EU-Richtlinien. Für Lucas Fiola (Linke) sind Regeln jedoch notwendig, um Transparenz zu ermöglichen, Klima und Arbeitnehmer zu schützen.
2 Rolle des EU-Parlaments
Eine weitere Frage, die sich Gäste im Publikum stellen: Sind so viele Beamte und Institutionen in der Europäischen Union zwingend notwendig? CDU-Politiker Sander findet, man könnte eventuell straffen und die Aufgaben "mit einem kleineren Apparat bewältigen". AfD-Vertreter Flak plädiert für "weniger Zentralismus". Dem EU-Parlament fehlten wichtige Eigenschaften und seine Debatten würden in der Öffentlichkeit kaum verfolgt.
Es gibt eben keine gemeinsame europäische Öffentlichkeit.
Julian Flak, AfD
Seine Partei wolle die EU zu einem Bund von Nationen entwickeln, die in verschiedenen Bereichen auf freiwilliger Basis kooperieren. Linke-Kandidat Fiola kontert, dies sei doch nicht anders als eine Abschaffung der Europäischen Union. Barlach (SPD) wirft ein, man solle das Parlament stärken, nicht schwächen. Etwa durch die Möglichkeit, Richtlinien- und Verordnungsvorschläge einzubringen. EU-Kandidatin Werwath (Grüne) möchte das EU-Parlament weiter demokratisieren. Schnelleres Agieren innerhalb der EU sei zudem wichtiger als das Einstimmigkeitsprinzip. Derzeit erfordern mehrere sensible Entscheidungen im EU-Rat Einstimmigkeit, müssen also ohne Gegenstimmen getroffen werden.
3 Neue Schulden?
Für den Linke-Kandidaten Fiola sei die EU "eine große Chance". Man könne gemeinsam Schulden aufnehmen, um in Bildungs- oder soziale Politik zu investieren. Dabei schüttelt CDU-Kandidat Sander den Kopf: Es sei unredlich zu sagen, man drücke es der nächsten Generation auf. Fiola widerlegt:
Wenn jemand Geld ausgibt, kommt bei anderen das Geld an. Die Kredite, die wir jetzt aufnehmen, würden uns in Zukunft ein Vielfaches kosten.
Lucas Fiola, Linke
Massive Investitionen seien notwendig, um etwa Brücken zu sanieren und Firmen klimafreundlicher zu gestalten.
4 Migration
Für mehr als 80 Prozent der Meinungsmelder und -melderinnen ist die Europäische Union eine gute Sache. Doch immer wieder gibt es innerhalb des Bündnisses Streit um Themen wie die Migration. Der jüngst beschlossene Migrationspakt hat viel Kritik hervorgerufen. Grünen-Politikerin Werwath ist damit "nicht ganz so glücklich".
Es ist nicht die Antwort, bei einem drohenden Rechtsruck immer weiter Menschenrechte auszuhöhlen.
Alexandra Werwath, Grüne
Andererseits sei es eben nicht leicht gewesen, 27 Staaten zu einen. AfD-Politiker Flak findet, die EU habe sich damit "ein bisschen Zeit gekauft". Das Problem werde nicht an den Wurzeln gelöst. SPD-Politikerin Barlach sieht das Asylpaket hingegen als "ersten Schritt" in die Richtung eines Solidaritätsmechanismus auf europäischer Ebene. Denn Länder, die keine Asylbewerber aufnehmen wollen, müssen sich finanziell daran beteiligen. Doch die Tatsache, dass Familien mit Kindern an den Außengrenzen bis zu drei Monate festgehalten werden können, beäugt sie kritisch. Eberhardt (FDP) sieht das ähnlich. Ihr sei die Integration ankommender Menschen wichtig, die solle noch besser werden.
Anerkennungsverfahren, da müssen wir ansetzen, um Integration nach vorne zu bringen. Das beginnt bei den Integrationskursen, um die Sprachbarrieren wegzubekommen. Es geht dann weiter um die Flexibilisierung unseres Arbeitsmarktes.
Celine Eberhardt, FDP
5 Klima
Die EU-Klimastrategie ist ein weiterer Streitpunkt. Für CDU-Vertreter Sander könnten Veränderungen nicht über Nacht geschehen. "Das Ziel heißt Klimaneutralität: Wir müssen ein Datum setzen, das auch leistbar ist." Man habe sich auf 2050 verständigt, doch "es muss einen klaren Pfad geben zwischen jetzt und 2050". Für Werwath (Grüne) brauche die Automobilbranche in Deutschland diesbezüglich vor allem klare Ansagen.
Für Flak (AfD) sei hingegen verlässliche, bezahlbare Energie notwendig, sowohl für die Industrie als auch für Privatpersonen. Dafür brauche man verschiedene Quellen, vor allem der Kernkraftausstieg sei zu rasch beschlossen worden. Die Fokussierung auf E-Autos sei ebenfalls falsch. Für Eberhardt (FDP) unterstelle man den Unternehmen, dass sie im Bereich Mobilität nicht nachhaltig denken könnten. Die EU mische sich gerade in Unternehmensentscheidungen ein.
Für Barlach (SPD) sei es nicht sozial gerecht, wenn man CO2 immer nur teurer mache. Man brauche eine grenzüberschreitende "Stromunion", wo Strom ausgetauscht werden könne, Wasser-, Solar- und Windenergie ausgebaut würden. Die Linke findet eher, dass man "viel mehr Geld in die Hand nehmen muss", etwa um umzubauen. Unternehmen hätten per se kein Interesse daran, klimaneutral zu werden. Und Anteile an den Firmen erwerben, etwa durch die Investitionsstiftung der EU, um Transparenz zu gewährleisten.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. Mai 2024, 19:30 Uhr