Warum ein Theater bei Bremerhaven Bahnwagons zum DDR-Luxushotel macht

Mehrere Personen in Kostümen stehen vor einem Bahnwagon.
Bild: Das Letzte Kleinod

"Das Letzte Kleinod" führt sein Publikum in die Glanzzeit von DDR-Luxushotels – damals seltener Treffpunkt für Ost und West. So inszeniert das Theater Geschichte hautnah.

Sie gehörten zu den wenigen Orten, wo sich Ost und West im Osten trafen: Die HO-Hotels in der DDR. HO steht für Handelsorganisation, eine juristische Form des damaligen Volkseigentums. Sie standen für ein luxuriöses Stück deutscher Vergangenheit. Das Dokumentartheater "Das Letzte Kleinod" aus der Nähe von Bremerhaven erweckt eines dieser Hotels wieder zum Leben – in einem Eisenbahnzug. Ihre Inszenierung "Hotel Einheit" macht nun Halt am Bahnhof Geestenseth bei Bremerhaven.

Unter den Reisegruppen waren seinerzeit viele aus Russland, wie Verträge mit einem Berliner Reisebüro regelte – so heißt es im Theaterstück. Doch nicht nur Menschen aus der Sowjetunion oder dem Ostblock kamen in die Luxushotels der DDR. Auch Westdeutsche und Politprominenz waren zu Gast. Und das ergab eine spannende Mischung. Westkontakt war eigentlich streng verboten in der DDR. Kein Zufall also, dass auch die Staatssicherheit im hier beschriebenen Hotel Lunik ein und aus ging.

Theater tourt seit Wochen mit "Hotel Einheit" durchs Land

Die Künstlergruppe "Das Letzte Kleinod" tourt schon seit Anfang August mit dem Stück "Hotel Einheit" quer durch Deutschland. Angefangen haben sie in Eisenhüttenstadt und Frankfurt Oder. Aus diesen beiden Städten kommen die Zeitzeugenerzählungen, die sie in ihrem Stück verarbeiten. Seit Herbst letzten Jahres haben sie unter anderem mit Angestellten des damaligen Hotels Lunik gesprochen, erzählt Kleinod-Mitbegründerin Juliane Lenssen.

Das klingt vielleicht erstmal wie so ein Nischenthema, aber wir haben gemerkt, da geht es um ein Thema, was uns wichtig ist –, um Begegnungen zwischen Ost und West. Begegnungen, die teilweise auch tragisch verlaufen sind und die eingegriffen in Lebensläufe haben. Uns ist es ganz wichtig, dass wir Geschichte und Geschichten voneinander kennen.

Juliane Lenssen, Theater-Mitbegründerin

Auch nach mehr als 30 Jahren Wiedervereinigung sei es ein Thema, generationenübergreifend nach wie vor aktuell. Wie sah der Alltag in diesen Hotels aus, wie präsent war die Stasi, was waren die glücklichen Momente, was die Parallelen zu Westhotels und was für Begegnungen gab es überhaupt? All das versucht "Hotel Einheit" zu erzählen.

Theaterstück mit Original-Möbeln als Requisiten

Schauspielerin Waltraud Auer spielt eine der Angestellten im Hotel. Sie ist Jahrgang 1994. Geboren in Hessen, hat sie die Wende nicht selbst erlebt und den Eisernen Vorhang noch weniger.

Ost-West war bei uns nie ein Thema, am Frühstückstisch sozusagen. Da jetzt nochmal reinzuschnuppern aus einer anderen Perspektive, finde ich total spannend.

Waltraud Auer, Schauspielerin
Mehrere Personen stehen vor einem Bahnwagon.
"Das Letzte Kleinod" macht Ost-West-Geschichte lebendig. Bild: Das Letzte Kleinod

Das Ensemble besteht aus Freien Schauspielerinnen und Schauspielern aus der ganzen Republik. Aus dem Osten wie aus dem Westen. 

Theatergruppe hat viel Respekt vor Zeitzeugen

In 90 Minuten durchläuft das Publikum elf Szenen. Mit dem Halt am Bahnhof Geestenseth ist die Theatergruppe im Westen angekommen. Die Gruppe hat etliche Publikumsgespräche aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt im Gepäck.

Vor allem dieses ständige Kopfnicken, wenn Leute da sind, die Zeitzeugen sein könnten oder waren. Die fühlen sich gesehen und respektvoll behandelt. Und genau das ist uns auch immer wichtig: Wir haben Respekt vor diesen Geschichten.

Juliane Lenssen, Theater-Mitbegründerin

Die Erfahrungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wurden den Autoren des Theaters in die Hände gelegt. Umso behutsamer müsse man mit ihnen umgehen, so Lenssen. Beispielsweise mit der Geschichte einer Bedienung, die beim Bau des Stahlwerks in Eisenhüttenstadt einen Westunternehmer im Hotel kennenlernte.

Da hat man Beziehungen aufgebaut. Sie wurde schwanger, er war schon wieder abgereist. Und sie durfte keinen Westkontakt haben, das hätte nicht stattfinden dürfen. Das ging gar nicht.

Juliane Lenssen, Theater-Mitbegründerin

Stück mit Anspielungen und Witz

In der Folge durchsucht die Staatssicherheit ihre Wohnung, ihr Kind hat es in der Schule schwer. Sie verliert schließlich den Job im Hotel. In dem Stück stecken viele Anspielungen auf die witzigen Besonderheiten des Hotellebens in der DDR. Solche und andere Geschichten lassen den Gästen das Lachen darüber teils im Hals stecken. Schauspielerin Auer berühren diese Momente extrem.

Es sind die menschlichen Geschichten, egal in welchem Jahrhundert wir leben. Die Gefühle, die Menschen da durchmachen und mit denen sich dann andere Menschen identifizieren können, bleiben irgendwie immer auf einer Ebene. Das verbindet uns alle.

Waltraud Auer, Schauspielerin

Das Stück lässt sich Erweiterung für die Geschichtsbücher verstehen – persönlich, nah an und mit den Menschen, die es betrifft und betraf. Zu sehen ist es bis zum 15. September, immer um 18 Uhr am Bahnhof in Geestenseth.

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Autor

  • Heinrich Pfeiffer

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Tag, 10. September 2024, 14:40 Uhr