Interview
Vom Viehbauern zum Veganer: "Ich bin gerade am Abstillen"
Seine Nichte gab ihm den Anstoß. Landwirt Jürgen Rademacher aus dem Kreis Cuxhaven erzählt, wie er Veganer wurde und welche Folgen das hat – auch für seine Kühe.
Der 62-jährige Bio-Landwirt und Milchbauer Jürgen Rademacher aus Beverstedt im Landkreis Cuxhaven ist schon seit drei Jahren Vegetarier. Sein Leben lang hat er Kühe gehalten. Doch das Wohlbefinden seiner Kühe liegt ihm sehr am Herzen. Aus diesem Grund hat auch jede Kuh ihren eigenen Namen. Nun geht er einen neuen Weg, der mit der traditionellen Landwirtschaft nicht mehr zusammen passt: Er wird zum Veganer und verabschiedet sich von der Viehwirtschaft.
Herr Rademacher, wie kam es zu der Entscheidung, dass sie als Viehbauer zum Veganer werden? Und produzieren Sie dann gleichzeitig Milch?
Ich will keine Tiere mehr töten und ich will den Kühen keine Kälber mehr wegnehmen. Außerdem produziere ich jetzt ja keine Milch mehr, das endet. Ich verändere meinen Weg. Und wenn ich keine tierischen Produkte mehr essen will, dann muss ich mich vegan ernähren. Einen anderen Weg gibt es nicht.
Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?
Das Bedürfnis hängt mit der Tierhaltung zusammen. Aber den ersten Anstoß dazu hat mir meine Nichte gegeben, in dem sie ein Brautkleid gesucht hat, welches keine Seide beinhalten sollte. Das habe ich damals nicht verstanden. Sie hat sie mir erklärt, dass die Produktion von Seide zum Tod von Raupen führt. Dann habe ich darüber nachgedacht. Und ja, es werden nicht nur in der Seidenproduktion sehr viele Tiere genutzt. Auch in vielen anderen Bereichen, so auch in der Landwirtschaft. Daraufhin musste ich immer mehr daran denken, wie schwer es mir gefallen ist, Tiere zu töten und dass es doch eine Möglichkeit geben muss, auch in der Landwirtschaft davon wegzukommen.
Inwiefern haben wirtschaftliche Gründe eine Rolle für diese Entscheidung gespielt?
Bio-Milch wurde jetzt in der Corona Krise einfach nicht mehr bezahlt, weil die Verbraucher nicht mehr bereit waren, das Geld zu zahlen. Zudem ist die Produktion in den letzten Jahren auch deutlich teurer geworden. Die Menschen wollen – oder müssen – sich leider billig ernähren.
Geht es denn so einfach, das Melken der Kühe zu stoppen? Wie funktioniert das?
Nein einfach so von dem einen auf den anderen Tag, geht das nicht. Ich bin gerade am Abstillen, so nennt man das tatsächlich auch bei Kühen. Und ich sehe an den Kühen sehr deutlich. Sie kommen nicht mehr in den Melkstand, die haben kein Bock mehr. Die sind froh, wenn sie auf der Weide sind.
Wie werden Sie dann in Zukunft finanziell über die Runden kommen, wenn sie ihre Milchproduktion endgültig einstellen?
Zum einen belegen wir die Kühe mit Patenschaften und hoffen auf Spenden. Zum anderen werden wir deutlich weniger Strom verbrauchen, wenn wir nicht mehr melken.
Eine weitere Basis ist, dass wir mehr Naturschutz auf unseren Flächen machen und das wird auch immer mehr von der EU gefördert. Wir werden versuchen, das umzusetzen, auch wenn es sehr stark und streng kontrolliert wird. Das bedeutet deutlich mehr Dokumentation für mich, aber es wird auch sehr gut bezahlt.
Außerdem setzte ich in Zukunft verstärkt auf den Ackerbau, statt tierische Lebensmittel zu erzeugen.
Also hoffe ich, dass wir mit den Patenschaften, den Spenden, dem Ackerbau und den Prämien, die uns dann bevorstehen, den Einkommensverlust ausgleichen können.
Ende Juli wurde die letzte Milch von seinen Kühen vom Hof geholt. Statt Schwangerschaft, Geburt und Milchlieferung setzt er ab sofort auf den Ackerbau und Kuh-Pension.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 31. Juli 2023, 19:30 Uhr