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Warum Bremer Bauern ihre Waren in Hofläden selbst verkaufen
Viele Bauernhöfe stehen vor dem Aus, der Handel drückt die Preise. Warum also nicht selbst verkaufen? Diese Bauern aus Bremen und Umgebung haben es gewagt.
Sonnenwarme Kartoffeln in der Hand, die Milch selbst zapfen und dazu noch Landluft schnuppern – auf einem Bauernhof einzukaufen, ist für viele Stadtmenschen ein Ausflug vom Alltag. Viele Bäuerinnen und Bauern aus Bremen und der Umgebung haben daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Sie verkaufen ihre Ware in Hofläden, Milchtankstellen, Märkten oder eigenen Cafés.
In den Pandemiejahren gab es sogar einen Aufschwung, wie der Geschäftsführer des Bremischen Landwirtschaftsverbands, Christian Kluge, berichtet: "In der Pandemie hatten Hofläden den gleichen Status wie Supermärkte, das heißt, sie durften auch während der Lockdowns öffnen. Die Leute haben viel gekocht und es gab daher eine eher positive Entwicklung", sagt Kluge. Das bestätigen mehrere seiner Kollegen.
Mit dem Beginn des Ukrainekriegs Ende Februar 2022 und der folgenden Inflation sei es allerdings schwieriger geworden. Kundinnen und Kunden überlegen sich genauer, wofür und wie viel Geld sie ausgeben, wollen sparen, vor allem bei Lebensmitteln. "Man hat manchmal den Eindruck, die Leute meinen, beim Erzeuger müsste es billiger sein als im Supermarkt", sagt Kluge.
Hofläden, Milchtankstellen & Co. in Bremen und umzu
Es war mir ein Dorn im Auge, dass wir vom Handel abhängig waren.
Jan Geerken, Landwirt
Dennoch haben manche Landwirte auch mit teuren Produkten eine Nische gefunden. So wie Jan Geerken mit seinem Rinderbetrieb im Bremer Blockland. Geerken hält seit 2020 Mutterkühe, züchtet also Rinder für die Schlachtung. 190 Tiere leben zurzeit auf seinem Hof, der Rindernachwuchs ist darin inbegriffen.
Vorher hielt seine Familie dort Milchkühe. Den elterlichen Betrieb hat er gleich doppelt umgestellt: Auf neue Ware und auf Direktvermarktung. "Nach dem Studium der Landwirtschaft bin ich zurück auf den Hof meiner Eltern gekommen und habe überlegt, wie wir weitermachen können. Es war mir ein Dorn im Auge, dass wir vom Handel abhängig waren", sagt Geerken.
Heute ist die Direktvermarktung sein Hauptstandbein. "Was mir daran sehr gut gefällt, ist der direkte Kundenkontakt. Wir haben viele dankbare Kunden und das empfinde ich als sehr angenehm." Was den Aufwand angeht, so habe er das Vorhaben aber unterschätzt. Viel Papierkram kam auf ihn zu, weil er für die Direktvermarktung ein von seiner Landwirtschaft getrenntes Unternehmen gründen musste. Es brauchte Verkaufsräume und Geräte wie ein Kassensystem oder ein Vakuumiergerät zum Verpacken von Fleisch.
Weniger Kundschaft seit der Inflation
Mittlerweile hat der Landwirt auch einen Onlineshop, dort kauft man Fleisch und holt es dann selbst ab. 40 Euro für ein Expresspaket, das will er den Kunden nicht zumuten. Den finanziellen Druck, den viele Menschen seit Beginn der Inflation spüren, hat auch Geerken bemerkt. Einige Kunden hat er seitdem nicht mehr gesehen. "Ich kann es keinem übel nehmen, wenn sein Portemonnaie das nicht hergibt."
Wir haben wenige Verträge und keine Abnahmegarantien. Man muss schon risikobereit sein.
Jürgen Brüning, Landwirt
Zu 100 Prozent auf Direktvermarktung setzt auch Jürgen Brüning aus Lilienthal in Niedersachsen. Seine 50 Hektar Ackerland werfen pro Jahr etwa 2.000 Tonnen Kartoffeln und Zwiebeln ab. Die verkauft er zu einem großen Teil an zahlreiche Supermärkte in und um Bremen, aber auch im eigenen Onlineshop und Hofladen. "Wir haben wenige Verträge und keine Abnahmegarantien. Man muss schon risikobereit sein", sagt Brüning. Über die Jahre habe er aber Erfahrungswerte gesammelt, wie viel seine Kunden bestellen. Darauf richtet er seine Produktion aus. In den vergangenen Jahren habe unter dem Strich immer ein Plus gestanden.
Was auf Bremens Ackerland angebaut wird (in Hektar)
Findet Brüning einmal nicht so viele Abnehmer für seine Ware, dann muss er an den Großhandel verkaufen. In manchen Jahren sind es 25 bis 50 Tonnen. "Vom Umsatz her sind das 20 bis 25 Prozent weniger als bei der Direktvermarktung. Wenn wir einmal ganz darauf umstellen müssten, das würde schon ganz schön weh tun", sagt er.
Landwirtin Heike Klatte hat in den vergangenen Jahren in Bremen-Borgfeld vieles im Bereich Direktvermarktung ausprobiert. Sie baute einen Hofladen auf und einen rund um die Uhr erreichbaren Milchautomaten. Sie lieferte mit ihrem Mann an Supermärkte, aber auch an die Wochenmärkte in Findorff und Schwachhausen. Am Ende habe sich vieles nicht gerechnet. Geblieben ist der Wochenmarktverkauf und das Hofcafé, in dem sie die Torten mit den eigenen Joghurts selbst backt.
Kunden nehmen das Höfe-Sterben oft nicht so wahr, weil es eine Entwicklung über längere Zeit ist – es ist nicht wie ein Sonnenbrand, der plötzlich da ist, sondern eher wie ein Krebs, der sich als Folge erst nach Jahren zeigt.
Heike Klatte, Landwirtin
Ob das Projekt Direktvermarktung auch für die nächste Generation trägt? Um ein Höfesterben zu verhindern braucht es vor allem die richtigen Rahmenbedingungen, meint der Landwirtschaftsverband. Ein Aspekt dabei ist die Geldfrage: "Die Preise müssen dem Wert der Arbeit angemessen sein", sagt Geschäftsführer Kluge. "Junge Leute entscheiden sich heute oft für andere Berufe. Das hat viel mit Planungs- und Zukunftssicherheit zu tun. In der Landwirtschaft sagt man: Jede Generation baut einen Stall. Das heißt, der wird dann die nächsten 25 Jahre abgeschrieben. Wenn Sie einen Stall für 100 Kühe bauen müssen, dann kommen Sie unter einer Million nicht weg."
"Ich gehe davon aus, dass ich in meiner Familie die letzte Bäuerin bin", sagt Heike Klatte. "Das ist aber auch okay für mich. Kunden nehmen das Höfesterben oft nicht so wahr, weil es eine Entwicklung über längere Zeit ist – es ist nicht wie ein Sonnenbrand, der plötzlich da ist, sondern eher wie ein Krebs, der sich als Folge erst nach Jahren zeigt."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. Mai 2023, 19:30 Uhr