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Worin sich gute von schlechten Deichen rund um Bremen unterscheiden

Sandsäcke liegen auf einem Deich vor evakuierten Wohnhäusern an der Wörpe in Lilienthal.
Sandsäcke sollen einen Deich an der Wörpe Lilienthals stabilisieren. Die Häuser dahinter mussten evakuiert werden. Bild: dpa | Sina Schuldt

Ohne Deiche stünde Bremen immer wieder unter Wasser. Doch wie halten sie das Wasser von uns fern, ohne daran kaputt zu gehen? Ein Ingenieur erklärt, wie Deiche gebaut sind.

Das Hochwasser hält Menschen in Bremen, mehr noch aber im Umland weiter in Atem. In Lilienthal stehen sogar Häuser unter Wasser – dort, wo Deiche fehlen. An anderen Stellen sichern Helfer Deiche mit Sandsäcken, um das Unheil abzuwenden. Was aber ist ein guter, was ein schlechter Deich, und wie gut schützen Deiche Bremen? Darüber hat buten un binnen mit dem Wasserbauingenieur Heiko Spekker von der Hochschule Bremen und mit Rolf Dülge vom Deichverband am rechten Weserufer gesprochen.

Wie ist ein Deich klassischerweise aufgebaut?

Üblicherweise haben Deiche im Küstenschutz einen Sandkern und darüber eine sogenannte bindige Bodenschicht, sagt der Ingenieurwissenschaftler Heiko Spekker. Spekker lehrt Wasserbau an der Hochschule Bremen. Die bindige Bodenschicht lasse nur wenig Wasser durch: "Der beste Baustoff, der dafür verwendet werden kann ist Klei", sagt Spekker dazu. Über den Klei komme in der Regel noch eine dünne Schicht aus Mutterboden, auf dem eine Grasnarbe aufgebracht wird.
 
Tatsächlich hat auch die Grasnarbe eine Funktion: "Ein dichter Wuchs schützt den Boden vor Erosionen", erklärt Spekker. Um die Grasflächen der Deiche zu pflegen, setze man etwa in Niedersachsen Schafe ein, die den Bewuchs kurzhalten und den Boden festtreten und damit stabilisieren. In Bremen werden die Deiche aus den gleichen Gründen regelmäßig gemäht und überprüft. "Die Deichverbände haben ein gutes Auge darauf", findet Spekker. 

Ein Deich im Querschnitt

Aufbau eines Deiches 100 - 120 m Grasnarbe Treibselräumweg Sand Klei 7 - 8 m Deich-verteidigungs-weg Weg / Straße

Wie hoch ist ein Deich?

Die Höhe, in der ein Deich errichtet wird, hängt unter anderem von den sogenannten Bemessungswasserständen ab, sagt Spekker. Diese legen die Wasserbehörden aufgrund der Erfahrungswerte vergangener Jahrhundert-Hochwasser und -Sturmfluten fest und bauen zusätzliche Sicherheitsreserven zur Berücksichtigung von klimawandelbedingten Änderungen ein. 
 
Zur Orientierung: Die Hochwasserschutzanlagen an der Weser im Bremer Stadtgebiet werden derzeit so ausgelegt, dass sie einem Wasserstand von fast acht Metern über dem Meeresspiegel standhielten. Bremen liegt großteils fünf Meter über dem Meeresspiegel. Spekker zufolge sind Bremen und Bremerhaven selbst im Falle einer schweren Sturmflut gut durch die Deiche und Hochwasserschutzwände an der Weser vor Überflutungen geschützt.

Porträt von Prof. Dr.-Ing. Heiko Spekker
Hält von den Deichen an der Bremer Weser mehr als von manchen an den Zuflüssen: Wasserbau-Experte Heiko Spekker von der Hochschule Bremen. Bild: privat

Welche Neigung hat ein Deich?

Hierbei spielt eine Rolle, wo der Deich steht, im Küstenbereich oder entlang von Flüssen und Flussmündungen. Grundsätzlich gilt: Je schwächer sich ein Deich von seiner Krone zum Wasser neigt, desto besser ist er vor auflaufenden Wellen geschützt.
 
Handelt es sich bei dem Deich um eine Küstenschutzanlage an der Nordsee, so muss er eine Böschungsneigung von Eins zu Sechs zum Wasser aufweisen, also pro Höhenmeter mindestens sechs Meter Richtung Meer in die Breite gebaut werden, sagt Spekker. "An der Weser sind es in der Regel vier Meter pro Höhenmeter", fügt er hinzu. 
 
Flussdeiche, die weiter im Landesinneren liegen und weniger stark vom Wellenangriff beeinflusst würden, müssten in der Regel lediglich wenigstens drei Meter pro Höhenmeter zum Fluss in die Breite angelegt werden. "Zur Landseite darf die Böschungsneigung eines Deiches normalerweise mit Eins zu Drei etwas steiler sein als zur Wasserseite", ergänzt Spekker.

Wie sind die Deiche um Borgfeld und Lilienthal beschaffen, die teilweise mit Sandsäcken gesichert werden mussten?

Diese Deiche entsprechen Spekker zufolge nicht den hohen Standards der Wasserschutzanlagen an der Bremer Weser. Rolf Dülge, Technischer Leiter des Deichverbands am rechten Weserufer, sagt, dass die meisten Probleme in den letzten Tagen an "historisch gewachsenen Deichen" Borgfelds und Lilienthals bei Warf, Butendiek und Timmersloh entstanden seien. "Dabei handelt es sich um sehr alte Deiche, die zwar nach und nach immer wieder verbessert worden sind, die aber nicht durchweg den heutigen Normen entsprechen."

Der Deichverband am rechten Weserufer habe die betreffenden Deiche erst in den letzten Jahren und Jahrzehnten nach und nach von anderen Deichverbänden übernommen und seitdem an einigen Stellen verbessert: die Böschung verbreitert, die Angriffsflächen zum Wasser abgeflacht und an einem Teilbereich in Timmersloh einen Verteidigungsweg angelegt. Bei einem Deichverteidigungsweg handelt es sich um einen mit Asphalt oder Schotter befestigten Zugang zum Deich, den man unter anderem benötigt, wenn man den Deich aufgrund akuter Schäden mit Sandsäcken sichern muss.

Dülge sagt aber auch: "Man kann nicht alles auf einmal machen und überall gleich den Bagger und die Raupe anrücken lassen." Zumal sich der eine oder andere Grundstückseigentümer vor Ort in den letzten Jahren geweigert hätte, sein Grundstück für entsprechende Deicharbeiten zur Verfügung zu stellen. "Wir hoffen jetzt, dass der eine oder andere nun sieht, dass man doch etwas machen muss", sagt Dülge dazu.

Auch hinter Deichen, die intakt aussehen, sieht man mitunter Flächen, die unter Wasser stehen. Wie kommt das?

Unter den Deichen befinden sich im Regelfall sandige Schichten oder zumindest solche Böden, die mehr Wasser durchlassen als der mit Klei errichtete Deich, erklärt Dülge. Wenn nun das Wasser auf der Flussseite hoch steht, wird immer ein bisschen Wasser unter dem Deich durchgedrückt. "Das lässt sich überhaupt nicht vermeiden", sagt Dülge dazu. Man spreche hierbei von Kuverwasser oder auch Sickerwasser, das den Grundwasserspiegel ansteigen lasse. Zum Abführen des Kuverwassers seien die Gräben gedacht, die sich auf der Binnenseite eines Deiches befinden.

Wie gut sind die Deiche in und um Bremen insgesamt in Schuss?

Grundsätzlich sehr gut, sagen Rolf Dülge vom Deichverband am rechten Weserufer und der Wasserbauingenieur Heiko Spekker übereinstimmend. Einschränkungen machen sie etwa bei den alten Deichen um Timmersloh. "Problematisch" nennt Spekker auch den Wörpedeich. Spekker stellt fest, dass Bäume gemäß der Regelwerke nichts auf Deichen zu suchen hätten. Denn Bäume könnten bei Stürmen umstürzen und die Deiche beschädigen. Auch entlang der Wurzeln könnte Sickerwasser durch den Deichkörper gelangen.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. Januar 2024, 19:30 Uhr