Wie chinesische Konkurrenz die norddeutsche Offshore-Branche abhängt
Trotz Energiewende blickt die hiesige Industrie mit Sorge auf die Windkraft-Expansionen aus China. Den Cuxhavener Turbinenhersteller Siemens Gamesa bringt das in ein Dilemma.
Die deutsche Offshore-Windkraftbranche träumt von einem neuen Boom. Die Energiewende soll neuen Schwung in die zuletzt so gut wie brachliegende Industrie bringen. Doch die aktuelle Preisspirale und Druck durch gestörte Lieferketten von Bauteilen erschweren die Lage. Hinzu kommt die Befürchtung, dass die chinesische Konkurrenz die europäischen Windkraftfirmen verdrängen könnte.
Das einzige Offshore-Unternehmen, das noch an den deutschen Küsten produziert, ist Siemens Gamesa, ein Tochterunternehmen von Siemens Energy. Im Werk in Cuxhaven arbeiten mehr als 800 Beschäftigte, die hauptsächlich Turbinen für Windkraftanlagen in der Nordsee herstellen. "Bald wird hier die 1.000. Anlage produziert", sagt Werksleiter Kristoffer Mordhorst.
Dahinter stehen ungefähr 8,4 Gigawatt, die nachher allein die in Cuxhaven produzierten Turbinen leisten. Das ist ungefähr das, was gerade an Strom in deutschen Offshore-Gewässern steht.
Werksleiter Kristoffer Mordhorst
Siemens-Energy steckt in einem Dilemma
Vor fünf Jahren galt das Werk noch als Hoffnungsträger für die Branche. Doch dann folgte die Ernüchterung: Die Große Koalition aus SPD und CDU in der Bundesregierung deckelte die Förderung. Doch während andere Betriebe in Bremerhaven zuhauf dichtmachten und Mitarbeiter entließen, wurde in Cuxhaven weiterproduziert – wenn auch in geringerem Tempo.
Nun steckt Siemens-Energy jedoch in einem Dilemma: Einerseits soll die Energiewende vorangetrieben und es sollen massenweise neue Anlagen gebaut werden, andererseits ist die aktuelle Wirtschaftslage angespannt. So rechnet der Konzern in diesem Jahr mit einem Verlust von mehreren Milliarden Euro. Hinzu kommen Probleme mit fehlerhaften Anlagen an Land, die aus Zeiten des früheren spanischen Produzenten Gamesa stammen sollen.
China führt den Windkraft-Weltmarkt an
Weiterhin versucht sich das Unternehmen zwar unabhängiger von asiatischen Zulieferern zu machen, doch das ist nicht so einfach. Schließlich komme laut eines Unternehmenssprechers mehr als die Hälfte der Teile einer Anlage, die in Cuxhaven hergestellt wird, aus China. Die Chinesen führen inzwischen den Windkraft-Weltmarkt an. Der Ausbau im eigenen Land erfolge somit über chinesische Unternehmen.
China habe in der Windanlagen-Produktion über die Jahre viel Erfahrung gesammelt, sagt auch Bernhard Lange vom Fraunhofer Institut für Windenergiesysteme in Bremerhaven: "Man hat sehr klar erkannt, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehört."
Zunächst mal, um sich damit selber versorgen und dann sicherlich auch, um exportieren zu können.
Bernhard Lange vom Fraunhofer Institut für Windenergiesysteme in Bremerhaven
Delle in der deutschen Offshore-Industrie rächt sich
Aus Sicht des Energiekonzerns RWE, der in Windparks in der Nordsee investiert, gibt es in westlichen Ländern momentan noch zu wenig Produzenten, die zum Beispiel wesentliche Komponenten wie Fundamente oder Umspannplattformen fertigen könnten. In dem Bereich sieht auch Dirk Briese, Chef des Forschungsinstitut Windresearch in Bremen, Nachholbedarf. Denn jetzt räche sich die Delle in der deutschen Offshore-Industrie.
Die haben natürlich eine ganz andere Ressourcenstruktur als wir – auch von den Häfen, den Werften und der Stahlproduktion her. Wir reden da von ganz anderen Dimensionen.
Dirk Briese, Chef des Forschungsinstitut Windresearch in Bremen
Aber ohne das Material aus China sei die Energiewende hierzulande nicht zu schaffen – wohl auch ein Grund, weshalb man den Eindruck hat, dass die Branche die Konkurrenz aus China eher zähneknirschend hinnimmt.
Läuft China Europa den Rang ab?
Der Branchenverband Windenergieagentur Wab in Bremerhaven befürchtet, dass die Chinesen Europa wie bei der Solarenergie den Rang ablaufen. Als Reaktion auf den gewaltigen Ausbau in China fordert die Wab schnellere Genehmigungsverfahren in Deutschland und eine stärkere Förderung – für die heimische Produktion und für den Ausbau der Häfen wie in Cuxhaven und Bremerhaven.
Allein in Cuxhaven müssten laut Siemens-Energy aber weitere 100 Millionen Euro investiert werden, um den Hafen fit zu machen für die großen Errichterschiffe.
Der Werksleiter von Siemens Gamesa in Cuxhaven, Kristoffer Mordhorst, wünscht sich jedenfalls einen schnellen Ausbau der Hochsee-Windparks auch in der Deutschen Bucht: "Wenn man weiß, dass der Strom aus einer Windkraftanlage kommt, die man selbst gebaut hat, ist das schon schön." Unterm Strich bleibt aber in der Branche eher ein mulmiges Gefühl, was da wohl noch aus China kommen mag.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, der Morgen, 21. August 2023, 8:40 Uhr