Wieso Sülmez Çolaks Wechsel zur SPD-Fraktion ihr Vorteile bringt
Die Bürgerschaftsabgeordnete Çolak trat nach der Wahl aus den Grünen aus. Jetzt will sie in die SPD-Fraktion. Rechtlich sei das in Ordnung, sagt Politik-Experte Probst. Es habe sogar Vorteile.
Die ehemalige Grünen-Politikerin Sülmez Çolak will der SPD-Fraktion beitreten. Nun fordern die Grünen sie auf, ihr Mandat zurückzugeben. Schließlich sei sie als Grüne in die Bürgerschaft gewählt worden.
"Rechtlich ist das kein Problem", sagt aber der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst zu so einem Partei-Wechsel. Und auch beispiellos sei der Wechsel nicht. So trat im Januar 2021 der Regionalpolitiker Peter Beck nach einem Streit aus der AfD Bremen aus, um Tage später zunächst zu den Liberal-Konservativen Reformern und im Oktober desselben Jahres zur Wählervereinigung Bürger in Wut (heute Bündnis Deutschland) zu wechseln.
Probst: Aufnahme in Fraktion bringt Vorteile für Çolak
Aus Sicht der seit Mai fraktionslosen Bürgerschaftsabgeordneten Çolak sei die Aufnahme in die SPD-Fraktion auch durchaus konsequent, sagt Probst weiter. Denn der bringe ihr Vorteile. Ein Beispiel: Beim Rederecht stehen Fraktionen bei Debatten zwanzig, Gruppen zehn und Einzelabgeordneten nur fünf Minuten zu.
Sie hat in einer Fraktion durchaus die Möglichkeit, wirksamer zu werden als sie es als fraktionslose Abgeordnete sein könnte.
Lothar Probst, Politikwissenschaftler an der Uni Bremen
Ärger bei Bremer Grünen
Ganz unberechtigt sei allerdings auch der Ärger der Grünen nicht, sagt der Politikwissenschaftler der Uni Bremen. Denn Çolak sei für die Bürgerschaftswahl immerhin als Grünen-Spitzenkandidatin in Bremerhaven nominiert worden.
Nur Tage nach der Wahl gab sie im Mai bekannt, der Partei den Rücken zu kehren, das Mandat beizubehalten und stattdessen als parteilose Abgeordnete weiterzumachen. Sie begründete dies unter anderem mit ihrer Herkunft und einer Entfremdung gegenüber der Partei.
2017 führte Parteiwechsel in Niedersachsen zu Neuwahlen
"Die Frage bleibt, warum sie sich erst für den Wechsel entschied, nachdem sie nicht in die Sondierungsgespräche ihrer Partei mit einbezogen worden war", sagt Probst. Zumal sie seit 2011 für die Grünen im Parlament gesessen habe – von 2015 bis zur Wahl 2023 sogar als Vizepräsidentin der Bremischen Bürgerschaft.
Folgenreich dürfte der Fraktionswechsel, dem die SPD am Montag erst noch zustimmen muss, aber wohl nicht werden – anders als einer der bekanntesten Fälle, der sich 2017 im benachbarten Niedersachsen ereignete. Dort führte der Übertritt der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten im niedersächsischen Landtag zur CDU angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse zu Neuwahlen. "Damals ist sogar einmal eine Regierung drüber gestolpert", sagt Politikwissenschaftler Probst.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 14. September 2023, 19:30 Uhr