Diese 11 Bremerhavener Forschungsstandorte sind bundesweit bedeutend
Bremerhaven möchte mit einer Kampagne junge Menschen aus der Wissenschaft anlocken. Die Stadt hat auf dem Gebiet bundesweit Bedeutendes zu bieten – wie diese elf Beispiele zeigen.
Glaubt man der Ankündigung einer neuen Imagekampagne Bremerhavens, weiß kaum jemand, "dass die bedeutendsten Forschungsorganisationen Deutschlands an der Wesermündung beheimatet sind". Die lokale Wirtschaft profitiere enorm. Nirgendwo sei die Dichte von Bund und Ländern gemeinsam geförderter Forschungsinstitute höher als hier. Zweifelsohne hat der Standort überregionale Strahlkraft – und ist den Verantwortlichen trotzdem offenbar nicht sichtbar genug. Die Marketing-Aktion "Deine neue Wissenschafts-Heimat-Stadt" soll das ändern.
Was macht Bremerhaven aus? Klar, Wasser, Schiffe, Hafen. Auch die Fischtown Pinguins sind Aushängeschild. Bei vielen weniger auf dem Zettel: Bremerhaven ist auch Stadt der Wissenschaft. Das renommierte Alfred-Wegener-Institut ist dort angesiedelt, auch zwei Thünen-Institute, ein Fraunhofer-Institut und weitere wichtige Einrichtungen. Um das bekannter zu machen, hat sich die Wirtschaftsförderung BIS etwas einfallen lassen.
Wissenschaft knackig verpacken, das kann herausfordern. Darum hat man von den Bremerhavener Filmemachern Tim David Müller-Zitzke und Dennis Vogt elf kurze Videos produzieren lassen. Forscherinnen und Forscher berichten, wie es sich vor Ort lebt und arbeitet. Oft geht es ums Meer, auch Energie, Klima und Migration. Wer alle Clips schaut, bekommt einen Überblick der Bandbreite. Die 40.000 Euro schwere Social-Media-Kampagne richtet sich speziell an junge Menschen aus ganz Deutschland – sie sollen für eine berufliche Zukunft im hohen Norden begeistert und Teil der Wissenschafts-Community werden.
Wissenschaftsstandort Bremerhaven im Realitätscheck
Aber ist Bremerhaven aus Sicht Ortsansässiger tatsächlich so attraktiv, wie dargestellt? Sarah Simons vom Thünen-Institut ist eine der Protagonistinnen. Sie sagt auf Nachfrage, sie habe nicht zur Teilnahme überredet werden müssen – Bremerhaven sei wirklich eine tolle Stadt zum forschen. Außerdem sei es die Stadt der kurzen Wege. Institute seien gut vernetzt, kooperierten, hätten einen Draht zu örtlichen Firmen.
Ich finde es super spannend hier. Weil man nirgendwo anders so viele Meeresforschungsinstitute an einem Ort hat. Und ich liebe es, weil die Wirtschaft hier vor Ort sitzt. Ich mag es, konkrete Forschung zu machen und die auch mit Wirtschaftspartnern zu testen.
Sarah Simons, Wissenschaftlerin am Thünen-Institut für Seefischerei
Um diese Einrichtungen in zufälliger Reihenfolge dreht sich die Kampagne:
1 Thünen-Institut für Seefischerei
Ein Beispiel für praxisnahe Forschung: Simons arbeitet an einer Krabbenschälmaschine. Viele Nordseekrabben werden zwar in der Region gefangen, aber zum Puhlen nach Nordafrika und wieder zurückgefahren. Künftig könnte das umweltfreundlicher und regional passieren. Das Thünen-Institut für Seefischerei forscht zu Lösungen für nachhaltige Fischerei, die gleichzeitig ökonomisch und sozial verträglich ist. Es berät nach eigenen Angaben die Politik zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Meere. Das Institut gibt Fangquotenempfehlungen im internationalen Verbund ab und erhebt dafür Daten mit Bundes-Forschungsschiffen. Auch werden Verbindungen zur Gewinnung erneuerbarer Energien und fossiler Rohstoffe gezogen, ebenso Meeresschutzgebiete untersucht.
2 Thünen-Institut für Fischereiökologie
Seit 2018 befindet sich neben dem Thünen-Institut für Seefischerei auch das für Fischereiökologie in gemeinsamen Labor- und Büroräumen im Fischereihafen. Die fachübergreifende Einrichtung widmet sich laut Selbstauskunft der Erforschung nachhaltiger Fischerei und Aquakultur. Zu den wichtigen Aufgaben gehört es, Veränderungen der Meeresumwelt und deren Auswirkungen auf die Fischerei zu erkennen. Weitere Felder sind nachhaltige Produktionsverfahren in der Meeres- und Binnen-Aquakultur.
3 Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES)
Das Fraunhofer IWES ist seit 2009 Technologieentwickler in der Windenergiebranche und behandelt auch grünen Wasserstoff. Es bezeichnet sich selbst als zentralen Ansprechpartner mit Expertise und wissenschaftlicher Unabhängigkeit. Zu den Kunden der Forschungseinrichtung gehören demnach internationale Unternehmen. Mit Sitz im Fischereihafen und mehr als 300 Beschäftigten und 150 Studierenden hat sich das Fraunhofer IWES der Energiewende verschrieben. Den Schulterschluss mit der Industrie bezeichnet man als existenziell. Die Fraunhofer-Gesellschaft widmet sich als Träger international venetzt der Forschung zum Nutzen der Wirtschaft und dem Vorteil für die Gesellschaft, sagt das Institut.
4 DLR – Institut für den Schutz Maritimer Infrastrukturen
Das Institut für den Schutz maritimer Infrastrukturen gibt es seit 2017 als eines von mehreren des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Es hat seinen Sitz am Schaufenster Fischereihafen und kümmert sich dort im Zeichen von Energiewende, Digitalisierung, innovativer Mobilität und globaler Vernetzung darum, maritime Infrastrukturen wie Häfen oder Offshore-Windparks vor Unfällen und Angriffen zu schützen. Das Institut ist nach eigener Aussage das erste seiner Art in Europa. In Bremerhaven arbeitet es mit Sicherheitsbehörden, Industrie und Organisationen wie der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) zusammen.
5 Institut für Seeverkehrswirtschaft (ISL)
Das ISL – Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik besteht seit 1997 und bearbeitet in Bremerhaven Projekte für öffentliche und private Auftraggeber aus aller Welt. Es bezeichnet sich als eines der europaweit führenden Institute für Forschung, Beratung und den Wissenstransfer in der maritimen Logistik. Zu seinen Kompetenzbereichen zählt das ISL unter anderem Marktanalysen und -prognosen, die Organisation von Förderprojekten sowie die Entwicklung von IT-Systemen. Es befindet sich am Neuen Hafen in Bremerhaven-Mitte und hat einen weiteren Standort in Bremen, wo es 1954 gegründet wurde.
6 Deutsches Auswandererhaus
Das Deutsche Auswandererhaus wurde 2005 in den Havenwelten eröffnet und hat sich seitdem nach eigenen Angaben zu einer bundesweit bedeutenden Einrichtung entwickelt. Ziel des preisgekrönten Erlebnismuseums ist es, Freizeitgästen und Schulklassen die Migrations- und Gesellschaftsgeschichte zu vermitteln. Gleichzeitig dient es Experten zur Migrationsforschung sowie als Erinnerungsort für migrierte Menschen und deren Nachfahren. Seine Lage am Neuen Hafen hat einen Hintergrund – er war laut der Stadt Bremerhaven einer der wichtigsten Auswanderungshäfen Europas. Heute starten die Gäste dort eine interaktive Zeitreise durch mehr als 300 Jahre deutscher und europäischer Ein- und Auswanderung. Es besteht auch die Möglichkeit eigener Ahnenforschung.
7 Hochschule Bremerhaven
Sie bezeichnet ihr maritimes Profil selbst als charakteristisch – die Hochschule Bremerhaven ist im Stadtteil Mitte nicht nur geografisch an der Wesermündung zur Nordsee gelegen, sie hat auch bei den Studiengängen ein entsprechendes Profil. Zum Angebot gehören das als deutschlandweit einzigartig gepriesene "International Tourism Management" mit Schwerpunkt Kreuzfahrt, die "Biotechnologie der Marinen Ressourcen" mit "einmaligem Fokus" oder das als "Expertenschmiede" bezeichnete "Transportwesen". Doch die Hochschule widmen sich auch anderen Feldern, etwa mit dem "im deutschen Sprachraum einzigartigen" Studiengang "Gründung, Führung, Innovation". Nach eigenen Angaben wurde die Hochschule schon mehrfach für innovative Lernkonzepte mit hohem Praxisbezug ausgezeichnet, ebenso für ihre Studienbedingungen.
8 Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)
Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, hat im Bremerhavener Stadtgebiet insgesamt zwölf Standorte – darunter sechs Gebäudekomplexe am AWI-Campus am Handelshafen. Mehr als 1.200 Personen verschiedenster Disziplinen arbeiten für das Institut, vornehmlich an der Polar- und Meeresforschung sowie der Erforschung von Klima-, Bio- und Geosystemen. Ziel ist das Verständnis des Gesamtsystems Erde. Das Institut leitet internationale Expeditionen und betreibt den Forschungseisbrecher "Polarstern" mit Heimathafen in Bremerhaven. AWI-Direktorin ist die Meeresbiologin und Professorin der Uni Bremen, Antje Boetius, die unter anderem durch zahlreiche Fernsehauftritte bundesweit bekannt ist.
9 Technologie-Transfer-Zentrum (TTZ)
Das Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven ist der Selbstbeschreibung nach ein unabhängiger Dienstleister für Forschung und Entwicklung. Es vereint demnach ein internationales Experten-Team zu den Themen Lebensmittel und Ressourceneffizienz und beruht auf einem 1987 an der Hochschule Bremerhaven gegründeten Verein. Das TTZ mit Sitz im Fischereihafen will den Strukturwandel in der Region voranbringen und orientiert sich an Bedarfen der regionalen Wirtschaft und der Hochschulforschung.
10 Klimahaus
Im Jahr 2009 eröffnet, ist das Klimahaus heute einer der Ankerpunkte des Tourismusgebietes Havenwelten. Es beschreibt sich selbst als weltweit einzigartige Wissens- und Erlebniswelt für die Themen Klima, Klimawandel und Wetter sowie entsprechend globalen Vorreiter. Gäste können die Klimazonen entlang des achten Längengrades Ost besuchen, Wetter-Klima-Zusammenhänge erfahren und die Klimaveränderung erforschen. Das Haus vermittelt, was einzelne zum Klimaschutz beitragen können. Schirmherr ist Vizekanzler und Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne).
11 Deutsches Schifffahrtsmuseum (DSM)
Das 1975 eröffnete Deutsche Schifffahrtsmuseum — Leibniz-Institut für Maritime Geschichte (DSM) ist laut Leibnitz-Gemeinschaft das größte seiner Art in Deutschland. Dabei widmet es sich der Beziehung zwischen Mensch und Meer am Beispiel maritimer Technologien — darunter Schiffe im Kontext von Wirtschaft, Forschung und Umwelt. Mit seiner Ausrichtung hat das DSM national und international ein zukunftsorientiertes Alleinstellungsmerkmal, heißt es von der Gemeinschaft. Aktuell zeigt das Museum in den Havenwelten das 1962 in der Weser gefundene Schiffswrack der Bremer Kogge von 1380. Das DSM befindet sich im Umbau, kann aber besichtigt werden, im Sommer eröffnet der Erweiterungsbau mit neuer Ausstellung. Außerdem wartet das Museum auf die Ergebnisse einer Evaluierung zur Zugehörigkeit der Leibnitz-Gemeinschaft. Davon hängt auch die finanzielle Zukunft des Hauses ab.
Zu sehen sind die Videos zum Beispiel auf den Accounts und Seiten der BIS: www.unglaublich.bremerhaven.de
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Das Wochenende aus Bremerhaven, 14. April 2024, 11:20 Uhr