Interview

Nachhaltige Fischerei: So gefährdet sind die Fische in der Nordsee

Ein Fischkutter fährt auf offener See.
Bild: dpa | Zoonar | Conny Pokorny

Die EU hat die Fischfangquoten angehoben. Was dahinter steckt und welchen Fisch Sie mit gutem Gewissen verzehren können, erklärt ein Experte vom Bremerhavener Thünen-Institut.

Wie viel Fisch darf im kommenden Jahr aus der Nordsee geholt werden? Darüber haben jüngst die Agrar- und Fischereiminister der EU-Staaten in Brüssel beraten und entschieden. Das Ergebnis: Die Quoten wurden deutlich angehoben, was essenziell ist für alle Fischer — auch für die aus Bremerhaven. Dort ist die Bedeutung des Fischfangs zwar zurückgegangen, doch das Fischereigewerbe unterhält immer noch zahlreiche Arbeitsplätze.

Inzwischen dominieren Themen wie nachhaltige Fischerei die Branche. Dazu forscht unter anderem das Thünen-Institut für Seefischerei in Bremerhaven. Dessen Leiter Gerd Kraus erklärt, wie es um den Fischbestand in der Nordsee steht und welches Siegel Verbrauchern beim Kauf helfen kann.

Herr Kraus, unabhängig von den Quoten – wird zu viel Fisch gefangen?

In den letzten Jahren haben wir eine Situation, in der sich die Fischereiminister in Brüssel ganz gut an unsere Fangempfehlungen halten — das ist deutlich besser geworden. Auf der einen Seite haben die Fischer auskömmliche Quoten, mit denen sie gut wirtschaften können, auf der anderen Seite werden die Fischbestände geschont.

Ein Mann und eine Frau stehen vor einem Kutter und halten ein Schild.
Gerd Kraus leitet das Thünen-Institut für Seefischerei in Bremerhaven. Bild: dpa | Lars Klemmer

Wie steht es denn aktuell um die Fischbestände, zum Beispiel in der Nordsee und im Nordatlantik?

In der Nordsee sieht es im Moment gar nicht so schlecht aus. Viele Fischbestände sind in einigermaßen guten Zustand. Wir haben die Bewirtschaftungsempfehlungen in den letzten Jahren eingehalten, viele Fischbestände konnten sich erholen.

Doch es gibt natürlich wie überall Licht und Schatten. In der Nordsee macht uns der Kabeljau immer noch große Sorgen. Insbesondere bei uns in der Deutschen Bucht sieht es nicht so gut aus. Aber das hat im Moment tatsächlich auch mehr mit dem Klimawandel als mit der Fischerei zu tun.

Kann es in unseren Gewässern also ewig so weitergehen?

Ewig so weitergehen sollte es nicht. Die Bestände werden mittlerweile relativ gut bewirtschaftet, die Überfischung ist deutlich zurückgegangen. Was die Fangmethoden anbelangt, ist allerdings noch ein bisschen Luft nach oben. Wir haben immer noch sehr viel Grund berührende Fangmethoden. Gerade in sensiblen Gebieten ist das für die Lebensgemeinschaften am Meeresboden ein Problem.

Nachhaltige Fischerei ist momentan ein großes Stichwort – wie sieht das genau aus?

Nachhaltige Fischerei steht auf zwei Füßen. Zum einen darauf, dass die Fischbestände, die man nutzen möchte, in gutem Zustand sind – gesund, produktiv, mit hohen Erträgen. Das zweite Standbein sind die Umweltauswirkungen – und zwar mit möglichst wenig Beifängen zu arbeiten. Und, dass man Dinge, die man nicht im Netz haben will, möglichst auch nicht fängt.

Wie sieht die Zukunft der deutschen Hochseefischerei für Sie aus?

Die Hochseefischerei ist relativ profitabel. Wesentlich mehr Sorgen mache ich mir um unsere Küstenfischerei. In den letzten Jahren hatten wir eher schlechte Fangsituationen. Damit sind eigentlich alle Reserven aufgebraucht, die die Krabbenfischerei jetzt bräuchte, um in CO2-arme Antriebe zu investieren und neue Kutter ins Wasser zu bringen, die energiearm operieren und nachhaltig wirtschaften können. Das sieht im Moment nicht so gut aus. Und da ist meine Hoffnung deutlich schlechter als für die Hochseefischerei.

Welche Fische lassen sich denn ruhigen Gewissens essen?

Guten Gewissens kann man essen, was möglichst niedrig in der Nahrungskette ist. Klassisch ist da der Karpfen, der sich pflanzlich ernährt und gut gezüchtet werden kann. Das wäre das Maximum an Nachhaltigkeit.

Bei Meeresfischen sind es Schwarmfische wie Heringe, Makrelen, Sardinen und Sardellen, bis hin zu Thunfischen, die sich prächtig erholt haben. Der Vorteil: Die Netze berühren nicht den Boden, es gibt wenig Beifang und eine hohe Reproduktion. Die Fische erholen sich also schnell. Dabei kann man also nicht viel falsch machen.

Und welche Siegel auf der Verpackung sind empfehlenswert?

Siegel sind problematisch, weil es inzwischen so viele gibt. Für Verbraucher ist das nicht einfach zu durchschauen. Das größte Siegel ist MSC, der weiße Fisch auf blauem Grund. Die Transparenzkriterien dafür sind im Netz zu finden und es gibt ein wissenschaftliches Beratungsgremium. Das Siegel ist nicht perfekt, aber oberhalb der gesetzlichen Vorgaben. Man findet es in jedem Regal.

Es gibt auch Bio-Siegel wie Naturland, das allerdings weniger leicht zu durchschauen ist. Für Menschen, die keine Zeit haben, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, ist MSC daher die schnelle Empfehlung und ein erster Schritt.

Autoren

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 12. Dezember 2023, 8:35 Uhr