Urlaub in der Heimat Kiew: Sonne am Tag, Explosionen in der Nacht
Der sonnige Tag im belebten Kiew lässt unsere Reporterin Anna Chaika fast vergessen, dass Krieg herrscht. Doch spätestens in der Nacht ruft dieser sich lautstark in Erinnerung.
Als ich nach Kiew in unsere Wohnung zurückkehrte, war ich so müde von der Fahrt, dass ich scheinbar nichts gespürt habe. Emotionen – null. Ohne meine Sachen auszupacken, ging ich sofort ins Bett. Ich hatte überhaupt keine Kraft mehr.
Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich selbst die Luft zu Hause ist, anders riecht. Und aus irgendeinem Grund war mir erst richtig klar, dass ich zu Hause bin, als ich duschte. Wasser hat einen völlig anderen Geschmack und fühlt sich sogar anders an.
Einen lichten Moment brachte der erste Abend auch: Wir hatten kein Internet, doch dieses Problem konnten wir in zehn Minuten lösen. Es war ein Sonntagabend, wir riefen den Anbieter an, und der Berater am Telefon konnte innerhalb weniger Minuten die Internetverbindung erneuern. Ein echter Kulturschock nach der Zeit in Deutschland...
Krieg tritt in den Hintergrund – und dann Alarm
Am nächsten Tag, während ich mich um etliche Angelegenheiten und Meetings kümmerte, schien es mir irgendwann, als gäbe es keinen Krieg. Die Ausgangssperre wurde auf 0 Uhr reduziert. Das heißt, es ist verboten, nach Mitternacht draußen zu sein. Dafür sind am Nachmittag viele Menschen unterwegs, die Cafés sind geöffnet, die Sonne wärmt. Die große Zahl von Menschen in Militäruniformen auf den Straßen sind die einzige Erinnerung an den Krieg.
So dachte ich, bis der Abend kam. Und mein erster Luftalarm in Kiew. Ein schriller Sound, der alles in die Mitte drückt. Es fühlt sich an, als wäre der Magen zu einem Knoten verdreht. Nun, Angst und Unruhe, dachte ich. Solche Ängste gibt es jeden Tag, immerhin herrscht Krieg. Aber es war nicht nur ein Alarm, es begannen Explosionen in der Hauptstadt, insbesondere in meinem Bezirk. In dieser Nacht wurden zwölf Kamikaze-Drohnen über Kiew gestartet, die von der ukrainischen Luftverteidigung abgeschossen wurden. Eine Drohne fiel auf einen Laden, es gab einen Brand.
Meine Freundin, die ich am Tag zuvor gesehen hatte, schrieb mir beruhigende SMS und scherzte, dass diese Explosionen eine Fanfare zu Ehren meiner Ankunft in Kiew seien.
Ich hatte leichtes Fieber vom Stress und der Aufregung, es gab keinen Unterschlupf in der Nähe unseres Hauses, nur einen schmutzigen Keller. Also ging ich einfach ins Bett. In der Hoffnung, dass die Nacht friedlich sein wird.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Sonntagmorgen, 2. April 2023, 11:40 Uhr