Fragen & Antworten
Abschiebungen in Bremen: Das sind die wichtigsten Fakten und Zahlen
Die Bremer Regierung muss sich zu einem neuen Gesetz zum Thema Abschiebung positionieren. Wir erklären die wichtigsten Begriffe und erläutern die Hintergründe.
Die Debatte um mehr Abschiebungen hat spätestens mit dem aktuellen Gesetzespaket der Bundesregierung an Fahrt aufgenommen. Mehr Befugnisse beim Durchsuchen von Geflüchteten-Unterkünften, bis zu einem Monat Ausreisegewahrsam, Abschiebung ohne vorherige Ankündigung, sind darin vorgesehen. An den neuen Regelungen gibt es Kritik. Hilfsorganisationen warnen vor Grundrechtsverstößen. Abschiebungen lösten nicht die Probleme der Kommunen, heißt es etwa bei Pro Asyl.
Zudem kam es bei (drohenden) Abschiebungen in der Vergangenheit immer wieder zu selbstverletzendem Verhalten oder gar zu Selbsttötungen von ausreisepflichtigen Personen, worauf der Mediendienst Integration in einem Artikel zum neuen Gesetz hinweist. Die Bremer Innenbehörde teilt auf Anfrage von buten un binnen zu den neuen Regelungen per E-Mail mit: "Die einzelnen Regelungen sind theoretisch geeignet, die Zahl der Abschiebungen bei Personen zu erhöhen, die ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen. Ob und wie sie sich in der Praxis auswirken, bleibt abzuwarten."
Was ist ein Aufenthaltstitel?
Ein Aufenthaltstitel ist eine Berechtigung für den Aufenthalt in Deutschland. Das können beispielsweise eine Aufenthaltserlaubnis wegen Asylberechtigung sein, ein Visum oder eine Blue Card.
Was ist die Ausreisepflicht und wer ist ausreisepflichtig?
Ausreisepflichtig sind Personen, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben. Das können abgelehnte Asylbewerber sein, aber auch Arbeitnehmerinnen, Studierende oder Touristen aus dem Ausland, die für die Einreise nach Deutschland ein Visum benötigten, das nun abgelaufen ist.
Was ist eine Abschiebung?
Eine Abschiebung erfolgt erst, wenn die ausreisepflichtige Person nicht freiwillig ausreist. Eine Abschiebung ist dann die Durchsetzung der Ausreisepflicht. Dabei wird die ausreisepflichtige Person von Polizistinnen und Polizisten häufig früh morgens zu einem Bahnhof oder Flughafen gebracht. Es gibt auch die Möglichkeit einer begleiteten Abschiebung, bei der die Polizistinnen und Polizisten mitreisen.
Was ist eine Duldung?
Geduldete Personen sind ausreisepflichtig, bei ihnen ist jedoch die Abschiebung für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, zum Beispiel ein Abschiebestopp in das Herkunftsland, ein Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis oder auch persönliche oder gesundheitliche Härtefälle. Die Duldung bewirkt nur, dass die Strafbarkeit des illegalen Aufenthalts entfällt.
Wie viele geduldete Personen gibt es im Land Bremen?
Aktuell (Stand 30. September 2023) gibt es im Land Bremen nach Auskunft der Innenbehörde 3.234 Personen in Duldung. Mit 2.539 Personen leben damit die meisten in der Stadt Bremen.
Was sind im Land Bremen die häufigsten Gründe für eine Duldung von ausreisepflichtigen Menschen?
Nach Auskunft der Bremer Innenbehörde erfolgten im Land Bremen in den ersten drei Quartalen 2023 die meisten Duldungen, namentlich 1.158, "aus sonstigen Gründen". Diese Kategorie werde laut Innenressort gewählt, wenn mehrere Duldungsgründe erfüllt sind, die anderen Kategorien nicht genau passen oder es Schwierigkeiten bei der Festlegung auf einen Grund gibt. Bei der Erteilung einer Duldung müsse stets genau ein Grund angegeben werden, Mehrfachnennungen seien nicht möglich. In 666 Fällen erfolgte eine Duldung wegen familiärer Bindungen, gefolgt von medizinischen Gründen (346 Personen), danach wegen fehlender Reisedokumente (313 Personen) und schließlich "aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen" (265 Personen).
Wie viele Abschiebungen gibt es im Land Bremen?
In Bremen hat es 2022 insgesamt 26 Abschiebungen gegeben. In allen Fällen handelte es sich nach Auskunft der Innenbehörde um Straftäter. Im Jahr 2023 wurden bis Ende August 19 Personen abgeschoben. Darunter sind demnach 17 Straftäter.
Außerdem seien 104 Fälle in der Prüfung, in denen die Betroffenen ausreisepflichtig sind und den Behörden als Straftäter bekannt seien.
Was sind freiwillige Ausreisen und wie viele gibt es im Land Bremen?
Als freiwillige Ausreise oder Rückkehr wird die Situation bezeichnet, in der eine ausreisepflichtige Person selbst ausreist. Dabei können Ausreispflichtige nach Informationen des Bundesinnenministeriums durch bundesweite und europäische Programme unterstützt werden, zum Beispiel durch Hilfen bei Reisekosten oder der Existenzgründung.
Im Land Bremen gab es im ersten Halbjahr dieses Jahres 623 freiwillige Ausreisen, teilt die Innenbehörde mit. Im Jahr 2022 waren es demnach 821.
In Bremen lag der Anteil der abgeschobenen Personen an den ausreisepflichtigen Personen ohne Duldung im Jahr 2022 bei rund 6,95 Prozent. Nur in Brandenburg lag diese Quote mit 5,45 Prozent niedriger. Welche Gründe hat es, dass Bremen auf eine vergleichsweise geringe Quote an Abschiebungen kommt?
In Bremen setzt man nach Auskunft der Innenbehörde verstärkt auf freiwillige Ausreisen, ansonsten konzentriere man sich auf die Abschiebung von Straftätern. Hierzu teilt das Innenressort mit: "Aufwand und Mühe in sogenannte freiwillige Ausreisen zu investieren macht viel Sinn, auch rein unter ökonomischen Aspekten. Abschiebungen binden stets mehr Einsatzkräfte und sind deutlich teurer. Darüber hinaus gehen viele personelle und zeitliche Ressourcen in die Abschiebung von Straftätern. Hierzu wurde 2018 extra eine Landesausländerbehörde gegründet. Zudem ist das Migrationsamt aufgrund der sehr hohen Belastung aktuell nicht in der Lage, so viele Abschiebungen wie in anderen Jahren einzuleiten."
Kosten: Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nennt in der Dokumentation "Deutschland schiebt ab" im Auftrag von Radio Bremen eine Summe von 20.000 Euro für einen Sitzplatz in einem für die Abschiebung gecharterten Flugzeug.
Wie läuft die Zusammenarbeit über Rückführungsabkommen und für welche zusätzlichen setzt sich das Bremer Innenressort bei der Bundesregierung ein?
Aus Sicht der Bremer Innenbehörde werden in einigen Fällen die Verpflichtungen aus den Abkommen nicht zufriedenstellend umgesetzt. Sie fordert daher Verbesserungen in der Zusammenarbeit beispielsweise mit den Maghreb-Staaten. Schwierigkeiten scheint es auch in der Zusammenarbeit mit Guinea zu geben. Daher habe man dem Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, bereits ein entsprechendes Schreiben zukommen lassen, heißt es.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. Oktober 2023, 19:30 Uhr