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40 Jahre Ariane-Rakete: Ein Flug durch die Geschichte
Weihnachten 1979 startete erstmals eine der berühmtesten Raketen der Welt: die Ariane. Teile wurden auch in Bremen gebaut. Mittlerweile gibt es sechs Generationen der Trägerrakete.
Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins – nichts. Der geplante erste Start der europäischen Rakete Ariane ging gründlich daneben. Zwar donnerten und feuerten die Triebwerke der ersten Stufe. Doch die Rakete blieb einfach stehen. Das lag aber nicht an der Ariane. Es waren die wuchtigen Klammern an der Startrampe, die sie wegen eines Computerfehlers weiter festhielten und so das Abheben verhinderten. Neun Tage später gelang der Start dann doch reibungslos. Und mit dem Erstflug der Ariane begann am 24. Dezember 1979 das, was gemeinhin als Erfolgsgeschichte bezeichnet wird.
Eine Rakete, sechs Generationen
1 Ariane 1: Erfolg im zweiten Versuch
Der "Urtyp" Ariane 1 maß 47 Meter, war also halb so hoch wie der Bremer Dom. Die dreistufige Flüssigtreibstoffrakete konnte bis zu 1,85 Tonnen Gewicht tragen. Das entspricht ungefähr der Masse von drei Eisbären aus dem Zoo am Meer. Nur dass seit dem Jungfernflug 1979 und dem letzten Start der Ariane 1 im Februar 1986 keine Eisbären in eine Umlaufbahn um die Erde geschossen wurden, sondern kommerzielle Satelliten wie Meteosat, Intelsat oder die ESA-Kometensonde Giotto.
Von den elf Starts der ersten Ariane verliefen immerhin neun erfolgreich. Zweimal stürzte die Rakete allerdings ab. An der Technik von der Weser lag das nicht. Das Bremer Unternehmen ERNO hatte seit 1974 die Strukturen für die zweite Stufe, den Wasserstofftank und die Integration der Baugruppen entwickelt. Die Auftraggeber waren so zufrieden, dass sie diese Arbeiten auch für die weiteren Ariane-Modelle nach Bremen vergaben.
2 Ariane 2 und 3: Die Schubkraft-Schwestern
Die Kapazität der Ariane 1 reichte bald nicht mehr aus. Denn die Satelliten, die sie in eine Kreisbahn rund 35.786 Kilometer über der Erdoberfläche schießen sollte, wurden von Jahr zu Jahr schwerer. So entschied die europäische Weltraumagentur ESA im Juli 1980, zwei leistungsstärkere Ariane-Versionen zu bauen: die nahezu identischen Ariane 2 und 3.
Die weiterentwickelten Triebwerke der ersten und zweiten Stufe erhöhten ihre Nutzlast deutlich. Die Ariane 2 konnte einen knapp 2,2 Tonnen schweren Satelliten in einen geostationären Transferorbit befördern. Die Ariane 3 schaffte zunächst 2,5 Tonnen, später sogar noch etwas mehr. Das entspricht ungefähr dem Leergewicht des im Bremer Daimler-Werk gefertigten Elektro-SUV Mercedes-Benz EQC.
Mit der Ariane 3, die über zwei mit der Erststufe verbundene Feststoff-Zusatzraketen, so genannte Booster, verfügte, waren erstmals sogar Doppelstarts möglich. Das heißt, die Rakete konnte zwei Satelliten gleichzeitig ins All schießen. Diese Option war für die Satellitenbetreiber so attraktiv, dass der Erststart der Ariane 3 im August 1984 sogar knapp zwei Jahre vor dem der Schwesterrakete erfolgte.
3 Ariane 4: Lastenesel der ESA
Bei der Ariane 4, deren Einführung im Januar 1982 beschlossen wurde, setzte die ESA auf ein neues Konzept. Diese Rakete wurde erstmals modular aus einer Kombination von Feststoff-Boostern und Flüssigtreibstoff-Boostern gebaut. So entstand eine Raketenfamilie, die verschiedene Anforderungsprofile erfüllte. Seit 1980 kümmerte sich zudem das neu gegründete Unternehmen Arianespace um die Vermarktung der Starts für private Satellitenbetreiber.
Basis der neuen Ariane-Generation war die knapp 60 Meter hohe Ariane 40, im Grunde eine Ariane 2 mit verlängerter Erststufe. Die Nutzlast betrug fast fünf Tonnen. Die Rakete konnte damit Satelliten vom Gewicht eines ausgewachsenen Elefanten ins Weltall schießen. Der Weltanteil für Satellitenstarts, den die Ariane 4 auf sich vereinte, wuchs in Spitzenzeiten auf fast 60 Prozent. Das lag allerdings auch daran, dass die konkurrierende US-Raumfähre Challenger im Januar 1986 explodiert war und die US-Shuttles somit als Satellitentransporteure ausfielen.
Demgegenüber galt die Ariane als sehr zuverlässig. Seit ihrem Ersteinsatz am 15. Juni 1988 trug sie bis zum 15. Februar 2003 bei insgesamt 113 Missionen mehr als 180 Satelliten wie Eutelsat und Astra in deren vorgesehene Umlaufbahnen. Nur dreimal gingen die Missionen schief.
4 Ariane 5: Ende einer Ära
Seit den 1990er Jahren führten erneut Veränderungen im Satellitenbau dazu, dass die Ariane überarbeitet werden musste. Nicht zuletzt entwickelten auch Amerikaner und Russen ihre Trägerraketen weiter – und boten Satellitenstarts zum Teil günstiger an als die Europäer.
Die ESA steckte daher seit Mitte der 1980er Jahre zehn Jahre Entwicklung und sieben Milliarden Euro Kosten in die Ariane 5, deren Erstflug im Juni 1996 startete – und 39 Sekunden später in einer Notsprengung in vier Kilometern Höhe endete. Erst 16 Monate nach diesem Schock gelang der Erstflug vom französischen Raumfahrtzentrum Guayana im südamerikanischen Kourou zumindest teilweise. Denn der Satellit, den die Ariane 5 an Bord hatte, wurde in einem zu niedrigen Orbit ausgesetzt. Danach lief es aber besser. Der einzige weitere Fehlstart von bislang 106 Missionen ereignete sich 2002.
Das Gewicht, das die aktuell verwendete Ariane 5 ECA in eine erdnahe Umlaufbahn transportieren kann, beträgt 10,9 Tonnen. Das entspricht grob dem Gewicht eines randgefüllten irdischen Bauschuttcontainers. Dessen weltraumtaugliches Pendant, das Automated Transfer Vehicle (ATV), hat die Ariane 5 übrigens seit 2008 mehrfach zur internationalen Raumstation ISS geschossen. In ihm können die Astronauten bis zu 6,5 Tonnen Abfall abladen.
Nicht nur das ATV wurde in Bremen gebaut, sondern auch die Oberstufe der Ariane 5, die mit einer Geschwindigkeit von rund 28.000 Kilometer pro Stunde ins All rast – fast hundert Mal so schnell wie ein Formel-1-Rennwagen.
Bremens größte Raumfahrtarbeitgeber
5 Ariane 6: Kommt die Recycling-Rakete?
Dass in Bremen auch die Oberstufe für die Ariane 6 gebaut wird, ist längst entschieden. Der Erstflug der neuen Rakete ist am 16. Juli 2020 geplant. Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten hat sich das Wettbewerbsumfeld jedoch stark gewandelt.
Preisdruck übt vor allem der vom US-Unternehmer Elon Musk geführte Raketenbauer SpaceX aus. Denn SpaceX setzt auf wiederverwertbare Raketen, was gegenüber klassische "Einwegraketen" wie der Ariane Kosten spart. Der Start einer Falcon-Rakete von SpaceX kostet nur rund 50 Millionen Euro. Zum Vergleich: Branchenkreisen zufolge liegt der Preis für einen Ariane-6-Start derzeit bei rund 70 Millionen Euro, was ungefähr der Hälfte der Kosten bisheriger Ariane-5-Starts entspricht. Die ArianeGroup geht laut Informationen der Tageszeitung "Die Welt" jedoch bis 2030 intern davon aus, die Preise noch einmal halbieren zu können. Unter dem Projektnamen "Themis" wird zudem eine wiederverwendbare Erststufe entwickelt, die 2023 erstmals testweise abheben soll.
In Bremen, wo erst Ende Oktober das Produktionswerk für die Oberstufe der Ariane 6 feierlich eröffnet wurde, herrscht trotz des harten Wettbewerbs Aufbruchstimmung. Das liegt vor allem daran, dass der Ministerrat jüngst die Finanzierung der neuen Rakete beschlossen und rund 500 Millionen Euro für die deutschen Ariane-Standorte bewilligt hat. "Das Ergebnis ist viel besser als wir gedacht haben", sagte ArianeGroup-Sprecher Matthias Spude buten un binnen nach Verkündung der Pläne Ende November. Der Erstflug der Ariane vor 40 Jahren ist daher aus Bremer vor allem eins: ein Grund zum Feiern.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 23. Dezember 2019, 8:10 Uhr