Was ein Bremer Start-Up mit Fotos aus dem All vorhat
Ist die Idee verrückt oder visionär? Die Gründer der Raumfahrt-Firma "Marble Imaging" haben allesamt ihre guten Jobs gekündigt, um 200 Satelliten ins All zu bringen.
Es ist ein Riesenprojekt, dass hunderte Millionen Euro kosten wird – und doch mit einem zufälligen Treffen begann. Alexander Epp erinnert sich: "Ich habe vorher als Journalist gearbeitet." Vor zwei Jahren sei er frustriert darüber gewesen, dass er für die Berichterstattung über den Ukrainekrieg nur so begrenzt Zugang zu Satellitenbildern hatte. Er beklagte sich bei seinem alten Schulfreund und Raumfahrt-Ingenieur Robert Hook – und schon war die Idee geboren. Mit dem Physiker Raul Scarlat und der Geowissenschaftlerin Gopika Suresh war das Quartett perfekt. Denn jeder von ihnen arbeitet seit Jahren mit sogenannten Erdbeobachtungsdaten und ist Profi in dem Bereich.
Gründer verfolgen ambitionierten Plan
Nun sitzen sie alle in ihrem Büro in der Nähe der Bremer Uni. Ein Raum voller Datenspezialisten vor Bildschirmen. Schon jetzt analysieren sie Satellitenbilder, doch in Zukunft sollen die von ihren eigenen Satelliten kommen. Ihr Plan ist straff: Anfang 2026 soll ihr erster Satellit in die Erdumlaufbahn starten, erklärt Robert Hook. Nur sechs Jahre später sollen es schon 200 Satelliten sein. Denn es braucht eine sogenannte Satellitenkonstellation, also Satelliten, die wie in einer Kette hintereinander herfliegen. Nur so kann man in 24 Stunden jeden Ort der Welt fotografieren.
Einen ersten Satelliten bauen sie nun zusammen mit einem Start-Up aus München. Ein weiterer Partner aus Polen baut die notwendigen Instrumente.
Wir arbeiten mit optischen Teleskopen. Unsere Satelliten sind nur so groß wie eine Waschmaschine- und viel günstiger als andere Erdbeobachtungssatelliten. So können wir überhaupt eine große Konstellation planen.
Raul Scarlat
Das Besondere an ihren Fotos: Die Bilder werden zwar aus 500 Kilometern Entfernung aufgenommen, sollen aber eine Bodenauflösung von 80 Zentimetern haben. Heißt: Eine Giraffe könnte man darauf locker erkennen. Zum Vergleich: Der Erdbeobachtungssatellit "Sentinel-2" der ESA hat eine Bodenauflösung vom zehn Metern.
Dabei ist die Idee, die Erde mit Satelliten zu beobachten keineswegs neu. Schon jetzt zeigen Bilder aus dem All, wie zum Beispiel das Wetter wird. Satelliten dokumentieren, wenn Eisberge abbrechen, überwachen Landwirtschaft oder entdecken Ölkatastrophen.Doch bisher kommen solche Bilder in Europa oft nur von Satelliten der europäischen Raumfahrtagentur oder staatlichen Stellen, sagen die Gründer.
Firma sieht viele potenzielle Kunden
"Die Erdbeobachtung war bisher oft eine staatliche Domäne", erläutert Robert Hook, der vorher beim Bremer Raumfahrtunternehmen OHB gearbeitet hat. Das habe den Nachteil, dass es lange dauern würde, bis die Daten beim Endnutzer ankommen. Und, was aus seiner Sicht viel wichtiger ist: Diese Stellen bieten auch keine Analysen an.
Denn das ist der Gedanke hinter ihrem Plan: "Marble Imaging" soll die Satellitenbilder auf Kundenwunsch analysieren. Für die vier Gründer ist klar, dass solche Fotos von Kunden und in Bereichen genutzt werden könnten, die zurzeit noch gar nicht darüber nachdenken. Robert Hook nennt als Beispiel ein Versicherungsunternehmen:
In Ostfriesland hat der Bauer gesagt: Der Sturm hat mein Feld zerstört. Jetzt kann natürlich das Unternehmen dort jemanden hinschicken, der prüft das, misst nach und sagt: 'Okay, so viele Hektar wurden dort zerstört' – und der Bauer kriegt entsprechend sein Versicherungsgeld. Oder die können das einfach mit Satelliten prüfen.
Robert Hook
Das sei, laut Hook, viel schneller und kostengünstiger als jemand dahin zu schicken. "Wir glauben, dass wir die richtigen Informationen an die richtigen Menschen bringen", fügt Gopika Suresh hinzu, "Wenn Sie zum Beispiel Daten zur Lieferkettenverfolgung brauchen, bieten wir Ihnen diese an."
Zukunft hängt von Finanzierung ab
Anwendungsgebiete sehen die vier Gründer mehr als genug: Wenn man den Klimawandel beobachten möchte. Wenn man nach Umweltkatastrophen wie Erdbeben einen Überblick braucht. Oder – um zu der Ausgangsidee zurückzukommen: Wenn Journalisten für ihre Berichterstattung Satellitenbilder aus Kriegsgebieten wie der Ukraine brauchen.
Ob ihr Plan funktioniert, wird nun maßgeblich davon abhängen, wie die vier Gründer die ganzen Satelliten finanzieren. Beim ersten Start unterstützt noch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), weil "Marble Imaging" einen Kleinsatelliten-Nutzlastwettbewerb gewonnen hat. Doch danach brauchen die Bremer sicher hunderte Million Euro, die sie mit Investoren und Kunden finanzieren müssen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. August 2024, 19:30 Uhr