Das Ende der Galopprennbahn in der Vahr: Eine Chronologie
Am Karfreitag starten die letzten Pferderennen auf der Bremer Rennbahn. Damit endet eine 111-jährige Geschichte. Auf dem Gelände sollen Hunderte Wohnungen entstehen.
Seit 40 Jahren ist Bremen Eigentümer des Geländes der Galopprennbahn. Betreiber der Bahn ist der privat organisierte Bremer Rennverein von 1857. Ehemals war die Galopprennbahn ein Zuschauermagnet, aber seit Jahrzehnten kämpfte der Verein gegen Schulden an und war immer wieder auf Finanzspritzen angewiesen. 2016 kündigte die Stadt dem Rennverein und will nun auf dem Gelände Wohnungen bauen. Ein Rückblick auf 111 Jahre Galoppsport in Bremen.
1864
Der Bremer Rennverein von 1857 pachtet für 850 Taler im Jahr ein Wiesengelände in der Vahr, um dort Pferderennen zu veranstalten. Das erste Rennen geht hier im Juni 1865 über die Bühne. Doch schon in den Gründungsjahren des Vereins um 1858 gab es Pferderennen in Bremen. Laut der Chronik des Bremer Rennvereins startete das erste nachweisliche Bremer Pferderennen 1858 auf dem Hastedter Suhrfeld.
1907
Pünktlich zum 50-jährigen Bestehen des Vereins wird die heutige Rennbahn in der Vahr eingeweiht. Die seinerzeit moderne Anlage hat Hecken als Hindernisse und nicht, wie sonst damals üblich, Mauern oder Bretterzäune. Die Tribünen sind leicht erhöht, so dass man einen guten Überblick über die Bahn hat. 10 Mark kostete ein überdachter Tribünenplatz am Tag. In einem Restaurant wird für das leibliche Wohl gesorgt. Beim Haupteingang gibt es einen Parkplatz für Kutschen und Automobile. Baukosten: 500.000 Reichsmark.
1912
Das erste Restaurant der Galopprennbahn wird durch einen Neubau im Kolonialstil ersetzt.
1920
Der Rennbetrieb, der wegen des Ersten Weltkrieg seit 1914 geruht hatte, wird wieder aufgenommen. Auch zahlreiche Jockeys haben den Krieg nicht überlebt. Die Rennbahn verändert sich, es dominieren nicht mehr allein die Jagdrennen.
1939-1945
Im Zweiten Weltkrieg wird die Galopprennbahn von der Flugabwehr als Standort genutzt. Die Rennbahn und Gebäude werden durch Bomben beschädigt.
1949
Das erste "Nachkriegs-Rennen" wird gestartet.
1977
Die Stadt Bremen beschließt, das 100 Jahre alte Rennbahngelände für sechs Millionen D-Mark zu kaufen. Sie übernimmt auch die Instandhaltung der gesamten Anlage. Der Rennverein darf den 30 Hektar großen Platz weiter nutzen, wenn er Rennen dort durchführt. Der Verein hatte seit 1969 auch darüber nachgedacht, das Gelände als Bauland für 35 Millionen D-Mark an die "Neue Heimat" zu verkaufen. Im Blockland hätte dann für rund 20 Millionen D-Mark eine neue Galoppbahn entstehen sollen. Die Stadt will die Grünfläche in der Vahr aber nicht bebauen lassen und kauft deshalb schließlich selber das Areal.
1980
Die Reithalle und 60 Boxen für Gastpferde werden durch einen Brand zerstört. Eine Frau wird leicht verletzt. Die meisten Pferde werden gerettet. Der Schaden beträgt etwa eine Million D-Mark. Bremen als Eigentümer des Geländes muss die Schäden beseitigen und Ersatz schaffen.
1988-1989
Tribüne, Richterturm und andere Einrichtungen werden für 5,4 Millionen D-Mark saniert.
1993
Die etwa 20 Jahre alte Wetthalle brennt komplett ab. Verletzt wird niemand.
1997
Der Christliche Gewerkschaftsbund schlägt vor, das Rennbahn-Areal zu verkaufen, um dort Wohnungen zu bauen.
An 13 Renntagen kommen etwa 70.000 Besucher. Der Versuch, nach 22 Jahren auch Trabrennen wieder zu etablieren, fällt beim Publikum durch. Die Wetteinnahmen im Jahr 1997 betrugen fast 5,6 Millionen D-Mark. Der Galoppverein bekommt 20 Prozent von den Wetteinsätzen, die direkt an der Bahn platziert werden. Lediglich zehn Prozent gehen an den Verein, wenn Buchmacher irgendwo anders die Wetten annehmen. Auch deshalb steigen seit Jahren die Verluste des Rennvereins. Die zunehmende Zahl an Online-Wetten verstärkt den Effekt.
1998
Der Kaffee-Erbe und Ehrenvorsitzende des Rennvereins, Walther Jacobs, stirbt im Alter von 91 Jahren. Er hatte zuletzt die Verluste des Rennvereins mit jährlich rund einer halben Million D-Mark ausgeglichen.
1999
Die Rennbahn soll saniert und umgestaltet werden. Das alte Restaurant und andere Gebäude werden vor dem Start der Rennsaison abgerissen. Die Stadt plant, das Gelände vermehrt für Messen und Open-Air-Konzerte zu nutzen.
2003
Bauunternehmer Kurt Zech errichtet das Hotel Atlantic direkt an der Galoppstrecke. An den Renntagen verpflichtet sich der Rennverein große Bereiche des Hotel anzumieten – pro Jahr 114.000 Euro. Laufzeit ist 25 Jahre. Aus diesem Vertrag wird die Stadt vorzeitig aussteigen und im Gegenzug das Grundstück an Zech verkaufen.
2005
Das Unternehmen Golf-Range pachtet von der Stadt Bremen 20 Hektar auf dem Rennbahn-Gelände und eröffnet eine Neun-Loch-Golfanlage. Der Vertrag ist auf 30 Jahre angelegt und wird für die Stadt noch teuer werden. Es gibt kein Sonderkündigungsrecht.
2009
Bremen kündigt den alten Nutzungsvertrag mit dem Rennverein. Ein Folgevertrag wird aufgesetzt: Die Stadt streicht Subventionen und verspricht eine Einmalzahlung von 1,4 Millionen Euro zur Pflege der Anlage. Im Gegenzug verpflichtet sich der Verein, bis 2020 in der Vahr Galopprennen zu veranstalten. Aber der Zuschuss ist schon 2012 aufgebraucht. Insgesamt hat Bremen die Rennbahn seit 1979 mit etwa 50 Millionen Euro gestützt.
2012
Der Verein schließt die Rennsaison mit einem Minus von 350.000 Euro in der Bilanz ab. Der damalige Vereinspräsident George Muhle kündigt an, den Verein "geordnet abzuwickeln". Die Stadt denkt über eine Bebauung "in den nächsten 15 Jahren" nach.
2014
Zum Jahresanfang stirbt der langjährige Präsident des Rennvereins, George C. Muhle. Er erlag im Alter von 62 Jahren den Folgen eines Krebsleidens. Der Versicherungsmakler führte den Verein seit dem Jahre 2005 als Nachfolger des Kaffee-Erbens Andreas Jacobs. Auf der nächsten Mitgliederversammlung wollte Muhle sein Amt abgeben. Nachfolgerin wird die Rennstallbesitzerin Tonya Rogge.
2015
Nach jahrelangem Sparen schafft der Rennverein einen Jahresumsatz von 600.000 Euro und der Fehlbetrag liegt bei fast Null. Etwa 13.000 Besucher kommen im Laufe des Jahres.
2016
Bremen kündigt an, dem Rennverein die Nutzungsrechte für das Gelände in der Vahr zu entziehen und etwa 1.000 Wohnungen dort zu bauen. Der Pachtvertrag läuft zwar noch bis 2020, kann aber vorzeitig gekündigt werden. Ende November beschließt die Baudeputation, einen Bebauungsplan aufzustellen und ebnet damit den Weg für die Kündigung, die am 15. Dezember von der Wirtschaftsförderung Bremen ausgesprochen wird. Von Anwohnern gibt es Widerstand, weil sie die Bebauung mit teuren Wohnungen befürchten und stattdessen die Grünfläche erhalten wollen. Die zuständigen Beiräte sind ebenfalls unzufrieden, weil sie sich vom Senat bevormundet fühlen.
2017
Im Rennverein streiten Mitglieder und Vorstand, ob die Galopprennbahn – allen Widrigkeiten zum Trotz – erhalten werden soll. Die Mitglieder setzen sich durch und wollen den Betrieb solange wie möglich aufrechterhalten. Sie rechnen unter anderem damit, dass der Pachtvertrag mit dem Golfplatzbetreiber einen Baubeginn verzögert.
Eine Bürgerinitiative übergibt im August 5000 Unterschriften für den Erhalt der Rennbahn an den Präsidenten der Bürgerschaft. Nutzen werden die am Ende wohl nichts. Denn im Oktober kauft die Stadt Bremen den Golfclub für 3,89 Millionen Euro aus seinem langfristigen Pachtvertrag auf dem Rennbahngelände heraus. Normalerweise hätte hier noch bis 2034 Golf gespielt werden können. Nun sollen ab 2020 die Bagger für den Wohnungsbau anrücken. Bis dahin können noch Bälle geschlagen werden.
Außerdem einigt sich die Stadt mit einem neuen Betreiber auf eine Zwischennutzung der Rennbahn für das Jahr 2018. Der neue Betreiber hat sich mit dem Vertrag verpflichtet, die Anlage im kommenden Jahr zu pflegen.
Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 29. März 2018, 18:06 Uhr