Woran Bremens Wirtschaft krankt – und wieso sie bald gesunden könnte

Bremens Wirtschaft steckt in einer Krise. Nach einem Hoch vor zwei Jahren ist sie zuletzt geschrumpft. Doch es gibt Hoffnungsschimmer, sagt Ökonom Rudolf Hickel.
Die Bilanz der Handelskammer Bremen für das abgelaufene Jahr und ihr Ausblick in die nahe Zukunft fallen gleichermaßen ernüchternd aus: Bremen befinde sich in einer "schwierigen konjunkturellen Situation", teilte die Kammer zum Ausklang des Jahres 2024 mit.
Die Wettbewerbsfähigkeit Bremens stehe auf dem Spiel, sofern es nicht zu einem "grundlegenden Wandel im wirtschaftspolitischen Handeln" komme. Der Staat greife zu stark in den Markt ein und investiere zu wenig in die Infrastruktur, so die Kritik der Kammer kurz vor der Bundestagswahl.
Alarmierende Kennzahlen
Tatsächlich erscheinen wesentliche Kennzahlen zur Bremischen Wirtschaft alarmierend. So ist der bremische Industrieumsatz einer Konjunktur-Umfrage der Handelskammer zufolge von Januar bis September 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 12,8 Prozent eingebrochen. Die Kammer führt das auf eine deutlich reduzierte Nachfrage aus dem In- und aus dem Ausland zurück.
Auch die Daten des Statistischen Landesamts Bremen zum Wirtschaftswachstum weisen ein Minus aus: Um ein Prozent ist das Wachstum im ersten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen – neuere Daten liegen nicht vor. Im Bundesdurchschnitt betrug das Minus nur 0,2 Prozent.
Preisbereinigtes Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr 2024
"Im Sog einer bundesweiten Wirtschaftskrise"

Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel sagt mit Blick auf das negative Wirtschaftswachstum Bremens: "Wir stecken im Sog einer bundesweiten Wirtschaftskrise." Dass diese Krise in Bremen offensichtlich stärker durchschlägt als in anderen Bundesländern, führt der Ökonom auf Bremens aus seiner Sicht "eigentlich wettbewerbsfähige Wirtschaftsstruktur" zurück.
So treffe Bremen mit seinem Mercedes-Werk sowie den vielen Zulieferbetrieben die Krise der Automobilindustrie besonders hart. Zugleich machten sich die Umschlagseinbußen der großen Dienstleister, vor allem der BLG Logistics Group, bemerkbar.
Generell, so Hickel, gelte: "Wenn die Exporte und die Importe gut laufen, steht Bremen im Bundesvergleich immer besonders gut da, wenn sie schlecht laufen, dementsprechend schlechter." Er sieht im Rückgang der Exporte – insbesondere jener nach China – eine der Hauptursachen für Bremens schlechte Zahlen.
Zugleich bekomme der Zwei-Städte-Staat die bundesweit zu beobachtende Krise der Binnenwirtschaft zu spüren. Das zeige sich etwa an Umsatzeinbußen in Hotellerie und Gastronomie. "Da kann man aber wirklich nicht von einem Bremen-spezifischen Absturz sprechen", betont Hickel.
Hoffnungsvolle Auftragslage
Dennoch blickt der Ökonom zuversichtlich in die Zukunft: "Wir haben die Talsohle erreicht, es gibt Lichtblicke", sagt er und verweist auf neue Zahlen aus dem Statistischen Bundesamt zur Auftragslage im Verarbeitenden Gewerbe. Hiernach sind im Dezember 2024 knapp sieben Prozent mehr Aufträge im Verarbeitenden Gewerbe eingegangen als im November. "Das ist sehr positiv", sagt Hickel und erklärt: "Die Auftragslage ist ein wichtiger Frühindikator für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung." Auch spiele das Verarbeitende Gewerbe für Bremens Wirtschaft eine besonders wichtige Rolle.
Mit 55,5 Prozent besonders auffällig ist das Plus an Großaufträgen für das Verarbeitende Gewerbe im Dezember 2024 gegenüber dem November im Bau von Flugzeugen, Schiffen, Zügen und Militärfahrzeugen. Auch der Maschinenbau verzeichnet mit 8,6 Prozent ein starkes Wachstum.
"Die Ökonomie bewegt sich mit Bodenhaftung", fasst Hickel die Gesamtsituation zusammen. "Es geht nicht mehr viel weiter zurück. Es gibt durchaus Hinweise für eine gesamtwirtschaftliche Erholung, allerdings auf immer noch zu niedrigem Niveau."
Riskofaktor Trump
Hickel sagt allerdings auch, dass er in dem neuen US-Präsidenten Donald Trump einen großen Risikofaktor für die deutsche, insbesondere für die Bremer Wirtschaft sieht. Er verweist in diesem Zusammenhang auf einen Aufsatz des Wirtschaftswissenschaftlers Mario Jung vom 6. Februar. Jung untersucht darin, welche Auswirkungen Strafzölle der USA für welches Bundesland haben könnten.
USA sind Bremens wichtigster Abnehmer
Zum Hintergrund: Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Abnehmer deutscher Exporte. 2023 gingen laut Statistischem Bundesamt deutsche Güter im Werte von fast 160 Milliarden Euro in die USA. Das entspricht rund zehn Prozent aller deutschen Exporte, mehr als je zuvor in den vergangenen zwanzig Jahren. Im Land Bremen lag dieser Anteil gar bei 15,3 Prozent – und damit höher als in jedem anderen Bundesland. Tatsächlich hat Trump kürzlich bekannt gegeben, dass er Stahl- und Aluminiumimporte in die Vereinigten Staaten mit Zöllen von 25 Prozent belegen wird.
Wirtschaftswissenschaftler Jung glaubt allerdings nicht, dass diese Zölle speziell Bremen besonders wehtun werden, eher Niedersachsen. Anders dagegen lägen die Dinge, wenn Trump Zölle auf Autos aus Deutschland erheben würde. "Das Segment Autos und Autoteile – was wir als den Mercedes-Benz-Effekt bezeichnen – macht 72 Prozent der Exporte aus Bremen aus. Da ist klar, wo die großen Risiken liegen", so Jung im Interview mit Bremen Zwei.
Doch nicht nur Bremens Automobilindustrie mit all ihren Zulieferern hätten unter derartigen Zöllen in den USA zu leiden. So sagt Hickel: "Sollten wegen des Trump-Protektionismus Lieferungen über den Seeverkehr zurückgehen, wären indirekt auch Bremer Unternehmen beim Hafenumschlag betroffen."
André Grobien ist neuer Präses der Bremer Handelskammer
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 18. Februar 2025, 19.30 Uhr