Wie aus 80 Thesen der Wahl-O-Mat zur Bürgerschaftswahl in Bremen wird

Wahl-O-Mat zur Bremer Bürgerschaftswahl 2023 jetzt online

Bild: Landeszentrale für politische Bildung Bremen

Ab heute ist der Wahl-O-Mat zur Bürgerschaftswahl online. Bremer und Bremerhavener können testen, mit welcher Partei sie im Einklang stehen. Hier erklären junge Bremer, wie er entsteht.

Was tun, um sich auf ein Auslandsjahr in den USA vorzubereiten? Für die Gymnasiastin Maj Bernek ist der Fall klar: Wahlprogramme studieren. Denn das Auslandsjahr, auf das sich die 16-jährige Neustädterin vorbereitet, ist kein gewöhnliches. Es handelt sich um das Parlamentarische Partnerschaftsprogramm des Bundestags. "Da muss ich vor Ort Sozialstunden leisten, meine Schule repräsentieren und Vorträge halten", sagt sie. Als ihre Patentante sie darauf hinwies, dass die Wahl-O-Mat-Redaktion in Bremen noch Jungredakteurinnen suche, war sie daher sofort interessiert. "Ich wollte mich weiterbilden, wollte andere Einblicke haben, die man in der Schule so nicht bekommt."

Für mich ist die Bürgerschaftswahl ja meine erste Wahl.

Wahl-O-Mat-Redakteurin Maj Bernek (16) kommt aus der Bremer Neustadt.
Maj Bernek, 16 Jahre alt, Schülerin am Alten Gymnasium in Bremen

So wie Maj Bernek haben sich vor den anstehenden Bürgerschaftswahlen auch 21 andere junge Menschen aus Bremen und Bremerhaven als Jungredakteurinnen und Jungredakteure für das Wahl-O-Mat-Team gemeldet.

Hier geht es zum Wahl-O-Mat:

Einer von ihnen ist Björn Wagenknecht aus Bremen-Woltmershausen. Der 18-jährige absolviert derzeit ein freiwilliges ökologisches Jahr. "Den Wahl-O-Mat kennen alle Menschen", sagt er. Dass man bei seiner Erstellung auch mitwirken könne, habe er aber erst durch einen Bekannten in seinem Spielmannszug erfahren, der bei der Landeszentrale für politische Bildung in Bremen arbeitet. Die Idee, mitzumachen, gefiel ihm sofort.

Gerade junge Menschen sind ja oft nicht so politisch interessiert.

Wahl-O-Mat-Redakteur Björn Wagenknecht (18) kommt aus Bremen-Woltermshausen.
Björn Wagenknecht, 18 Jahre, Freiwilligendienstler in Bremen

"So kann ich den politischen Diskurs ein bisschen anregen – und mich selbst auch weiterbilden", sagt Wagenknecht.

22 Redakteurinnen und Redakteure, fünf Themenkomplexe

Mitte Februar trafen sich so Bernek, Wagenknecht und 20 weitere junge Menschen, um in einem dreitägigen Workshop zunächst 80 Thesen zur Bürgerschaftswahl zu entwickeln. Wobei allerdings nicht jeder an allen Thesen beteiligt war. Denn die jungen Menschen wurden in fünf Themengebiete verteilt. "Speziell das Thema, bei dem ich mitgearbeitet habe, liegt mir eigentlich eher fern", sagt Wagenknecht. Er wurde der Gruppe "Arbeit, Wirtschaft und Finanzen" zugeordnet. "Als ich mich damit beschäftigt habe, fand ich es aber doch sehr gut", sagt der 18-Jährige.

Maj Bernek hingegen hatte Glück. "Ich habe das bekommen, was ich mir gewünscht hatte", sagt die 16-Jährige. Sie landete in der Gruppe "Umwelt, Energie, Verkehr, Infrastruktur, Bauen und Wohnen".

Moderatorinnen und Experten begleiteten die Teams

Wahl-O-Mat-Redakteurin Maj Bernek (16) kommt aus der Bremer Neustadt.
Wahl-O-Mat-Redakteurin Maj Bernek (16) kommt aus der Bremer Neustadt. Bild: Maj Bernek

"Das Know-how für das Vorgehen bei der Thesenentwicklung haben wir von der Bundeszentrale für politische Bildung übernommen, die ja bereits viele Wahl-O-Mat-Entwicklungen begleitet hat", sagt Thomas Köcher, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Bremen. So waren den Teams auch jeweils von der Bundeszentrale entsendete Moderatorinnen und Moderatoren zugeordnet.

Köcher und seine Kolleginnen standen hingegen vor allem mit Expertise für landespolitische Themen zur Seite. Dass ein Thema wie die "Radpremiumrouten" in der Stadt Bremen zwar wichtig, in Bremerhaven aber vielen unbekannt ist, floss so in die Formulierung der finalen Thesen ein. "So etwas würde dann eher als Radfahren in der Innenstadt thematisiert", sagt Köcher.

Aus 80 wurden 38 Thesen

Nachdem sich das gesamte Bremer Wahl-O-Mat-Team schließlich auf 80 Thesen geeinigt hatte, waren die Parteien am Zug. Ihnen wurden die Thesen zur Beantwortung zugesendet. Die Antworten wiederum mussten danach von den Redakteurinnen und Redakteuren anhand verschiedener Kriterien eingeschätzt werden, um sie auf 38 finale Thesen mit Antworten aller Parteien zu reduzieren.

Die Unterscheidbarkeit der Parteien stünde dabei im Mittelpunkt, sagt Köcher. "Eine These kann wichtig sein, wenn aber alle Parteien darauf gleich antworten, ist sie nicht mehr spannend." Ein weiteres Kriterium: Die Themen sollten zum Beispiel nicht nur interessant für junge Menschen sein.

Da kann ich nicht 38 Fragen zur Cannabis-Legalisierung machen.

Thomas Köcher, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Bremen

Auch die Einschätzung, ob es sich überhaupt um ein landespolitisch für alle bedeutsames Thema handele, sei wichtig. Etwas, das nur wenige Menschen in Bremen und niemanden in Bremerhaven interessiere, falle da eher raus.

Wahl-O-Mat-Redakteur Björn Wagenknecht (18) kommt aus Bremen-Woltermshausen.
Wahl-O-Mat-Redakteur Björn Wagenknecht (18) kommt aus Bremen-Woltermshausen. Bild: Björn Wagenknecht

"Bei der Beantwortung gab es durchaus ein paar Überraschungen", sagt Björn Wagenknecht. So hätten einige Parteien Thesen anders beantwortet, als es in deren Parteiprogramm stünde. Das erlebte auch Maj Bernek bei einigen der Thesen in ihrer Gruppe. "Einige Parteien waren auch sehr schreibfaul", sagt sie. Da sei viel mit copy and paste der immer gleichen Antworten gearbeitet worden. "Bei den üblichen Verdächtigen musste man über die Begründungen auch mal lachen", sagt die 16-Jährige.

Wahl-O-Mat nicht als einzige Quelle nutzen

Landeszentralen-Leiter Köcher warnt daher davor, den Wahl-O-Mat als "Wahl-Entscheidungs-Unterstützung" zu verstehen. "Der Wahl-O-Mat ist nicht dazu da, den Meinungsbildungsprozess abzukürzen." Es handele sich vielmehr um ein politisches Bildungsinstrument, das durch Zeitunglesen oder Nachrichtenkonsum im Fernsehen oder Internet ergänzt werden müsse. "Was passiert in meinem Wohnumfeld, welche Interessen habe ich persönlich, auch das ist ja wichtig", sagt Köcher.

Bei seinen Wahl-O-Mat-Helfern muss sich Köcher da keine Sorgen machen. "Mittelfristig möchte ich mich in der Politik engagieren", sagt der 18-jährige Björn Wagenknecht. Und auch für die Jungredakteurin Maj Bernek ist das Interesse am Wahl-O-Mat nach getaner Arbeit alles andere als erloschen. Sie hat sich bereits als Helferin für die analoge Variante angemeldet – den "Wal-O-Mat zum Aufkleben". Hier handelt es sich um eine Kopie des digitalen Wahl-O-Maten mit Klebewänden, die noch vor der Wahl durch das ganze Land tourt. Erste Station ist am 23. April die Überseestadt, danach geht es nach Bremerhaven, bevor es wieder zurück an verschiedene belebte Orte in Bremen geht – vom Weser-Park, über die Berliner Freiheit, in die Stadtbibliothek bis hin zum Roland-Center.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. April 2023, 19:30 Uhr